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Weniger essen, länger leben
Kalorienzählen lohnt sich nicht

Einigen Studien zufolge kann eine Nahrungsreduktion das Leben verlängern - zumindest bei Mäusen und Würmern. Ernährungsmediziner raten vom strikten Kalorienzählen jedoch ab. Aus ihrer Sicht gibt es noch andere Wege, auf gesunde Weise zu altern. Rituale spielen dabei eine entscheidende Rolle.

Von Volker Mrasek | 25.06.2018
    Pappteller mit Currywurst mit Pommes Frites steht auf einem Tisch in Konnopke's Imbiss in Berlin. Angeblich wurde die Currywurst 1949 in Berlin erfunden.
    Pappteller mit Currywurst mit Pommes Frites (picture alliance / dpa / Federico Gambarini)
    "Der Mensch strebt anscheinend nach Langlebigkeit."
    Dorothee Volkert ist Professorin am Institut für Biomedizin des Alterns. Möchte auch sie die 90 oder 100 erreichen?
    "Mir kommt's gar nicht so sehr darauf an, wie alt ich werde, sondern die Lebensqualität ist für mich auch sehr wichtig, weniger die Lebensdauer."
    Gesundheitsspannen verlängern
    Einer der bekanntesten deutschen Ernährungsmediziner würde auch lieber urgesund bleiben als uralt werden wollen. Hans Konrad Biesalski leitete bis Kurzem das Institut für Biologische Chemie und Ernährungswissenschaft der Universität Hohenheim:
    "Das hängt ein bisschen davon ab: Wie gesund habe ich gelebt? Um meine Gesundheitsspanne - nicht nur die Lebensspanne, sondern die Gesundheitsspanne - möglichst lang zu machen."
    Doch welche Rezepte gibt es dafür? Eines, so Dorothee Volkert, ist angeblich die sogenannte kalorische Restriktion:
    "Eine Begrenzung der Nahrungsmenge, der Energieaufnahme - ja, also weniger essen."
    Widersprüchliche Ergebnisse in Tierversuchen
    Vor allem: Weniger Energie aufnehmen, als eigentlich erforderlich sein sollte, um den Bedarf des Körpers zu decken. In Versuchen mit Fruchtfliegen, Würmern und Mäusen verlängerte ein striktes Kalorien-Knausern das Leben der Tiere zum Teil drastisch. Zwei Langzeitstudien mit Affen in den USA lieferten dagegen keine klaren Ergebnisse:
    "In der einen Studie war ein klarer Überlebensvorteil, und in der anderen Studie ist es eben nicht bestätigt. Da, wo der Überlebensvorteil vorhanden war, war die Ernährung schlechter. Offenbar profitieren die mit der schlechteren Ernährungsqualität dann von einer Restriktion, wenn sie nicht so stark dieser schlechten Ernährungsqualität ausgesetzt sind."
    Kalorien sparen
    Ungeklärt ist zudem, inwieweit die Befunde auf den Menschen übertragbar sind. Dorothee Volkert ist da skeptisch:
    "Ob ein Normalgewichtiger im mittleren Lebensalter davon profitiert im Hinblick auf die Lebenserwartung, weniger zu essen, als sein Bedarf ist, ist für mich fraglich."
    Auch Hans Konrad Biesalski äußerte sich in Kassel kritisch zur kalorischen Restriktion. Sportlich eher nicht so aktiven Männern wird zum Beispiel empfohlen, täglich zwischen 2.100 und 2.400 Kilokalorien zu sich zu nehmen:
    "Wenn ich unter 1.700 Kilokalorien bin, ist die Mikronährstoffversorgung nicht mehr gesichert. Wenn ich Fett reduziere, fehlen mir teilweise fettlösliche Vitamine. Wenn ich Kohlenhydrate ganz runterfahre, dann kann mir Vitamin C fehlen, B-Vitamine fehlen und und und. Also, solche Experimente würde ich unterlassen.
    Wenn mir etwas fehlt in der Ernährung, ein, zwei Vitamine einfach unterversorgt sind, dann kann ich langfristig krank werden. Und das hat wieder Effekte auf meine Gesundheitsspanne. Denn Gesundheitsspanne heißt: möglichst spätes Auftreten von Krankheiten."
    Rituale wie das Zähneputzen
    Hans Konrad Biesalski empfiehlt lieber etwas anderes: Eine ausgewogene Mischkost, ein "halbwegs" normales Körpergewicht, wie er sagt - und viel Bewegung, am besten in Form von Ritualen, die man sich angewöhnen müsse:
    "So wie das Zähneputzen. Da steh' ich auch nicht vor dem Spiegel und frage mich: Soll ich oder soll ich nicht? Ich kann mir angewöhnen und halte es für eine ganz vernünftige Sache, dass ich einen Schrittzähler in der Tasche habe und bis zum Abend 10.000 Schritte gelaufen bin."
    Was trivial klingt, wirkt sich vermutlich auf genetischer Ebene aus. Das Erbgut in unseren Zellen verändert sich zwar nicht. Aus ein und denselben Genen entstehen immer wieder ein und dieselben Eiweiße. Doch es ist auch wichtig, wann welche Gene abgelesen werden:
    "Die sogenannte Epigenetik. Und die hat auch etwas mit dem Altwerden zu tun. Die Epigenetik kann dauerhaft oder vorübergehend Ablesevorgänge stoppen oder fördern, sodass wir uns also mit unserem genetischen Apparat an Umweltveränderungen anpassen können. Und der Prozess hängt ganz eng mit Mikronährstoffen zusammen."
    Eine vitaminreiche Ernährung, aber auch viel Bewegung - sie sorgen laut Hans Konrad Biesalski dafür, dass dieser genetische Ableseapparat bis ins hohe Alter funktionsfähig bleibt. Auch das sei wichtig, um Krankheiten vorzubeugen - und so die Lebens- und Gesundheitsspanne zu verlängern.