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Weiterbildung in deutschen Betrieben

Durchschnittlich 1000 Euro pro Mitarbeiter geben deutsche Firmen für die Weiterbildung ihrer Angestellten aus. Dies geht aus einer Untersuchung des Instituts der Deutschen Wirtschaft hervor. Zudem steige die Zeitintensität bei den Fortbildungen, erklärte Dirk Werner, Autor der Studie.

Moderation: Sandra Pfister | 13.02.2006
    Pfister: Alle Welt redet vom lebenslangen Lernen und davon, dass Menschen bis 67 arbeiten müssen. Aber wie steht es eigentlich tatsächlich um die Weiterbildung in deutschen Betrieben? Das fragt alle drei Jahre das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln, und heute hat es die Ergebnisse vorgestellt. Wir sind am Telefon verbunden mit dem Mann, der die Ergebnisse ausgewertet und zusammengefasst hat, das ist Dirk Werner vom Institut der Deutschen Wirtschaft. Herr Werner, vier von fünf Unternehmen investieren in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter, große Firmen sogar mehr, und die meisten investieren finanziell mehr in die Weiterbildung als bei Ihrer Erhebung vor drei Jahren, nämlich einen Tausender pro Angestellten. Das überrascht jetzt erst mal, dass Firmen gerade in den Zeiten, wo eigentlich überall gespart wird, nicht an der Weiterbildung sparen. Hat Sie das auch überrascht?

    Werner: Ja, in der Tat, auf den ersten Blick ist das schon ein überraschendes Ergebnis, dass wir doch so eine deutliche Zunahme haben. Auf der anderen Seite - wir reden auch viel über Wissensgesellschaft und die Notwendigkeit des lebenslangen Lernens – überrascht es dann vielleicht doch wieder nicht, weil die Unternehmen natürlich auf die Qualifikation ihrer Mitarbeiter angewiesen sind und sich ins eigene Fleisch schneiden würden, wenn sie dem nicht Rechnung tragen. Allerdings ist vielleicht doch ein bisschen überraschend, dass wir so eine deutliche Zunahme haben, also für die drei wichtigsten Punkte, einfach mal genannt, wir haben eine Zunahme bei den Teilnehmerzahlen von 99, die wir im Jahr 2001 noch hatten, auf jetzt 123, das heißt, im Schnitt nimmt jeder Mitarbeiter 1,2 mal an Weiterbildung teil im Jahr. Wir haben eine Zunahme bei der Zeitintensität auf inzwischen 65 Stunden im Jahr oder 23,5 Stunden, wenn wir uns nur die Lehrveranstaltungen anschauen, und – Sie haben eben schon erwähnt – die Kosten auch, wir haben inzwischen 1.072 Euro pro Mitarbeiter, die die Unternehmen im Jahr aufwenden.

    Pfister: Ist das eigentlich viel im internationalen Vergleich, dieser runde Tausender, der dafür ausgegeben wird?

    Werner: Ja, im internationalen Vergleich liegen wir damit sicher im Mittelfeld. Man muss aber da auch berücksichtigen, häufig ist da auch zu lesen, Deutschland wäre da Schlusslicht, das ist nicht ganz der Fall, weil andere Länder haben auch ganz andere Aus- und Weiterbildungssysteme. Also bei uns wird ja auch sehr viel investiert in die Erstausbildung, und das zählt in anderen Ländern eben zur Weiterbildung. Da haben wir dann bei den 16- bis 18jährigen zum Teil Weiterbildungsquoten von 60, 70, teilweise 80 Prozent, und die würden bei uns eben in die Ausbildung zählen, aus der Weiterbildung eben rausgerechnet werden.

    Pfister: Die häufigste Form der Weiterbildung, die sich herauszukristallisieren scheint, ist das Training on the Job. Was heißt das denn konkret?

