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Weltbildungstag der UNESCO

Bildung ist die Entfaltung des Einzelnen und hat etwas mit der persönlichen Entwicklung zu tun, sollte man meinen. Sie ist also etwas anderes als eine Dienstleistung, die man in eine Reihe stellen könnte mit Versicherungen und Banken, mit Wasserversorgung und Transport. Was hat Bildung mit den Regeln des freien Handels mit Dienstleistungen zu tun? Noch gilt bei uns der Grundsatz, dass der Zugang zu Bildung jedem nach seinen Fähigkeiten möglich sein muss, dafür hat der Staat zu sorgen.

Von Karl-Heinz Heinemann | 08.09.2003
    Die 1995 gegründete Welthandelsorganisation, WTO, hat mit dem GATS, dem General Agreement on Trade in Services, Regeln für den freien Handel mit Dienstleistungen aufgestellt. Für sie ist Bildung einer von elf Dienstleistungsmärkten, auf dem staatliche und private, in- und ausländische Anbieter frei konkurrieren sollen. Vom Kindergarten bis zur Erwachsenenbildung, vom Sprachkurs bis zur privaten Schule oder Hochschule, Studentenaustausch und Kurse im Internet, die Beschäftigung ausländischer Lehrer und Wissenschaftler – all das fällt unter die Bestimmungen des Handelsabkommens.

    Ich betrachte GATS als einen ganz wichtigen Hebel zur Bildungsreform, weil wir nur durch den Druck von außen, der durch eine gute Lehre erzeugt wird, eine gute akademische Lehre unsere Hchschulen verbessern können.

    ... meint Professor Ulrich van Lith, der Vorstandsvorsitzende des Rhein-Ruhr-Instituts für Wirtschaftspolitik. Er ist ein strikter Befürworter der Liberalisierung. Private ausländische Anbieter von Bildungsdienstleistungen sollen nach seiner Auffassung den einheimischen staatlichen gleich gestellt werden. Dann müssen deutsche Hochschulen sich der Konkurrenz privater Hochschulen aus den USA oder anderen Ländern stellen. Ihr Produkt, also Hochschullehre, würde dadurch besser, hofft van Lith.

    Auf der anderen Seite stehen die Kritiker der Globalisierung. Die Marktöffnung treibt die Privatisierung des Bildungswesens voran, und das bedeute wachsende soziale Ungleichheit, meint Rene Schuijlenburg, der Sprecher der internationalen Initiative "education is not for sale":

    Unsere Aufgabe ist es, dem entgegen zu treten. Wenn man sieht, wo es schon Bildungsmärkte auf nationaler Ebene gibt, in den USA oder England, sieht man, dass die Schulden immer weiter ansteigen von Familien aus der Mittelklasse; und in den USA ist es bei den niedrigen Einkommen so, dass die Ausgaben für die Studiengebühren ihrer Kinder von 13 auf 26 % des Bruttoeinkommens angestiegen ist.

    Nach dem GATS gilt für alle Dienstleistungsbereiche das Meistbegünstigungsprinzip, also die Verpflichtung, keinen ausländischen Marktteilnehmer schlechter als die Anbieter anderer Staaten zu behandeln. Darüber hinaus stand es den Unterzeichnern frei, für einzelne Dienstleistungssektoren weitergehende Verpflichtungen einzugehen, nämlich Ausländer mit Inländern vollständig gleich zu behandeln und ihnen den vollen Marktzugang zu öffnen. Der Kasseler Politologe Christoph Scherrer hat das GATS auf seine Auswirkungen für die Bundesrepublik untersucht.

    Zunächst muss man festhalten, dass sich die EU und damit auch Deutschland gegenüber den Handelspartnern in der WTO, über 140 Nationen, verpflichtet hat zur Marktöffnung und zur Gleichbehandlung von Anbietern aus diesen Ländern, in einem Sektor vor allem, der damals noch gar nicht sichtbar war, das ist die Dienstleistungserbringung über die Grenze hinweg, ohne dass sich eine Person bewegt, die Bildungsdienstleistung über das Internet. Das ist ein Bereich, der sich sehr rasch entwickelt hat und in Zukunft noch weiter sich entwickeln wird. Durch die Verpflichtung, die die EU eingegangen ist, ist sie dadurch auch gebunden, amerikanische Anbieter, die auf diesem Markt am stärksten vertreten sind zuzulassen.

