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Weltraumnation Luxemburg
Etienne Schneider, der Wegbereiter

Luxemburgs Aufbruch ins All hat vor allem Dingen mit einem Mann zu tun: dem früheren sozialistischen Wirtschaftsminister Etienne Schneider. Mit viel Geld und Expertenwissen lässt "Major Tom" die Weltraumfiktion im kleinen EU-Staat zur Realität werden.

Von Tonia Koch | 17.02.2020
Etienne Schneider, früherer Wirtschaftsminister von Luxemburg
Etienne Schneider wird auch "Major Tom" genannt. Der frühere Wirtschaftsminister von Luxemburg gilt als Vorreiter des Weltraumprogramms. (imago / Eibner Europa)
"Ja, ja, ja es gibt schon einige, die mich Major Tom nennen. Am Anfang haben alle gelacht, als ich mit dieser Initiative kam, haben es nicht sehr ernst genommen und haben mich dann Major Tom getauft. Aber heute lacht niemand mehr."
Mit seiner Weltraumstrategie habe Luxemburg international auf sich aufmerksam gemacht, bei der ESA, der NASA oder den Chinesen, alle wollten sie mitwirken. Er sei deshalb alles andere als ein Phantast.
"Ich bin kompletter Realist. Ich würde eher sagen, ich bin Vordenker, in dem Sinne, dass ich versuche, Vision zu entwickeln, auch wenn sie am Anfang ein bisschen verrückt klingen. Weil ich die Rolle des Politikers darin sehe, die Zukunft langfristig zu planen und nicht nur zu schauen, wie komme ich von einer Wahl zur anderen, was muss ich machen, um bei der nächsten Wahl wiedergewählt zu werden. Das hier war sicherlich kein Projekt, das mir Stimmen eingebracht hat. Im Gegenteil."
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reihe "Der Traum vom All – Luxemburg will den Weltraum erobern".
Vorwurf der Geldverschwendung
In der Tat wehte Schneider am Anfang der Wind ins Gesicht. Die Kommentarspalten der Zeitungen im Großherzogtum waren voll von Vorwürfen, mit der Weltraumtaktik werde nur Geld verschwendet. Aber Etienne Schneider ließ sich nicht beirren. Überzeugt davon, dass das kleine Land nach Stahl, Finanzplatz und Satellitentechnik ein weiteres Alleinstellungsmerkmal braucht, um sich im Konzert der Großen Länder zu beweisen.
"Ich habe relativ schnell festgestellt im Gespräch mit anderen EU-Ministerkollegen, dass eigentlich jeder das Gleiche macht." Alle Länder – resümiert er - suchten ihr Heil in der Informationstechnologie, der Biotechnologie, der Logistik. "Und ich habe mir gesagt, wenn wir wirklich wieder einen Coup landen wollen, dann müssen wir was machen, was andere noch nicht tun. Und da kam mir die Idee mit dem Space und es sieht so aus, als würde das auch klappen."
Erfolgsgeschichte Société Européene des Satellites
Es ist schon einmal gut gegangen für die Luxemburger. Heute hören über 300 Millionen Haushalte in aller Welt Radio oder schauen Fernsehen mit Technik aus Luxemburg. 70 Satelliten hat SES, die Société Européene des Satellites seit Ende der 1980er-Jahre ins All geschossen. Auch damals ein riskantes Unterfangen, das Unsummen an Geld verschlag und von dem zu Beginn niemand wusste, ob es tatsächlich den gewünschten Erfolg bringen würde. Dieses erste Weltraumabenteuer hatte viele Gegner, erinnert sich Etienne Schneider.
"Im Parlament waren die Diskussionen, dass man gesagt hat, wieso brauchen wir Satelliten TV. Wir haben doch unsere 5 oder 6 Sender, wir haben sonntags "Hei Elei Kuck Elei". Das Publikum sei zufrieden gewesen mit Unterhaltungssendungen wie "Hei Elei Kuck Elei ", einer wöchentlich ausgestrahlten Magazinsendung. "Mehr braucht man nicht, wir haben Antennen auf unseren Dächern wieso sollte jemand das kaufen. Die Regierung hat die Entscheidung trotzdem getroffen und das hat dazu geführt, dass SES inzwischen zu den größten der Welt zählt."
200 Millionen für Luxemburgs Weltraum-Ambitionen
Gemessen daran, was Luxemburg seinerzeit für die Satelliten von SES aufbringen musste, nehmen sich die geplanten 200 Millionen Euro für die neuen Weltraum-Ambitionen geradezu bescheiden aus. Aber es sei genug, um Firmen nach Luxemburg zu locken. 50 seien schon da, sagt der ehemalige Wirtschaftsminister. Sie kümmern sich um den Bau und den Start von Satelliten, stellen Solarzellen her, sammeln Weltraumschrott ein oder bauen Teile für Roboter oder gleich ganze Raumfahrzeuge wie Ispace. Dort beim europäischen Ableger des japanischen Unternehmens ist Etienne Schneider auf Stippvisite.
"Mission start!" - bereits im kommenden Jahr soll der Rover auf dem Mond landen. Ob er mal steuern möchte, fragt Maia Haas. Sie reicht Schneider ein iPad. Aber der weicht zurück. "Nein, lieber nicht, seit acht Jahren bin ich mit Fahrer unterwegs, ich würde ihn ruinieren", scherzt Schneider.
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Das Geschäft mit dem Bergbau im All
Das Großherzogtum Luxemburg ist Mitglied der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Darüber hinaus setzt das Land traditionell auf das Geschäft mit dem All.


