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Weltordnung im Wandel

Speyer hat für 2011 das Salier-Jahr ausgerufen, in dem gleich drei Jubiläen gefeiert werden. Eine kulturhistorischen Ausstellung über das Herrschergeschlecht zeigt jetzt hochkarätige Originale und gibt Einblicke in das Leben der Kaiser.

Sabine Kaufmann im Gespräch mit Karin Fischer | 07.04.2011
    Karin Fischer: Der Dom zu Speyer ist die größte noch erhaltene romanische Kirche und der größte Kirchenbau nördlich der Alpen überhaupt. Er steht im Zentrum des Salier-Jahres 2011, das Speyer aus Anlass gleich dreier Jubiläen ausgerufen hat. Zu feiern sind: die Weihe des Doms vor 950 Jahren, die Krönung des letzten salischen Kaisers Heinrich V. im Jahr 1111 in Rom und die Verleihung von Privilegien, die dann aus Speyer die freie Reichsstadt gemacht haben. Das Salier-Jahr wird eröffnet jetzt am Wochenende mit einer kulturhistorischen Ausstellung über das Herrschergeschlecht im Historischen Museum der Pfalz in Speyer, und man verspricht nicht weniger als eine Jahrhundertschau, hochkarätige Originale von Weltrang und sensationelle Einblicke in das Leben der Kaiser. - Sabine Kaufmann, die Kuratorin der Schau, habe ich vor der Sendung gefragt, wo der Schwerpunkt liegt, auf neuen Erkenntnissen, oder auf den Preziosen.

    Sabine Kaufmann: Sowohl als auch. Es ist ja so, dass der äußere Anlass für diese Ausstellung die drei genannten Jubiläen sind, die Sie vorgestellt haben, und wenn man sich mit diesen genannten Ereignissen mal dann näher beschäftigt, dann stellt man sehr schnell fest, und auch mit der Person Heinrichs V. und vor allen Dingen der Zeit zwischen 1050 und 1125, also der späten Salier-Zeit beschäftigt, dann stellt man sehr schnell fest, dass es sich um eine sehr, sehr spannende Epoche handelt, eine Epoche des Umbruchs, eine Epoche, vielleicht auch eine Zeit, die eine Art Gelenkfunktion inne hatte.

    Fischer: Inwiefern?

    Kaufmann: Es gibt sehr viele neue Bewegungen, wenn ich es so sagen möchte, die dort ihren Ausgangspunkt nehmen. Eine zentrale Frage, die natürlich diese zweite Hälfte der Salier-Zeit prägt, ist zunächst einmal der sogenannte Investiturstreit. Das ist ja eine Auseinandersetzung von wirklich epochaler Größe.

    Fischer: Man meint damit das Konkurrenzverhältnis zwischen den weltlichen Herrschern und dem Papst?

    Kaufmann: Ganz genau! - Ganz genau. - Er heißt ja der sogenannte Investiturstreit, weil es eben nur vordergründig um das Recht ging, Bischöfe in ihr Amt einzusetzen. Letzten Endes ging es natürlich um den Vorrang. Es ging um die Frage, welche Macht, Kaiser oder Papst, auf der Welt, wem der Vorrang gebührt. Und diese Auseinandersetzung war ja unter Heinrich IV. bereits eskaliert. Jeder kennt den Gang nach Canossa. Und Heinrich V., der letzte salische Kaiser, den wir ins Zentrum der Ausstellung stellen, er erbt ja gewissermaßen diesen Streit von seinem Vater.

    Fischer: Letztendlich ging der Streit dann aus für den Papst. Aber wenn man die Sache jetzt mal soziologisch betrachtet, kann man sagen, dass die Salier auch den Grundstock gelegt haben zu einem Gesellschaftsgefüge, dessen Regeln bis heute noch nachwirken?

    Kaufmann: Im Grunde ja, denn es geht um das richtige Verhältnis zwischen Papst und Kaiser. Das sind ja Dinge, die auch viele Jahrhunderte später immer noch wichtig gewesen sind. Und diese grundsätzliche Auseinandersetzung und auch die Frage nach einem richtigen und sinnvollen Verhältnis dazu, das ist in der salischen Zeit zum ersten Mal so richtig diskutiert und auf den Prüfstand gesetzt worden.

    Fischer: Lassen Sie uns über die Schätze reden, die Sie präsentieren, und was man an denen im weitesten Sinne über diesen Wandel ablesen kann.

    Kaufmann: Es ist ja immer nicht so ganz einfach, Dinge aus der historischen Forschung dann auch in Exponaten umzusetzen. Wir haben versucht, zum einen wichtige Handschriften und Urkunden, die zentral das Problem ansprechen, zusammenzustellen. Da ist zum Beispiel die Chronik des Ekkehard von Aura, der ein Parteigänger Heinrichs V. war, zu nennen mit einer ganz berühmten Darstellung der Insignienübergabe zwischen den beiden Kaisern. Daneben haben wir gestellt die Briefe Heinrichs IV., der sich bitter über seinen Sohn beschwert, der ihn ja entmachtet hat, um selber an die Macht zu kommen. Die haben wir daneben gestellt, um auch zu zeigen, dass also auch schon im Mittelalter natürlich es immer zwei Seiten gab und man die Dinge von zwei Seiten betrachten konnte. - Wir haben andere Dinge wie beispielsweise die Thronlehnen Heinrichs IV. als eindrückliches Symbol der Macht, sie stammen aus Goslar, wunderschöne bronzene Thronlehnen, die für den kaiserlichen Anspruch stehen. Auf der anderen Seite spielen natürlich dann Gegenstände aus dem liturgischen und dem sakralen Bereich, wie jetzt ein Bischofsstab, Reliquienkreuze und andere Dinge mehr, eine ebenfalls sehr große Rolle.

    Fischer: Frau Kaufmann, warum steht ausgerechnet das Tausend Jahre alte steinerne Zeugnis, nämlich der Dom zu Speyer, im Mittelpunkt dieser Ausstellung und inwiefern?

    Kaufmann: Auch hier feiern wir ein wichtiges Jubiläum, nämlich 950 Jahre Weihe des Speyerer Doms. Von daher hat sich das auf jeden Fall angeboten. Darüber hinaus ist ja der Speyerer Dom auch wie eine Art Spiegel des salischen Kaisertums, alle salischen Kaiser sind hier beigesetzt und auch die Baugeschichte spiegelt die Geschichte der salischen Dynastie wieder.

    Fischer: Die Kuratorin Sabine Kaufmann über die große Salier-Schau "Macht im Wandel" in Speyer, die am Samstag nach einem Festakt im Dom eröffnet wird.