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Weltausstellung vor 125 Jahren
Sensationelle Technik und ein neues Wahrzeichen

Der neu errichtete Eiffelturm in Paris bildete vor 125 Jahren das Eingangstor zur zehnten Weltausstellung. Schwerpunkt waren Maschinen und Elektrizität, aber auch Menschen aus aller Welt wurden ausgestellt.

Von Irene Meichsner | 06.05.2014
    Ausstellungsbesucher der Weltausstellung in Paris 1889 wandeln unter dem Eiffelturm.
    Ausstellungsbesucher der Weltausstellung in Paris 1889 wandeln unter dem Eiffelturm. (picture alliance / dpa / EXPO_2000_Hannover_GmbH)
    Die Musik klang zwar noch etwas blechern, aber das tat der Begeisterung keinen Abbruch. Der "Phonograph", eine Erfindung des Amerikaners Thomas Alva Edison, war die Attraktion bei der zehnten Weltausstellung, die am 6. Mai 1889 in Paris begann. Zum ersten Mal konnte man mit dem Gerät Töne aufzeichnen und abspielen. Auf zeitgenössischen Bildern sieht man die Menschen mit verzückten Gesichtern an den Hörtrichtern stehen. Sie konnten sogar ihre eigenen Stimmen aufnehmen und von der Wachswalze wiedergeben lassen. Der deutsche Schriftsteller Adolf Hausrath konnte kaum fassen, welche vielfältigen Möglichkeiten die neuen Medien boten.
    "Wir nehmen die Röhren des Phonographen ans Ohr und hören, was vor Wochen gesprochen, gesungen, gespielt wurde. Wir senden vom Telegraphenpavillon Weisungen in weite Fernen oder setzen uns in den Fahrstuhl des Eiffelthurms und schreiben dreihundert Meter über der Erde eine Postkarte, die morgen in den Händen unserer Freunde sein wird. Zeit und Raum ist überwunden."
    Der 324 Meter hohe Eiffelturm, damals das höchste Gebäude der Welt, war von dem Ingenieur Gustave Eiffel extra für diese Weltausstellung entworfen und aus rund 18.000 Metallteilen mit zweieinhalb Millionen Nieten zusammengesetzt worden - ein technisches und unternehmerisches Meisterwerk, so der französische Verleger Jean-Francois Guyot, der Eiffels Buch "Der 300-Meter-Turm" neu herausgegeben hat.
    "Die Eisenstreben kamen fast millimetergenau abgemessen an. Schon mit den vorgebohrten Löchern für die Nieten. Eiffel hat praktisch in 23 Monaten mit weniger als 200 Mann den Turm gebaut - eine Leistung, die man heute noch nicht einmal mehr zustande bekäme.
    Paris war schon zum vierten Mal Gastgeber einer "Exposition Universelle". Dieses Mal wurde gleichzeitig der 100. Jahrestag der Französischen Revolution gefeiert. Europas Monarchien hielten sich darum fern, waren "inoffiziell" aber mit einzelnen Exponaten vertreten. Insgesamt nahmen über 60.000 Aussteller aus 54 Ländern und 17 französischen Kolonien teil. Die Veranstaltung stand ganz im Zeichen der Elektrizität. Auf elektrisch angetriebenen "rollenden Brücken", den sogenannten "Ponts roulants", wurden pro Tag bis zu 200.000 Besucher durch die über 400 Meter lange "Maschinenhalle" geschleust.
    Von oben schauten sie hinab auf die - so Adolf Hausrath - "keuchenden, stampfenden, kurbelnden, schwingenden, Menschenarbeit verrichtenden Maschinen", die einen Höllenlärm verursachten.
    Rassistische Überheblichkeit
    Zeitweise war das Gelände im Herzen von Paris dem Andrang kaum gewachsen. Nach einem halben Jahr zählten die Veranstalter rund 32 Millionen Eintrittskarten - doppelt so viele wie 1878 bei der letzten Pariser Weltausstellung. Der Erfolg war auch darauf zurückzuführen, dass nicht nur Maschinen zur Schau gestellt wurden, sondern auch Menschen aus Afrika, Asien, Indochina und Lateinamerika. Man taxierte die "Exoten" in den Länderpavillons mit durchaus rassistischer Überheblichkeit.
    "Die Sudanesin unterscheidet sich nicht wesentlich von der gewöhnlichen Negerin: die gleichen enormen Lippen, die gleichen wolligen Haare, die gleichen schweren Hüften, das gleiche affenartige Aussehen. Aber die Übergänge sind fein, die Arme von schöner Modellierung",
    notierte ein französischer Journalist. In einem Berberzelt kam während der Ausstellung sogar ein Kind zur Welt.
    "Es geschah - wie heutzutage bei der Geburt eines Nilpferds im Zoo - unter lebhafter Anteilnahme der Presse und unter Aufsicht eines französischen Arztes",
    schreibt der Schweizer Kunsthistoriker Beat Wyss in seinem Buch "Bilder von der Globalisierung". Einige Pavillons in einer Sonderausstellung zur Geschichte des Wohnens dienten gleichzeitig als Imbissstuben - was den Dichter Charles Jean Grandmougin durchaus amüsierte:
    "Die griechische Behausung aus der Zeit des Perikles empfängt Arbeiter, die sich mit Wein aus Argenteuil und Knoblauchwürstchen die Kehle vollstopfen, man verkauft sogar Bockbier für 30 Centimes. Nebenan drängt man Ihnen für 15 Centimes das Kräuterbier der Gallier auf."
    Nur die Steinzeithöhle musste schon bald geschlossen werden.
    "Sie wurde in Ermangelung entsprechender Anlagen auf dem Gelände als Toilette missbraucht."