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Weltklimabericht
"Risikomanagement wird mehr betont"

Höhere Temperaturen, Wassermangel, extreme Wetterlagen: Die Folgen des Klimawandels sind hinreichend bekannt. Neu am zweiten Teil des Weltklimaberichts sei, dass Vorbereitungen und Anpassungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, sagte Hermann Lotze-Campen vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung im DLF.

Hermann Lotze-Campen im Gespräch mit Jasper Barenberg | 01.04.2014
    Friedbert Meurer: Um sage und schreibe 4,8 Grad soll sich das Klima bis zum Ende des Jahrhunderts erwärmen. Das schätzt jedenfalls der Weltklimarat der Vereinten Nationen in seinem neuesten Bericht. Und in einem zweiten Schritt dieses Berichts analysiert er jetzt in einer Studie, gestern wurde sie vorgestellt, wie sich diese Veränderungen wohl auswirken werden. Demnach sind die Folgen schon heute überall auf der Welt zu spüren. – Mein Kollege Jasper Barenberg sprach gestern Abend mit Hermann Lotze-Campen vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.
    Hermann Lotze-Campen: Wir wissen ja heute schon, dass die Temperaturen sich über die letzten Jahrzehnte schon erhöht haben und auch die Wasserverfügbarkeit sich verändert hat. Wir haben natürlich bislang erst sehr geringe Folgen beobachtet im Vergleich zu dem, was in Zukunft noch zu erwarten ist. Ein Effekt, der auch zunehmend sichtbar ist, ist, dass die Wetterverhältnisse sich von Jahr zu Jahr oft verändern und die Bedingungen unberechenbar werden.
    Jasper Barenberg: Mit welchen Folgen dann, wenn es um die Themen Ernährung, Wasserversorgung geht?
    Lotze-Campen: Bei den Niederschlagsverhältnissen kann es dann sowohl zu länger anhaltenden Dürren, Trockenheiten kommen, die natürlich die Anbaubedingungen negativ beeinflussen, als auch dann in anderen Zeiten zu stärkeren sogenannten Starkregen-Ereignissen in Kombination mit Überflutungen, und sowohl zu viel Wasser als auch zu wenig Wasser sind natürlich gerade für die Landwirtschaft oft mit negativen Folgen behaftet, so dass dann zu erwarten ist, dass in größerer Häufigkeit es zu Ernteausfällen in verschiedenen Gegenden der Welt kommt. Und wenn dann solche Ereignisse auftreten wie zum Beispiel im Jahr 2010, als es in mehreren großen Anbaugebieten unvorteilhafte Wetterverhältnisse gab, dann kann es auch zu Preisausschlägen auf den Weltmärkten kommen.
    Barenberg: Gilt denn auch hier, was ja offenbar für den Bericht insgesamt gilt, wie gefährlich und wie folgenreich der Klimawandel wird, da haben wir noch selber in der Hand, das zu beeinflussen?
    Bericht ist eine Erweiterung zu früheren
    Lotze-Campen: Ja, auf jeden Fall. Das ist auch, glaube ich, eine Veränderung oder eine Erweiterung zu den früheren Berichten - der letzte Bericht liegt ja jetzt sieben Jahre zurück -, dass also nicht nur die Risiken in den verschiedenen Bereichen besser abgeschätzt werden können und auch mehr betont wird, dass ein Risikomanagement nötig wird, um die schlimmsten Folgen abzusichern, sondern dass auch schon von vornherein Möglichkeiten zur Anpassung genannt werden, was sich heute auch schon zeigt, dass durch die Erkenntnisse, die bisher gewonnen worden sind, in vielen Regionen schon Pläne und Strategien für Anpassungsmaßnahmen entwickelt werden – ob das jetzt Bauen von Dämmen oder Deichen ist, um Überflutungen einzudämmen, oder in der Landwirtschaft neue Anstrengungen hinsichtlich der Sortenzüchtung anzunehmen.