Luxemburgs Regierung steht hinter dem Weltraum-Konzept
In lockerer Atmosphäre tauscht sich Etienne Schneider vor Ort aus. Er weiß, er braucht für seine Weltraumstrategie Leute, die sich für die Idee begeistern lassen. Dass Luxemburg ein kleines Land ist, sei dabei kein Hindernis, die Regierung stehe hinter dem Konzept und Schnelligkeit zähle.
"Diejenigen Länder, die jetzt schon voll auf diese Schiene setzten und die es fertig bringen, die Leute anzuziehen, das Know-how anzuziehen - das sind ja im Moment hauptsächlich Start-ups und die suchen ein Zuhause – also, diejenigen die es fertig bringen, diese Leute zusammen zu bringen und diese neue Kultur zu schaffen in diesem Land, die werden Erfolg haben."
Als erstes EU-Land Weltraumgesetz verabschiedet
Schnell ist das Land auch in anderer Hinsicht. Bereits Mitte 2017 hat das Parlament als erstes in Europa ein nationales Weltraumgesetz verabschiedet, damit die Unternehmen eine rechtliche Grundlage haben. Konkret müssen Firmen demnach Lizenzen beantragen, wenn sie im Weltall Bergbau betreiben wollen, um Metalle abzubauen. Neben Luxemburg haben nur noch die USA solche weitreichenden juristischen Regelungen. Alle anderen Staaten stützen sich nach wie vor auf internationale Vereinbarungen, die aus dem Jahr 1967 stammen, als an Bergbau im All allerdings noch niemand dachte. Dieses Vakuum würde Luxemburg mit seinem Alleingang ausnutzen, lautet die Kritik.
Der Weltraum gehöre allen Menschen, es ließen sich keine Eigentumsrechte begründen, deshalb dürften einzelne Staaten auch keine Abbaurechte an private Unternehmen vergeben. Etienne Schneider weist diese Kritik zurück.
"Wenn das so wäre, dann hätte irgendjemand geklagt dagegen oder die Vereinten Nationen hätten etwas unternommen gegen unser Gesetz, was aber nicht der Fall ist."
Das Großherzogtum tut eine Menge, dass private Wege ins All über Luxemburg führen und Etienne Schneider hat ein Netz gesponnen, das seine Stärken ausspielen soll, wenn aus Fiktion Realität wird. Ob es funktioniert, ist offen.