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Weniger Existenzgründer

775.000 Menschen haben sich voriges Jahr in Deutschland selbstständig gemacht. Das sind sieben Prozent weniger als im Vorjahr. Ein Grund dafür könnte der gestrichene Existenzgründerzuschuss sein.

Von Michael Braun | 21.05.2013
    Auch die Gründer werden weniger. 775.000 Menschen haben sich voriges Jahr in Deutschland selbstständig gemacht, sieben Prozent weniger als im Vorjahr. Seit dem Jahr 2000 sind nicht so wenige Existenzgründer gezählt worden. Ihre Zahl hat sich in den vergangenen zehn Jahren halbiert. Es gab anderswo Arbeit, Gründung war nicht notwendig. Das so Jörg Zeuner, der Chefvolkswirt der Kfw-Bankengruppe, sei einer der Gründe für die nachlassende Gründungstätigkeit gewesen:

    "An erster Stelle die positive Entwicklung des Arbeitsmarkts. Es fehlen auf de anderen Seite starke konjunkturelle Impulse, um hier die Chancengründer noch stärker zu motivieren, ihre eigenen Unternehmen zu gründen. Der dritte Grund ist die Änderung der Gründungszuschussförderung durch die Bundesagentur für Arbeit. Die ist insgesamt restriktiver gestaltet worden, sodass wir hier einen Rückgang der Gründung aus der Arbeitslosigkeit, einen deutlichen Rückgang, verzeichnen müssen."

    Seit November 2011 ist der Anspruch auf Gründungszuschüsse, etwa für 90 Tage das Arbeitslosengeld 1, gestrichen worden. Der Fallmanager entscheidet nun nach seinem Ermessen, ob der Zuschuss fließt. Das hat dazu geführt, dass die Zahl der Zuschussempfänger um 85 Prozent eingebrochen ist. Zugleich ist die Zahl der Arbeitsplätze, die Existenzgründer geschaffen haben, um 15 Prozent auf 171.000 gesunken.

    Potenzielle Gründer wissen wohl auch, dass danach viel Arbeit auf sie zukommt, in der Regel rund 50 Wochenstunden Arbeit. Nicht jeder will das, wenn es anderswo tarifvertraglich geregelte Arbeit gibt. Zu den weiteren Hemmnissen für Gründer KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner:

    "Bürokratische Hürden und Verzögerungen, Belastungen für die Familie, finanzielles Risiko, Finanzierungsschwierigkeiten und die Vorteile in abhängiger Beschäftigung. Sie merken bei dem ein oder anderen Aspekt schon, dass hier der Gedanke der Work-Live-Balance vielleicht stärker zum Tragen kommt, vor allen Dingen, weil die Chancen im Arbeitsmarkt für abhängige Beschäftigung kontinuierlich in den letzten Jahren gestiegen sind."

    Dabei lohnt sich die Mehrarbeit in der Regel. Selbständige, so hat die KfW-Studie ergeben, kämen zwar oft auf einen niedrigen Stundenlohn. Das Haushaltseinkommen der Gründer des Jahres 2012 ist häufiger in den oberen Regionen von netto 2.500 Euro und mehr im Monat anzutreffen:

    "Wenn Sie die Frage stellen: ‚Hat sich Ihr Einkommen nach der Gründung verbessert?’ geben bei weitem die meisten Gründer - also: 85 Prozent, wenn Sie alle zusammennehmen, an, dass ihre Einkommenssituation gegenüber der früheren Beschäftigung sich zumindest nicht verschlechtert hat. Fast die Hälfte gibt an, dass sie sich verbessert hat."

    Volkswirtschaftlich erfreulich im vorigen Jahr: Die "Chancengründer" - das sind die, die nicht aus Not, sondern wegen der Umsetzung einer Geschäftsidee die Selbständigkeit suchen - der Anteil dieser Chancengründer hat sich voriges Jahr deutlich von 35 auf 47 Prozent erhöht. Deutlich zugenommen hat der Anteil der freiberuflichen Berater, Dozenten, Erzieher und Tagesmütter. Ihr Anteil am Gründungsgeschehen hat sich seit 2005 von 15 auf 39 Prozent mehr als verdoppelt. Im Schnitt sind nach drei Jahren noch drei Viertel aller Gründer am Markt. Der Rest hat aufgegeben.