    Da werden schon Vorbereitungen getroffen und es wird in dem Report auch aufgezeigt, was gemacht werden kann. Das ist die Seite der Anpassung, die jetzt in diesem zweiten Teil des Klimaberichts besonders betont wird. Dazu kommt natürlich noch der ganze Bereich der Vermeidung der Emissionen, der Vermeidung des Klimawandels, der ja dann im dritten Teil des Berichts behandelt wird, der in naher Zukunft jetzt veröffentlicht wird.
    Barenberg: Ist es denn ein grundlegender Kritikpunkt des jetzigen Berichts, dass es Erfolge gibt bei der Anpassung, dass aber immer noch zu wenig geschieht bei dem Thema Vorsorge, Vermeidung?
    Bewässerungsanlage auf einer Farm in der Nähe von Tripolis, Libyen. Da es sich bei Libyen um ein arides Land handelt, dessen fruchtbarer Landstreifen nicht weit in das Landesinnere vordringt, muss schon recht bald hinter der Küste mit der künstlichen Bewä
    Künstliche Bewässerung wird in immer mehr Landstrichen notwendig. (picture alliance / dpa / Matthias Tödt)
    Klimawandel kaum mehr zu vermeiden
    Lotze-Campen: Nein, so würde ich das nicht sehen. Das sind eigentlich zwei Aspekte, die früher lange Zeit getrennt voneinander diskutiert wurden. Es gab eine ganze Reihe von Forschern, die gesagt haben, wir müssen auf jeden Fall uns auf die Anpassung konzentrieren, denn den Klimawandel zu vermeiden, wird schwierig werden, und dann gab es viele andere, die gesagt haben, nein, wir müssen unbedingt den Fokus auf der Vorsorge, auf der Vermeidung setzen.
    Inzwischen sind wir so weit, dass wir sagen, wir brauchen eigentlich beides, denn ein gewisses Mindestmaß an Klimaveränderung ist sowieso nicht mehr zu vermeiden. Es werden sowieso mindestens anderthalb bis zwei Grad globaler Erwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitraum sein. An diesen Klimawandel, den wir kaum noch vermeiden können, müssen wir uns eh anpassen.
    Deutschland hat besondere Vorreiterrolle
    Barenberg: Ein Wort vielleicht noch zur Bundesregierung. Die hat heute bekannt gegeben, dass sie das Sofortprogramm, das sie plant, jetzt in allernächster Zeit auf den Weg bringen will – ein Sofortprogramm, um die selbst gesteckten Ziele der Bundesregierung überhaupt noch zu erreichen. Welche Note bekommt die Bundesregierung von Ihnen für ihre Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel?
    Lotze-Campen: Das steht mir nicht zu, hier die Bundesregierung zu benoten. Was interessant ist an den Maßnahmen zur Emissionsvermeidung, die in Deutschland getätigt werden, ist, inwieweit Deutschland hier eine gewisse Vorbildfunktion haben kann, denn man kann schon sagen, wenn es einem hoch industrialisierten Land wie Deutschland gelingen würde, die Emissionen substanziell einzudämmen, ohne jetzt die Wirtschaftsleistung und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu gefährden, dann hätte das natürlich eine große Signalwirkung für andere Länder, gerade für die aufstrebenden Schwellenländer, die natürlich im Prinzip einen ähnlichen Pfad des Energieverbrauchs einschlagen könnten wie die Industrieländer, und das würde natürlich dann sehr stark zur globalen Erwärmung durch die Emissionen beitragen.
    Wenn Deutschland hier zeigen kann, dass das zu vertretbaren Kosten gelingen kann, dann wären die entsprechenden Entscheidungen in vielen anderen Ländern möglicherweise einfacher durchzusetzen, wenn man hier ein konkretes Beispiel vor Augen hätte.
    Barenberg: Hermann Lotze-Campen leitet am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung den Forschungsbereich „Klimawirkung und Vulnerabilität". Vielen Dank für das Gespräch!
    Lotze-Campen: Ja, gerne! Danke schön.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.