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Weizenkongress in Frankfurt
Industrielles Hybrid-Saatgut praktisch alternativlos?

In Deutschland wachsen hunderte untreschiedliche Weizensorten auf den Äckern. Auf dem Weizenkongress in Frankfurt ging es vor allem um die Züchtung von Hybridweizen. Über ihn wird intensiv geforscht, denn er soll höheren Ertrag bringen. Kritiker bemängeln, dass Bauern das Saatgut jedes Jahr neu kaufen müssen und dadurch Abhängigkeiten von Agrarkonzernen entstünden.

Von Stefan Wolff | 09.12.2016
    Frischer Weizen blüht im Frühling in Bayern, Deutschland auf einem grünen Feld.
    Er soll mehr können als die normalen Weizensorten: der Hybridweizen. (imago / Westend61)
    Das Tagungshotel liegt etwas abgelegen, am Waldrand in einem nicht eben zentralen Stadtteil Frankfurts. Das ist nicht der Ort für medienwirksame Proteste oder Trillerpfeifenkonzerte. Jutta Sundermann von der Aktion Agrar bevorzugt dann auch eher die leisen Töne. Sie verteilt Kekse an die Gipfelteilnehmer. "Freier Weizen statt Konzerngetreide" ist auf den Verpackungstütchen zu lesen. Denn dieser freie Weizen ist in Gefahr.
    "Was hier diskutiert wird, ist die Züchtung von Hybridweizen, das ist ein Weizen, der, wenn die Pläne hier gelingen, ertragreicher ist, der bestimmte Resistenzen auch mitbringen kann, der aber von den Bauern jedes Jahr zwingend von den Züchtern neu gekauft werden muss", sagt Jutta Sundermann.
    Das schafft Abhängigkeiten von den großen Agrarkonzernen, die sich das Saatgut patentieren lassen. Und sich so über regelmäßige Einnahmen freuen können.
    Die Bundesregierung bereitet ein Gesetz vor, dass Gentechnik verbietet, dass aber gleich sechs Bundesministerien ein Vetorecht einräumt dieses Verbot zu kippen. Kritiker sagen, dass so das Gentechnikverbot ausgehebelt wird. Noch vor Weihnachten soll der Bundesrat zustimmen. Danach, so Kritiker, ist freie Bahn für die großen Konzerne, obwohl bei Weizen gar nicht um Gentechnik, sondern um Züchtung geht:
    "Gentechnik spielt gar keine Rolle aktuell. Es gibt weltweit keinen gentechnisch veränderten Weizen. Einfach, weil Weizen vom Genom her sehr komplex ist und es gar nicht so einfach ist, wie man sich das vorstellt", erklärt Philpp Boeven von der Universität Hohenheim.
    Hunderte Sorten Weizen in Deutschland
    Was bei Mais oder Erbsen schon gang und gäbe ist, ist beim Weizen noch nicht möglich gewesen. Es gibt hunderte Sorten auf deutschen Äckern. Die fünf größten Sorten kommen gerade mal auf einen Marktanteil von 30 Prozent. Doch an dem alles könnenden den Hybridweizen wird fieberhaft geforscht. Denn Hybride sollen vor allem eines bringen:
    "Ich denke, das wichtigste Zuchtziel ist einfach Ertrag. Darauf kommt es dem Landwirt an. Und natürlich ist gerade die Glutendiskussion im Gange. Aber das Hauptzuchtziel ist Ertrag und natürlich eine gewisse Resistenz gegen Krankheiten", so Boeven.
    Mit den bekannten Sorten stossen die Bauern an die Grenzen. Zwar hat sich der Ertrag in den vergangenen 50 Jahren gut verdreifacht, doch soll ein neuer Hybridweizen noch einmal den Turbo einschalten. Das sieht auch der Bundesverband deutscher Pflanzenzüchter BDP so:
    "Hybriden sind eine Möglichkeit, Zuchtfortschritt zu generieren. In vielen Kulturarten wird das eingesetzt, ob das Rübe Raps oder Roggen ist, und bei Weizen wäre das auch eine Chance, mehr Ertrag zu generieren", erklärt BDP-Vorstand Wolf von Rhade.
    In der Kritik an der Bundesregierung sind sich BPP und Aktion Agrar fast einig. Von Rhade fordert:
    "Dass das Züchterprivileg erhalten bleibt, weil es uns enormen Zuchtfortschritt gebracht hat, und es darf nicht ausgehebelt werden durch Patente und quasi blockiert werden. Das Züchterprivileg ist die Freiheit des Züchters, die Genetik, sprich, die Sorten die am Markt sind zu benutzen, für weitere Kreuzungsarbeiten, um weiteren Zuchtfortschritt zu generieren."
    Kritik von der Aktion Agrar
    Hält ein Konzern ein Patent auf Saat gut, dann darf der Bauer nicht mehr Teile seiner Ernte neu einsäen oder das Saatgut eigenhändig verbessern. Die Aktion Agrar geht noch einen Schritt weiter. Sie kritisiert, dass das Landwirtschaftsministerium die großen Konzerne bei der Suche nach dem neuen Hybridweizen finanziell unterstützt:
    "Die Bundesregierung muss gerade auch die bäuerliche Züchtung auf dem Feld fördern. Wenn sie den Konzernen Geld gibt und dann am Ende Saatgut rauskommt und abhängig macht, dann ist das sogar ein Skandal", so Jutta Sundermann.
    Wenn es wirklich ein Skandal ist, dann vollzieht er sich leise. Auf solchen Treffen, wie dem Weizengipfel in Frankfurt.