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Wenig Geld für harte Arbeit

Wirtschaften ohne Kapital, ohne Gewerbesteuer, ohne Buchhaltung. Was in Deutschland mehr oder weniger unvorstellbar ist, gehört in Südafrika zum Alltag. Im sogenannten "informellen Sektor" arbeiten dort unzählige Taxifahrer, Haushaltshilfen oder Straßenhändler als unregistrierte Kleinstunternehmen.

Von Nadine Lindner | 20.04.2012
    Werberufe liegen in der staubigen Luft, auf dem Markt von Marabastad, einem armen Stadtviertel am Rand der Innenstadt von Pretoria. Das Sortiment ist groß: frisches Hühnerfleisch, Obst, Gemüse, aber auch Schulhefte oder Modeschmuck. Hinzu kommt der süßliche Geruch von gekochten Maiskolben, die Leting Ngobene verkauft. Für fünfzig Cent pro Stück ein beliebter Snack. Ihr Verkaufsstand ist ein simpler Einkaufswagen. Doch eigentlich hat die junge Frau etwas ganz anderes gelernt:

    "Ich habe vor zwei Jahren mein Abitur gemacht. Danach kam ein Jahr College für die Ausbildung zur Krankenschwester. Das habe ich im letzten Herbst abgeschlossen. Aber sie hatten einen Einstellungsstopp. Ich hatte damit keine Chance auf eine Arbeit."

    Ihr Einkaufswagenshop ist nicht als Unternehmen beim Staat registriert, neue Ware kauft sie mit dem Bargeld, das sie tagsüber eingenommen hat. Gewerbesteuern bezahlt sie nicht, einzig die Mehrwertsteuer, die für ihre Einkäufe anfällt, entrichtet sie. Für die 20-jährige Leting Ngobene ist der Maiskolbenverkauf ein Auffangnetz.

    Kein Einzelfall, wie Nachi Majoe von Salga befindet, einer Organisation vergleichbar mit dem Deutschen Städtebund:

    "Südafrika hat eine hohe Arbeitslosenrate, von über 20 Prozent. Das trifft Leute ohne Ausbildung, aber auch solche mit Qualifikationen. Und um das Überleben zu sichern, gehen sie in den informellen Sektor. Es ist wie eine Lebensader für das Land."

    Diese unregistrierten Kleinstunternehmen machen sieben Prozent der Wirtschaftsleistung aus, wie Martin Breitenbach erklärt, Wirtschaftsprofessor an der Universität Pretoria. Die Tendenz seit Jahren: steigend.

    "Mittlerweile findet die Hälfte der Arbeitskräfte in Südafrika ihr Auskommen im informellen Sektor. Für Südafrika, aber auch für viele Entwicklungsländer ist dies der Hauptarbeitgeber."

    Doch diese Entwicklung hat auch deutliche Schattenseiten, wie Nachi Majoe vom südafrikanischen Städtebund erklärt:

    "Einer der Nachteile des informellen Sektors ist die Ausbeutung: Nicht nur die Löhne sind sehr niedrig, sondern auch die Arbeitsbedingungen sind schlecht. Viele arbeiten sehr lang und ohne Gesundheitsschutz."

    Wie Patricia Mathabate zum Beispiel. Die 28-jährige arbeitet als Köchin auf dem Markt von Marabastad – von morgens sieben bis abends sieben. Sechs Tage in der Woche.

    "Ich bin nicht lange in die Schule gegangen. Und als ich dort war, habe ich nichts gemacht, nichts gelernt. Jetzt kriege ich hier dreißig Euro in der Woche."

    Das macht 120 Euro im Monat. Für südafrikanische Verhältnisse ein Hungerlohn. Gerade Benzin und damit öffentliche Busse und Lebensmittel sind teuer. Das Wirtschaftswachstum ist mit rund drei Prozent, die für Südafrika im Jahr 2012 erwartet werden, zu klein, um für einen wirklichen Aufschwung am Arbeitsplatz zu sorgen. Viele Schul- oder Hochschulabgänger finden trotz Ausbildung keinen festen Job. Noch einmal Martin Breitenbach:

    "Die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes ist immer noch sehr schwach. Nur einer von vier Schulabgängern hat überhaupt Aussicht auf eine reguläre Beschäftigung."

    Der Arbeitsmarkt in Südafrika bleibt nach wie vor angespannt. Nach Angaben von Adcorp, einem der größten Personalvermittler, der auch regelmäßige Studien zum Arbeitsmarkt veröffentlicht, hat in den letzten fünf Jahren fast eine halbe Million Firmen ihre Geschäftstätigkeit aufgegeben. Viele der ehemaligen Geschäftsführer oder auch der Mitarbeiter suchen dann ihr Einkommen wie Leting Ngobene oder Patricia Mathabate im informellen Sektor.