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Weiterer Durchbruch in Genforschung
Forscher Feng Zhang gelingt Crispr/Cas-Anwendung auf RNA

Mit der Gen-Schere Crispr/Cas lässt sich DNA gezielt schneiden. Dem MIT-Forscher Feng Zhang ist es nun gelungen, die Methode so zu erweitern, dass sie die Ribonukleinsäure verändert. Damit ist eine Veränderung auf Zeit möglich, statt Erbinformation zu verändern.

Von Michael Lange | 27.10.2017
    Eine Gen-Doppelhelix
    Genforschung: Werkzeugkasten erweitert (imago / Ikon Images)
    Die Genschere Crispr/Cas ist mittlerweile nicht nur in den Gentechnik-Labors bekannt. Fast im Wochenrhythmus präsentieren Fachzeitschriften Verbesserungen und Erweiterungen des Gentechnik-Werkzeugkastens.
    Wir haben uns die wohl wichtigste dieser Woche herausgegriffen. Bei ihr geht es nicht um das Verändern des Erbmoleküls Desoxyribonukelinsäure, englisch DNA abgekürzt, sondern um einen Verwandten: Die Ribonukleinsäure oder kurz RNA. Chemisch ist dieses Kettenmolekül ähnlich aufgebaut wie die DNA. Die Ketten sind aber kürzer und die Moleküle nicht so stabil.
    Erweiterung auf RNA
    Biologisch ist RNA etwas ganz anderes als DNA. Sie dient nicht als Erbmolekül, sondern übernimmt viele verschiedene Funktionen in der Zelle. Deshalb bedeutet die Erweiterung von Crispr/Cas auf RNA eine gewaltige Erweiterung der Möglichkeiten in Gentechnik und Molekularbiologie, und später – so hoffen die Forscher – auch in der Medizin.
    Hinter der neuen Methode steht ein junger amerikanischer Wissenschaftler.
    "Mein Name ist Feng Zhang und ich bin als Wissenschaftlerin am Massachusetts Institute of Technology tätig. Ich gehöre außerdem dem Broad Institute an."
    Feng Zhang ist 36 Jahre alt. Mit seinen Eltern kam er vor 30 Jahren als kleiner Junge aus China in die USA. Er wuchs in Iowa auf und interessierte sich schon früh für Biotechnologie.
    An allen wichtigen Neuerungen beteiligt
    In den letzten zehn Jahren war Feng Zhang an allen wichtigen Neuerungen der Genetik beteiligt. Am bekanntesten ist wohl die Gen-Schere "Crispr/Cas". Crispr/Cas hat das Arbeiten in vielen Laboren revolutioniert. Dabei geht es Feng Zhang nur am Rande um neue Methoden, wie er immer wieder versichert.
    "Mein Hauptinteresse ist es, herauszufinden, wie das Gehirn arbeitet. Ich will verstehen, wie dort Krankheiten entstehen. Und bei meiner Forschung entdecke ich allerlei Methoden, mit denen ich Mechanismen untersuchen kann, die zu verschiedenen Krankheiten beitragen."
    Veränderung auf Zeit
    Jetzt entwickelte Feng Zhang mit seinem Team am Broad Institute einen Werkzeugkasten für Ribonukleinsäure, die RNA. Diese Biomoleküle sind die Schaltstellen in jeder Zelle. Unter anderem bringen sie als Boten-RNA die genetische Information vom Erbmolekül DNA zu den Proteinfabriken. Sie sorgen dafür, dass die genetische Information der DNA auch umgesetzt wird.
    Wer die RNA gezielt manipulieren kann, verändert nicht die Erbinformation, sondern die Funktion der Gene und letztlich die Arbeit der Zellen im Körper. Eine Veränderung der RNA ist also eine Veränderung auf Zeit, ohne das Erbgut zu verändern.
    Um die RNA gezielt zu bearbeiten, suchten Feng Zhang und seine Leute zunächst ein Enzym, das RNA ebenso exakt schneidet wie Crispr/Cas 9 die DNA schneidet. Feng Zhang erklärt:
    "Das erfordert die Untersuchung verschiedener bakterieller Enzyme. Denn in Bakterien stecken viele Fähigkeiten, die wir brauchen, um neue Werkzeuge zu entwickeln. Das galt für die gezielte Veränderung der DNA und gilt nun auch, wenn wir deren Partner, die RNA, besser verstehen wollen."
    Genauigkeit muss noch verbessert werden
    Fündig wurden die Forscher bei Bakterien der Gattung Prevotella. Das Enzym, das sie entdeckten, ist eine RNA-Schere und trägt jetzt den Namen Cas 13b. Die Genauigkeit dieser Schere lässt aber noch zu wünschen übrig, und muss weiter verbessert werden.
    Die RNA-Genschere ist nur ein Anfang. Ergänzt wird sie durch ein synthetisch hergestelltes Enzym. Damit lassen sich einzelne Bausteine der RNA austauschen. Das synthetische Enzym ermöglicht den Ersatz von Adenin durch Guanin. Ein ganz bestimmter Informationsbaustein von vier möglichen, das Adenin, wird also durch einen konkreten anderen, das Guanin, ersetzt. So können die Forscher eine bestimmte Form von Genfehlern reparieren.
    Werkzeug für andere Informationsbausteine fehlt noch. Noch befinden sich nur wenige Werkzeuge im RNA-Werkzeugkasten – und die sind auch recht primitiv. Aber das soll sich ändern. Feng Zhang arbeitet schon an Verbesserungen.
    "Die Erkennungsstruktur der RNA ist manchmal sehr genau und manchmal weniger exakt. Daran arbeiten wir. Das wird ähnlich ablaufen, wie beim Erbmolekül DNA. Da sich viele Forschergruppen mit diesem Werkzeugkasten beschäftigen werden, werden wir gemeinsam bald große Fortschritte machen."
    Erfolg mit Zellen von Fanconi-Anämie-Patienten
    Ein erfolgreiches Experiment gelang dem Team um Feng Zhang bereits mit menschlichen Zellen in einer Kulturschale. Sie stammten von Patienten, die an der Fanconi-Anämie leiden. Diese Erbkrankheit kann zu Missbildungen führen, außerdem zu Blutarmut.
    Den Forschern gelang es, mit dem neuen Werkzeug den Fehler zu beheben, ohne das Erbgut der Zellen dauerhaft zu verändern. Auch bei Embryonen wäre so etwas vorstellbar – RNA-Reparatur statt Keimbahntherapie.
    Bis das gleiche jedoch in den blutbildenden Zellen eines Patienten oder bei einem Embryo funktioniert, ist es noch ein weiter Weg für Feng Zhang und sein Team.