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Welt-Internet-Kongress
Datenschutz auf Chinesisch

In China ist der Welt-Internet-Kongress zu Ende gegangen. Wie beim Weltwirtschaftsforum in Davos diskutieren die Teilnehmer die Zukunft des Netzes – allerdings mit dem Widerspruch, dass China kein freies Internet zulässt.

Von Alfred Schmit | 12.11.2018
    Eine Veranstaltung auf der Welt-Internetkonferenz in Wuzhen.
    Zum fünften Mal hat in Wuzhen die Welt-Internetkonferenz Chinas getagt. (picture alliance/Zhejiang Daily/Imaginechina/dpa)
    Der Touristenort Wuzhen mit seinen vielen Wasser-Kanälen, Brücken und alten Häusern, verwandelt sich jedes Jahr in eine Internet-Oase. Fünf Tage lang funktionieren hier alle Apps und Webseiten, die sonst in China schwer oder gar nicht laufen. Die Bosse der High-Tech-Firmen, ihre Beschäftigten und zahlreichen Journalisten sollen es leicht haben beim Welt-Internetkongress. China und freies Internet, das ist eigentlich ein Widerspruch. Doch als Tagungsgast bekommt man den Eindruck: hier geht alles im Netz.
    Die Vorträge und Diskussionsforen sprühen vor Enthusiasmus über neue Chancen und schnelles Wachstum: Pony Ma, der Chef des Internet-Konzerns Tencent, eines der größten der Welt: "Wir strahlen positive Energie aus, wir schützen weiterhin Informationen und Inhalte. Wir beschützen auch Kinder vor negativen Inhalten im Netz. Und wir wachen über die Phase schneller Netz-Geschwindigkeit zu hoher Qualität im Netz."
    Mas milliardenschwerer Konzern betreibt das Soziale Netzwerk WeChat und ist außerdem der größte Handyspiel-Anbieter in China. Den Jugendschutz nimmt der Konzern so ernst, dass er ab Januar ein Zeitlimit für Handyspiele einführt. Kinder fliegen nach einer Stunde pro Tag raus. Dank Onlineregistrierung und Datenabgleich mit staatlichen Stellen weiß Tencent genau, wie alt die Kundschaft ist. Datenschutz auf Chinesisch.
    "Anderes Verständnis von Privatheit der Daten"
    Überhaupt stellt sich in Wuzhen an jeder Ecke die Frage: Was ist wichtiger - Profit oder Privatheit? Filippo Santelli berichtet für die italienische Zeitung La Repubblica vom Welt-Internet-Kongress: "Ich glaube, dass die Menschen in China ein komplett anderes Verständnis von Privatheit ihrer Daten haben als die Bürger in Europa oder den USA. Die Menschen in China begrüßen neue Technologie mit Enthusiasmus. Und sie sind auch deshalb so erfolgreich damit - in künstlicher Intelligenz zum Beispiel - weil sie keine Angst haben vor negativen Folgen."
    Gerade für künstliche Intelligenz brauchen Firmen riesige Datenmengen. Die gibt es in China, und die Menschen geben sie leichter her als anderswo. Neue Märkte dafür locken überall: selbstfahrende Autos, Online-Universitäten, Tele-Medizin. In einer Diskussion mit Web-Unternehmern stellt eine chinesische Journalistin eine Schlüsselfrage dazu: "Mich würde interessieren: Wie gehen Internet-Firmen um mit der Balance zwischen Effizienz im Netz und dem Schutz der Privatsphäre?"
    Die einfache Antwort gibt Hu Sua, Chef der Video-Sharing-Plattform Kuaishou mit mehr als 200 Millionen Nutzern: "Wir müssen unsere Kunden um Erlaubnis fragen. Wir sind eine offene Plattform, unsere Nutzer wissen, dass ihre Daten einsehbar sind. Sie müssen selbst aktiv werden und sagen, wer was sehen darf. Manche wollen mehr Privatheit, andere wollen berühmt werden."
    Das Gegenteil von Netzfreiheit?
    Eins allerdings haben die Größen von Chinas Internet-Industrie klargemacht: sie sind sehr interessiert an guten Beziehungen zu staatlichen Stellen. Die Frage, wie China mit dem Internet umgeht, lässt sich auch beim Blick auf das Motto der Konferenz beantworten: "Wir bauen eine digitale Welt mit gegenseitigem Vertrauen und kollektiver Führung." Das klingt für europäische Ohren wie das Gegenteil von Netzfreiheit.
    Für Journalisten, die in China arbeiten müssen, stellt sich die Frage regelmäßig neu, wie sie mit solchen Veranstaltungen umgehen. Samantha Vadas arbeitet als Videojournalistin für Reuters in Peking: "Wir haben eine gute Beziehung zur Regierung in Peking und wissen in der Regel, was wir sagen können und was nicht. Außerdem will man hier auch China nicht gegen den Strich bürsten. Wir sind ja schließlich in ihrem Land. Unser Job ist, zu berichten was wir sehen. Ich würde mich nicht als China-Expertin bezeichnen, da gibt es bestimmt bessere, aber unsere Aufgabe ist die Berichterstattung, und ob China das dann gefällt oder nicht, ist deren Entscheidung."
    Organisiert wird der Internet-Kongress übrigens jedes Jahr von Chinas Kommunistischer Jugend. In Zusammenarbeit mit dem Konzern Tencent. Die Wasserstadt Wuzhen vor den Toren von Shanghai wurde bewusst als Tagungsort gewählt. Sie soll mit ihren vielen Kanälen als Symbol dienen für das weltweite Netz. Und erklärtermaßen auch für einen Standort, der schon immer ein Marktplatz von Kaufleuten war.