    Nur 44 Staaten haben derartige Verpflichtungen für den Bildungsbereich unterschrieben, darunter die damalige Europäische Gemeinschaft. Die EG und heute die EU hat ihre Mitgliedsstaaten vom Primarbereich bis zur Erwachsenenbildung zur Marktöffnung und Gleichbehandlung der ausländischen Anbieter mit Inländern verpflichtet. Das größte Bildungsexportland dagegen, die USA, hat seinen Hochschulsektor nicht der ausländischen Konkurrenz geöffnet.

    Die Europäische Gemeinschaft hat aber zwei Ausnahmen eintragen lassen. Freier Marktzugang muss nicht gewährt werden bei Diensten, die im staatlichen Interesse erbracht werden.

    Die zweite Ausnahme: Die EU-Mitglieder behalten sich vor, selbst zu entscheiden, welche Anbieter sie subventionieren wollen und welche nicht. Also nicht jeder, der eine Hochschule eröffnet oder einen Kindergarten, bekommt automatisch die Gelder aus der Hochschulbauförderung oder der Jugendhilfe. Diese Klausel möchten die USA und andere Länder gestrichen sehen.

    Würde die Ausnahmeklausel der EU nicht mehr gelten, dann könnten nicht mehr Kultusminister und Parlamente entscheiden, welche Hochschulen das Land braucht und deshalb auch finanziert. Selbst jemand, der die zehnte Business-School in Düsseldorf eröffnet, hätte Anspruch darauf, mit der Düsseldorfer Universität finanziell gleich gestellt zu werden. Denkbar wäre dann eine andere Art der Finanzierung. Schulen oder Universitäten würden nicht mehr direkt vom Staat finanziert, sondern der Staat würde jedem Anbieter, ob staatlich oder privat, ob Stiftung oder GmbH, einen festen Betrag pro betreutem Schüler oder Studenten auszahlen.

    Man mag darüber streiten, ob ein solches Gutscheinsystem einen Leistungsanreiz bietet oder ob es nicht vielmehr einen Verzicht auf politische und demokratisch legitimierte Gestaltung darstellt. Nicht die bildungspolitischen Argumente zählen, sondern nur das Gebot des Freihandels.

    Ob mit oder ohne GATS, es gibt längst einen gigantischen Bildungsmarkt. 1,9 Billionen US-Dollar werden weltweit jährlich für Bildung umgesetzt, schätzt die OECD. Noch verbleibt davon ein großer Teil in staatlichen Einrichtungen, aber die Zahl macht deutlich, dass dieser Sektor noch ein riesiges Marktpotential bietet. 30 Milliarden US-Dollar Einnahmen erzielten 1999 die OECD-Staaten allein im Handel mit Hochschuldienstleistungen, das macht immerhin drei Prozent der gesamten Dienstleistungsbilanz aus.

    Auch der transnationale Handel mit Bildung entwickelt sich schwunghaft. In den USA erwarben ausländische Studierende im letzten Jahr Bildungsdienstleistungen im Wert von 13,6 Milliarden Dollar. Studieren im Ausland ist bislang noch der wichtigste Faktor im internationalen Bildungshandel.

    Wir exportieren und kommerzialisieren Forschung und zunehmend auch Lehr-Dienstleistungen. In Australien bekommen die Hochschulen weniger als die Hälfte ihrer Einnahmen vom Staat. Der Rest kommt aus Studiengebühren und von externen Einrichtungen, also aus der Wirtschaft, zum Beispiel durch Beratungsdienste. Australische Universitäten sind daher sehr erfahren im Vermarkten von Hochschulbildung...

