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Weltmeere
Der Vielfalt des Planktons auf der Spur

Die winzigen Vertreter des Planktons stehen am Anfang der Nahrungskette in den Ozeanen. Sie sind zahlenmäßig den großen Arten wie den Walen und den Fischen überlegen, doch ist recht wenig über die winzigen Meeresbewohner bekannt. Mit dem Projekt Tara Oceans fahren Wissenschaftler die Weltmeere ab und untersuchen das Leben des Planktons.

Von Jochen Steiner | 22.05.2015
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    Die Organismen des Planktons sind die Basis der Nahrungskette im Ozean. (picture alliance / dpa / Foto: Hinrich Bäsemann)
    "Darwin ging mit 22 Jahren auf Weltreise. Ich habe sein Buch darüber gelesen, 'Die Fahrt der Beagle', und ich finde es toll, weil es eine Mischung aus Abenteuer und Wissenschaft ist. Und irgendwann habe ich gedacht, man müsste so eine Expedition wiederholen. Ich habe dann mit vielen Meeresbiologen und Genetikern gesprochen, und so sind wir gemeinsam auf das Thema Plankton gekommen."
    Denn über diese winzigen Meeresbewohner, zu denen unter anderem Bakterien, Viren, Algen, Fischlarven und Krill zählen und deren Schwimmrichtung von den Meeresströmungen vorgegeben wird, sei noch recht wenig bekannt, erklärt Eric Karsenti. Der Zellbiologe ist eigentlich schon im Ruhestand, er arbeitet aber trotzdem noch für das Centre national de la recherche scientifique in Paris und für das European Molecular Biology Laboratory in Heidelberg, um mehr über das Plankton zu erfahren, das eine wichtige Rolle für das Leben auf der Erde spielt. Nicht nur, weil es die Basis der Nahrungskette im Ozean ist.
    "Unter diesen Organismen sind viele, die Fotosynthese betreiben. Sie produzieren die Hälfte des Sauerstoffs, den wir einatmen und binden die Hälfte des weltweiten Kohlendioxids."
    2009 stachen Karsenti und seine Kollegen tatsächlich für eine Expedition in See. Das Forschungsschiff Tara machte an der Westküste Frankreichs die Leinen los, ein 36 Meter langer Schoner mit Motorunterstützung. Fast drei Jahre lang schipperte die Mannschaft über die Weltmeere. Alle paar Tage legten sie einen Stopp ein, um Wasserproben zu nehmen, aber auch um Umweltdaten wie Wassertemperatur, Salz- und Sauerstoffgehalt, sowie Nährstoffkonzentrationen zu sammeln. An mehreren hundert Orten lief stets das gleiche Protokoll der Probenentnahme ab.
    "Wir stoppten normalerweise am Abend. Mit feinmaschigen Netzen holten wir Plankton aus dem Wasser, aber auch, indem wir Wasser ins Boot pumpten und durch Filter laufen ließen. Das Erbgut der darin befindlichen Organismen sequenzierten wir später an Land."
    Artenreichtum des Planktons
    Die Wissenschaftler konnten auf diese Weise 40 Millionen Gene von Plankton-Arten beschreiben, etwa die Hälfte davon war bislang unbekannt, gehören also zu neuen Arten. Bei den Viren zum Beispiel tauchten 90 Prozent der gefundenen Gene bis dato in keiner Datenbank auf. Das Fazit der Wissenschaftler: Der Artenreichtum des Planktons in den Weltmeeren scheint viel größer zu sein, als bislang angenommen.
    Dabei spielt nach Ansicht der Forscher für das Vorkommen etwa der Bakterien die Wassertemperatur die entscheidende Rolle. Bei den Viren scheint es stärker von den Meeresströmungen abzuhängen, wo sie vermehrt auftreten und wo nicht. Und noch etwas konnte das internationale Forscherteam um Eric Karsenti herausfinden:
    "Es gibt nur wenige Plankton-Arten, die sich gegenseitig verdrängen, bei 20 Prozent der von uns untersuchten Organismen kommt das vor. 80 Prozent aber leben in Gemeinschaften zusammen. Es sieht so aus, als ob die Symbiose für die meisten Arten eine sehr wichtige Rolle für ihr Überleben spielt."
    Gewaltige Wasserwirbel und Plankton
    Das Forschungsschiff Tara fuhr auf seiner Reise auch durch die Agulhasringe. Diese gewaltigen Wasserwirbel transportieren Wasser aus dem Indischen Ozean nach Norden. Die Wissenschaftler stellten fest, dass die Plankton-Gemeinschaften in den Ringen anders sind, als außerhalb. In den Agulhasringen ist die Nährstoffkonzentration höher, die Temperatur etwas niedriger als im umliegenden Ozean. So könne in den Ringen ein völlig anderes Ökosystem entstehen, erläutert Karsenti. Erst zehn Prozent der Proben sind ausgewertet, doch der Zellbiologe ist bereits jetzt mit dem Ergebnis sehr zufrieden.
    "Was wir mit Tara Oceans erreicht haben, ist eine Beschreibung der Plankton-Ökosysteme weltweit. Jetzt können wir zum Beispiel Modelle entwickeln, wie sich diese Organismen aufgrund des Klimawandels verändern und anpassen."
    Eric Karsenti selbst war insgesamt fünf Monate an Bord der Tara dabei. Er habe viele Menschen kennengelernt, die er ohne diese Expedition wohl nie getroffen hätte.
    "Ich mochte besonders den menschlichen Aspekt des Projekts. Und auf dem Boot war es natürlich aufregend: Schlechtes Wetter, das ist ein Abenteuer."