    Werner: Ja, das heißt, dass eben Weiterbildung jetzt immer arbeitsplatznäher stattfindet, also Lernen in den Prozess der Arbeit integriert wird, und in erster Linie erfolgt das durch Unterweisung und Schulung am Arbeitsplatz direkt vor Ort. Das kann ein Kollege sein, das kann ein Vorgesetzter sein, aber zunehmend werden dafür eben auch externe Trainer rekrutiert. Wir haben beim Einarbeiten neuer Mitarbeiter eben viel, dass Mitarbeiter untereinander sich dort eben weiterhelfen, aber es fallen auch Programme darunter wie Trainee-Programme, Job Rotation, wir haben Lerninseln oder zum Teil auch – natürlich für wenige – Auslandsaufenthalte, die gezielt gefördert werden.

    Pfister: Das ist der eine Trend, das Training on the Job, der andere, schreiben Sie, ist, dass Fortbildung immer mehr in der Freizeit stattfindet. Das ist für die Mitarbeiter nun ja nicht so doll.

    Werner: Das kommt darauf an. Man muss eben schauen, was für eine Form von Weiterbildung ist das, und wenn es eine externe Lehrveranstaltung ist, die relativ lange dauert, also teilweise Tage oder Wochen umfasst, dann profitiert ja auch der Mitarbeiter sehr stark davon, und er steigert seinen Marktwert, vielleicht sogar sein Einkommen, seine Beschäftigungsfähigkeit auf jeden Fall. Von daher ist es ein Geben und Nehmen, und wir stellen auch fest, dass gerade in kleinen Betrieben es immer schwieriger wird, Weiterbildung innerhalb der Arbeitszeit zu organisieren, und es ist ja auch nur Teil der Freizeit, die die Mitarbeiter einbringen. Im Moment ist es knapp ein Viertel, der liegt bei kleinen Betrieben noch ein bisschen höher, bei großen Unternehmen liegt er wieder deutlich niedriger.

    Pfister: Wie steht es denn um die Fortbildung Älterer? Das ist ja immer der kritische Punkt.

    Werner: Ja, das konnten wir leider in unserer Umfrage nicht abbilden, weil die Betriebe in ihrer Statistik meist nicht nach Alter differenzieren. Wir haben eben Teilnehmerfälle gezählt und keine einzelnen Personen, aber man muss sagen, wir haben eben die Betriebe danach gefragt, ob das für sie zukünftig ein wichtigeres Thema wird, und da haben doch immerhin ein Viertel der Betriebe gesagt, dass sie in Zukunft verstärkt auch ältere Mitarbeiter ab 50 und darüber weiterbilden wollen. Letztendlich braucht es auch ein bisschen Zeit, bis sich die, ja, neue Strategie, kann man so sagen, was die Beschäftigung Älterer eben anbetrifft, da durchsetzt. Wir haben sehr viele gesetzliche Regelungen zur Frühverrentung, zur Altersteilzeit, da steuern wir gerade um, Stichwort 67 als Altersgrenze für die Verrentung. Das muss natürlich auch erst mal bei den Beschäftigten in den Betrieben dann ankommen und sich da durchsetzen.

    Pfister: Die Gewerkschaften haben unlängst noch mal betont, der Umfang der Weiterbildung sollte ihrer Meinung nach gesetzlich festgeschrieben werden. Mit Blick auf die alternde Gesellschaft und den vielbeschworenen Bedarf nach lebenslangem Lernen, wäre das nicht doch das Gebot der Stunde, weil die Weiterbildung dann vielleicht doch hinten runterfallen könnte?

    Werner: Also die Betriebe sagen da ganz klar "Nein" zu. Die wollen keine tarifvertraglichen Regelungen, schon gar keine gesetzlichen Regelungen, weil es kommt immer auf den Betrieb vor Ort an. Wenn wir uns jetzt zum Beispiel Spezialmaschinenbauunternehmen angucken mit einer hochqualifizierten Belegschaft, da ist Weiterbildung ein ganz anderes Thema als in bestimmten Landwirtschaftsbetrieben, wo man vielleicht auch viel mit Saisonarbeitskräften arbeitet. Also wir brauchen einfach flexible Lösungen für den einzelnen Betrieb, und wenn eben Weiterbildung dort erforderlich ist, dann wird sie auch durchgeführt.