    ... meint Judie Wells, eine Vertreterin der australischen Hochschullehrergewerkschaft. Australische Hochschulen werben in Südostasien Studierende an, die dann für die Universitäten Gewinn bringende Studiengebühren bezahlen müssen. In Australien machen die Einnahmen durch ausländische Studierende rund 12 Prozent der Außenhandelsbilanz aus, das ist der drittgrößte Posten. Die USA sind Spitzenreiter beim Vermarkten ihrer Studienangebote, gefolgt von Australien und Großbritannien. Geht man nur von der Zahl der Studierenden aus, die ins Land kommen, so nimmt Deutschland schon den dritten Platz ein. Doch da hierzulande auch ausländische Studierende keine Gebühren zahlen müssen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, schlägt sich das nicht direkt in der Handelsbilanz nieder, obwohl diese Studierenden auch als Konsumenten Geld ins Land bringen.

    Immer wichtiger wird die Lieferung von Kursen und Abschlüssen über das Internet. Darüber erschließt sich weltweit ein Markt von Hunderten von Millionen möglicher Kunden. Zwei Drittel der über 3000 amerikanischen Hochschulen verkaufen Lehrgänge auf diese Weise. Berufstätige können sich fern von der realen Universität weiter qualifizieren. Neben den real existierenden Hochschulen haben sich rein virtuelle auf dem Markt etabliert, kommerzielle Unternehmen wie zum Beispiel die Phoenix University. Ihr Campus existiert nur im Netz, ihr Wert wird an der Börse bestimmt.

    Für die Zulassung von Hochschulen und Studienangeboten, für die Anerkennung von Abschlüssen gibt es keine weltweiten Standards, und die kann auch eine Handelsorganisation wie die WTO nicht schaffen. Eine Marktöffnung, ohne dass zuvor allgemein verbindliche und überprüfbare Qualitätsmaßstäbe vereinbart wurden, würde zu einem "Wettlauf um das niedrigste Niveau" führen, befürchten Vertreter der amerikanischen Vereinigung der Hochschullehrer.

    In Deutschland gibt es seit langem private Schulen, doch kaum auf kommerzieller Basis. Auch durch die wenigen privaten Hochschulen wird das System öffentlicher Bildungsversorgung nicht in Frage gestellt. Der Markt für teure Privathochschulen mit Studiengebühren bis zu 10 000 Euro im Jahr ist eng, solange es einigermaßen funktionierende gebührenfreie öffentliche Hochschulen gibt. Das würde sich ändern, wenn der erwähnte Subventionsvorbehalt gegenüber dem Dienstleistungsabkommen GATS aufgehoben wird. Dann könnten private Hochschulen die Finanzierung der öffentlichen Hochschulen als unzulässige Subventionierung ansehen und auf Gleichbehandlung klagen.

    Ausländische Anbieter sind vor allem auf dem ohnehin privaten Weiterbildungsmarkt anzutreffen. Da gibt es etwa das US-amerikanische "Institute for International Research", IIR [Ai ai Ah] mit einer Filiale in der Nähe Frankfurts, das führend im Bereich der Managementschulungen ist. Unter den Hochschulen gilt die International University of Bremen als eine Art Filialunternehmen der texanischen Rice-University.

    Schließlich geht es noch um das Entsenden von Personal, etwa Sprach-Lehrern, ins Ausland. Auch das spielt bisher keine große Rolle.

    Ein riesiger neuer Markt öffnet sich in den Entwicklungs-ländern. Auch deutsche Hochschulen wollen dort aktiv werden. Flaggschiff des deutschen Bildungsexports ist die German University of Cairo, die im Oktober von Bundeskanzler Gerhard Schröder eröffnet wird. Sie bietet vor allem natur- und ingenieurwissenschaftliche Studiengänge an. Etwa 1000 Studierende sollen in den acht Studiengängen anfangen. Unterrichtet wird auf Englisch, doch die Hälfte der Hochschullehrer kommt, ebenso wie die Konzepte für die Studiengänge, von den Universitäten Stuttgart und Ulm. Sie wurden nach Marktanalysen speziell für den Bedarf der Unternehmen im Nahen und Mittleren Osten zugeschnitten. Die deutsche Neugründung muss sich dort der Konkurrenz mit einer seit langem dort arbeitenden amerikanischen Hochschule stellen. Professor Hans Wolff, Rektor der Universität Ulm und stellvertretender Vorsitzender des Kairoer Hochschulkuratoriums:

    Diese Studiengänge gibt es zum Teil weder bei uns, oder nur an ganz wenigen Plätzen einschließlich der American University, die ganz anders aufgestellt ist, mehr in Philologien etc. wir sind ja technisch orientiert. Diese Studiengänge, Biotechnology um nur ein Beispiel zu nehmen, gibt es im Augenblick nicht.

