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Weltsozialforum in Kanada
Vom Nachdenken zum Handeln kommen

Das Weltsozialforum als Treffpunkt der Globalisierungskritiker findet in diesem Jahr erstmals auf der nördlichen Erdhalbkugel statt, in Montreal. Der Ort ist bewusst gewählt, denn Kanada hat schon vor über 30 Jahren den Multikulturalismus als Grundrecht in seine Verfassung aufgenommen. Über mögliche Veränderungen soll dieses Mal aber nicht nur debattiert werden.

Von Kai Clement | 09.08.2016
    Die Skyline von Montreal in Kanada bei Nacht.
    Skyline von Montreal im kanadischen Quebec (imago / All Canada Photos)
    Es wird gereimt und gesungen. All das "für eine bessere Welt" - so heißt es schon seit 2001 bei diesen Treffen der Globalisierungsgegner - angelegt auch als Einspruch zu Weltwirtschaftsforen und Treffen der großen Industrienationen. Jeder sei willkommen, sagt Mitorganisatorin Carminda Mac Lorin.
    Das Weltsozialforum: ein offener Raum. Das ist Stärke und Schwäche zugleich. Die Stärke - das ist seine Vielfalt, die Schwäche: Vielfalt ohne greifbare Ergebnisse. Diesmal solle das anders sein, verspricht Carminda Mac Lorin. "Zum Ende der Woche gibt es den Marktplatz der Initiativen. Dort können die Leute ihre Pläne vorstellen. Denn wir wollen bei diesem Forum vom Nachdenken zum Handeln kommen."
    Zum ersten Mal überhaupt findet das Weltsozialforum auf der nördlichen Erdhalbkugel statt. Entsprechend werden - so die Veranstalter - unter den mehr als 200 teilnehmenden Gruppen vor allem Kanadier zu erwarten sein. Flüchtlingsströme, Umweltschutz, soziale Ungleichheit - das sind einige der Themen. "Auch wird es auf jeden Fall um die Situation der kanadischen Ureinwohner gehen - ein Hauptthema." Da passt es gut, dass das Forum nahtlos an das First People’s Festival ebenfalls in Montreal anknüpft. Zugleich ist diese Stadt der Einwanderer und Kanada als das Land, das Multikulturalismus schon vor über 30 Jahren als Grundrecht in seine Verfassung aufgenommen hat, mehr als bloß schmückende Kulisse.
    Bis zu 80.000 Menschen erwartet
    Die Wahl der Stadt sei auch eine Art Anerkennung, sagt Carminda Mac Lorin. "2012 hatten wir große Demonstrationen der Studenten und der Einwohnerschaft insgesamt." Geschätzt 200.000 Menschen gingen damals im März auf die Straße, um gegen fast eine Verdopplung der Studiengebühren und für freie Ausbildung zu protestieren. Monate dauerte ihr Streik an.
    Genaue Teilnehmerzahlen könne sie für dieses Jahr vorerst nur schätzen, so Mitorganisatorin Carminda Mac Lorin, ausgehend von bisherigen Weltsozialforen rechne sie insgesamt mit 50.000 bis hin zu rund 80.000 Menschen. Zuletzt listete die Webseite der Veranstalter allerdings erst etwa 10.000 registrierte Teilnehmer. Als Partner führt dieselbe Seite auch die Stadt und den Bundesstaat Quebec auf - die Veranstaltung mehr Tourismuswerbung als Diskussion einer anderen Welt? "Der ganze große Teil unserer Finanzierung kommt von Teilnehmern und Gruppen - was wir von der Regierung bekommen ist dagegen wenig."
    Die Veranstalter blicken "mit Sorge" über die Grenze zu den USA, auf den aufgeheizten Wahlkampf und einen Kandidaten, der eine Mauer zu Mexiko bauen will. Stattdessen, sagt Mitorganisatorin Carminda Mac Lorin, setze man in Montréal auf echte Veränderung - dank einer neuen Solidarität zwischen dem Norden und dem Süden.