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Weltkulturerbe
Dschidda - Saudi-Arabiens Tor zur Welt

Dschidda in Saudi-Arabien ist von jeher eine weltoffene Handelsstadt. Arabisch geprägt, aber mit vielfältigen Kontakten zur Fremde. Nun ist die Stadt zum Weltkulturerbe ernannt wurden - als dritte Stätte des muslimischen Landes.

Von Kersten Knipp | 09.07.2014
    Dschidda, Saudi-Arabiens Tor zur Welt. Zur maritimen Welt der Seeleute, Händler, Reisenden, die die Stadt am Roten Meer seit Jahrhunderten ansteuern, sie und das Hinterland mit neuen Waren und Ideen versorgen. Seti jeher ist Dschidda ein Ort des Austauschs und des Handels. Darum, so die Islamwissenschaftlerin Ulrike Freitag vom Berliner Zentrum Moderner Orient, ist es nur konsequent, "dass durch die Pilgerfahrt und durch den Handel Dschidda eine besonders multikulturelle Stadt auch historisch immer gewesen ist - immer muslimisch geprägt, es gab keine nennenswerten christlichen Ansiedlungen. Aber eben muslimisch sehr unterschiedliche Nationen. Also von Marokko über Zentralasien, Südasien, Südostasien bis hin nach Schwarzafrika. Und in Dschidda war auch die Heirat zwischen diesen verschiedenen Gruppen mit einheimischen Arabern kein größeres Problem. Das heißt, die Stadt ist in der Tat ethnisch sehr anders geprägt gewesen, wenn auch immer arabisch natürlich, das hatte einen sehr stark assimilierenden Charakter."
    Dschidda bilde das Gegenstück zur Wüste, sagt die Künstlerin Reem al-Faisal über ihre Heimatstadt. Doch beide, Wüste und Meer, hätten die Menschen geprägt. Was in diesem Fall heißt: Sie haben sie in Bewegung gehalten. Al-Faisal: "Die Menschen Saudi Arabiens sind Reisende. Sie sind im tiefsten Inneren Beduinen geblieben. Darum kennen wir auch seit langer Zeit eine metropolitane, offene Lebensweise. Wir sind das Resultat ganz verschiedener Kulturen. Aufbruch und Kontakt zur Fremde sind Teil unserer Kultur.
    Zeitreise in die Vergangenheit
    In ihren Fotoarbeiten ist Reem al Faisal den Spuren des alten Dschidda nachgegangen. Ihre Schwarz-Weiß-Aufnahmen wirken zeitlos, ganz so, als hätte die Autorin eine Zeitreise in die Vergangenheit gemacht: "In meiner Arbeit interessiere ich mich für Dschidda als Drehscheibe des Handels - für die Kaufleute aus dem Jemen, dem Sudan, aus Ägypten und vielen anderen Orten, die irgendwann hierher kamen und seitdem hier leben. Ihr Erscheinungsbild ist typisch für Dschiddas Markt und Altstadt. Es ging mir darum, dieses alte Dschidda einzufangen."
    Wohnhäuser, Stadtvillen und Paläste, dazu Höfe und Marktplätze: Das alte Dschidda gibt Einblick in die Lebensweise einer in Teilen bereits vergangenen Epoche. Hart grenzt sich die Altstadt vom modernen Dschidda ab, das mit Superlativen der Neuzeit, etwa dem höchsten Springbrunnen, der größten Dachkonstruktion und bald wohl auch dem höchsten Turm der Welt auf sich aufmerksam macht. Und so zeigt gerade die Altstadt von Dschidda, in welch unterschiedlichen Zeitbezügen die Saudis leben. Dschiddas Altstadt, so Ulrike Freitag, ist Zeugnis einer architektonisch untergegangenen Epoche: "Die Stadt ist aus Korallensteinen mit Holz verstärkt gebaut worden, und diese Art von Architektur, die im Bereich des Roten Meeres durchaus typisch war - wenn auch mit regionalen Variationen sowohl auf der Ost- wie auch der Westseite des Roten Meeres -, diese Art der Architektur ist in den anderen Städten inzwischen weitestgehend verschwunden. Dschidda ist der letzte Überrest dieser Architektur, die sowohl indische wie auch ägyptische Elemente miteinander verbindet."
    Handelsstadt wird Weltkulturerbe
    Saudi Arabien hat bereits zwei Weltkulturerbe-Stätten. Der erste, die Grabstätte Mada´in Salih im Nordwesten des Landes verweist auf die vorislamische Zeit. Der zweite, die Siedlung Diriyya nahe der Hauptstadt Riad, gilt als Zentrum des Wahhabismus, der in Saudi Arabien zur Staatsdoktrin erhobenen Auslegung des Islam. Mit Dschidda wird nun eine Handelsstadt zum Weltkulturerbe erhoben. Für die Saudis ein Anlass zur Freude, aber auch ein wenige Sorge. Ulrike Freitag: "Vor Ort besteht einerseits die Hoffnung, dass auf diese Weise die Altstadt nun tatsächlich renoviert wird und nicht doch noch verfällt, wie es in den vergangenen Jahrzehnten zunehmende der Fall war. Andererseits wird natürlich auch mit einem gewissen Misstrauen betrachtet, dass nun der Staat sehr viel stärker als bislang schon die Entwicklung in dieser Altstadt beeinflusst und möglicherweise auf diese Weise die Rechte der Privateigentümer dieser Häuser beeinträchtigen könnte."
    Für die Welt, insbesondere für die westliche Welt, ist Dschiddas Ernennung zum Weltkulturerbe Anlass, sich ein bisschen mehr mit dem vergleichsweise unbekannten arabischen Land zu befassen. Denn anders als die beiden den Muslimen heiligen Städte Mekka und Medina steht Dschidda auch Nicht-Muslimen offen.