    Der zweite Punkt ist: Wenn Sie mit 800, 900, 1000 Studenten rechnen und die auch haben wollen, weil Sie ein großes Projekt machen wollen, werden Sie scheitern, wenn Sie Deutsch als Unterrichtssprache verlangen würden.

    Das Studium an der deutschen Universität in Kairo wird nicht billig: Die Studiengebühren betragen zwischen 15 000 und 26 000 ägyptischen Pfund im Halbjahr, also zwischen 2000 und 3500 Euro.

    Die Bundesregierung fördert rund 30 weitere deutsche Studienangebote im Ausland, von mehrwöchigen Kursen über einzelne Studiengänge, die in Kooperation mit Firmen und Hochschulen vor Ort angeboten werden bis zur Gründung von Filialhochschulen, etwa der TU München in Bangkok und der TH Aachen in Shanghai.

    In den nächsten 20 Jahren werde sich die Nachfrage nach ausländischen Studienangeboten vervierfachen, mutmaßt DAAD-Generalsekretär Christian Bode, dessen Organisation dieses Förderprogramm betreut. Deshalb sei es höchste Zeit, mit eigenen Angeboten den marktbeherrschenden Australiern, Briten und Amerikanern Paroli zu bieten.

    Unsere Studienangebote sollen unternehmerisch geplant sein, d.h, nach einer gewissen Zeit sollen sie sich auch von selbst tragen. Kennzeichen vieler Studiengänge ist, dass sie eine enge Kooperation mit der Wirtschaft eingegangen sind und große Stipendienpakete einwerben konnten.

    ... erläutert Christian Thimme, der Projektleiter des Deutschen Akademischen Austauschdienstes. Von diesen off-shore-Gründungen könne man hierzulande lernen, dass sich die Dienstleistung Studium durchaus kostendeckend verkaufen lässt, meint Thimme. Genau das befürchten die GATS-Kritiker – hier werde die Privatisierung und Vermarktung der deutschen Hochschulen geprobt.

    Trotz der deutschen Interessen, selbst Bildung zu exportieren, sei es nicht nötig, sich international zur Marktöffnung zu verpflichten, meint man beim DAAD. Man sei bisher mit den eigenen Bildungsangeboten auf keine Beschränkungen in den Partnerländern gestoßen.

    Entwicklungsländer haben nur ein schwach entwickeltes staatliches Bildungssystem. Der Internationale Währungsfonds IWF drängt sie, ihre Staatsausgaben herunter zu fahren, damit sie ihre Schulden zurückzahlen und ihre Währungen stabil halten können. Gleichzeitig wächst dort die Nachfrage nach höherer Bildung sprunghaft. Ausländische Anbieter könnten diese Nachfrage decken. Doch damit ruinieren sie zugleich die zarten Pflänzchen eigener Bildungseinrichtungen, fürchten Bildungspolitiker aus den Entwicklungsländern und Globalisierungskritiker in den Industrienationen.

    Auf einer UNESCO-Konferenz über die Auswirkungen der Globalisierung der Hochschulbildung auf den Nord-Süd-Dialog kamen diese Befürchtungen zur Sprache.

    Was aus den Universitäten ein Werkzeug der Entwicklung macht, ist ihre Fähigkeit, die Bedürfnisse und Träume ihrer eigenen Gemeinschaft anzusprechen. Deshalb müssen sie eine kulturelle Identität haben, müssen mit ihrer Gesellschaft verbunden sein, in die Gemeinschaft eingebettet sein, in der sie sind. Im europäischen Bildungssystem gibt es diesen Zusammenhang....

    ... meint Lidia Brito. Sie ist die Hochschulministerin von Mosambik. Dennoch gibt es für sie zur Marktöffnung keine Alternative. Ihr Land muss die wenigen Mittel, die es für Bildung hat, zuerst in die Elementarbildung stecken. Nicht die Welthandelsorganisation, sondern die UNESCO als weltweite Organisation für Bildung und Kultur müsse für faire Regeln im Bildungshandel sorgen, damit die Entwicklungsländer nicht überfahren werden. Dazu John Daniel, der für Bildungsfragen zuständige stellvertretende Generalsekretär der UNESCO:

    Der Handel mit Bildung findet statt, und da wäre es besser, wenn er geregelt wird und wenn die Leute auch wüssten, welche Regeln gelten. Ich selbst halte mehr von weltweiten Abkommen als von bilateralen Vereinbarungen, denn die erlauben dem stärkeren Partner immer, das bessere Geschäft zu machen.

    In Deutschland sind sich die Kultusminister und das Bundesbildungsministerium, Hochschulrektoren und Parlamente in Sachen GATS einig: Die europäische Union soll keine weiteren Verpflichtungen zur Öffnung der Bildungsmärkte eingehen. Und in der Tat gehen die EU-Staaten mit dieser Position in die Verhandlungsrunde in Cancun: Im Sektor Bildung will man sich nicht weiter verpflichten, und man werde die bestehenden Vorbehalte nicht aufgeben, Dienstleistungen im öffentlichen Interesse auch weiterhin in staatlicher Hoheit zu regeln.

    Eigentlich also ein Grund zur Zufriedenheit für die GATS-Kritiker, sollte man meinen. Doch sie bleiben skeptisch:

    Erstens sind die Verhandlungen sind nicht vorüber, man weiß nicht, ob nicht noch ne Menge passieren wird. Zweitens ist es so, dass bei GATS immer neue Verhandlungsrunden kommen werden, so ist es im Vertrag festgeschrieben, das heißt, selbst wenn bei dieser Rund die EU keine weiteren Zugeständnisse im Bildungssektor machen würde, heißt das noch lange nicht, dass es nicht bei einer nächsten Runde passieren würde, von daher fordern wir, dass Bildung komplett aus dem GATS-Vertrag herausgenommen wird...

    ...meint René Schuijlenburg vom studentischen Bündnis "education is not for sale". Die Befürchtung, dass im Laufe der Verhandlungen über das gesamte Freihandelspaket der Schutz des staatlichen Bildungssystems geopfert werden könnte, um dafür etwa die Schutzzölle für Agrarprodukte zu erhalten hat neue Nahrung bekommen. Im Entwurf zur neuen EU-Verfassung ist nämlich vorgesehen, die Rechte der Mitgliedsstaaten in Bildungsfragen weiter zu beschneiden. Bisher müssen die EU-Mitglieder einstimmig entscheiden, wenn die EU-Kommission mit ihrer Handelspolitik Fragen der Kultur, Bildung und der Medien beeinflusst, wie es bei GATS der Fall ist. Dieser Vorbehalt würde nach Inkrafttreten der EU-Verfassung nicht mehr gelten.

    Das würde den Verhandlungsspielraum des EU-Handelskommissars Pascal Lamy enorm erweitern. Will die EU in den GATS-Verhandlungen etwa ihre Agrarsubventionen erhalten, könnte sie dafür den Hochschulmarkt öffnen, will sie Liberalisierungen im Bereich des Stahlhandels durchsetzen, könnte sie dafür die mächtigen US-Testing-Agenturen in Europa zulassen. Und da die Mehrheit in der europäischen Union ein vitales Interesse an der Ausweitung des Freihandels hat, wird selbst ein grüner Außenminister nicht wegen einiger Zugeständnisse beim Abbau öffentlicher Dienstleistungen die Zustimmung zum Gesamtpaket verweigern.

    Die staatliche Finanzierung von privaten Hochschulen und Schulen, die Einführung von Studiengebühren oder Gutscheinsystemen, die Subventionierung von Theatern und Museen, alles ist vorstellbar. Man weiß noch nicht, was im Laufe der Verhandlungen von GATS auf den Tisch kommt, welche Deals geschlossen werden – Agrarsubventionen erhalten, dafür den Hochschulmarkt öffnen, amerikanische Testing-Agenturen zulassen, dafür die US-Stahlzölle abbauen – all das ist nicht das Hirngespinst von Globalisierungsgegnern, sondern die ausdrückliche Handlungsmaxime der Welthandelsorganisation.