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Weniger Geld für die Serben im Kosovo

Im Februar 2008 erklärte die südserbische Provinz Kosovo ihre Unabhängigkeit. Doch die serbische Regierung akzeptiert den neuen Status nach wie vor nicht. Fast 500 Millionen Euro jährlich war Belgrad die Unterstützung der im Kosovo lebenden Serben wert. Doch kürzlich entschied das serbische Finanzministerium, den sogenannten Kosovo Aufschlag um 50 Prozent zu senken.

Von Dirk Auer | 02.02.2009
    Am frühen Vormittag im Krankenhaus von Gracanica. In den Gängen drängeln sich wartende Patienten, es riecht nach Reinigungsmitteln. Vuk Tesanovic ist gekommen, um sich seine Medikamente abzuholen.

    Serbe: " Ich bin ein Flüchtling. Ich hatte ein Haus bei Obilic, aber das wurde während des Krieges zerstört. Von der Kosovo-Regierung bekomme ich keine Unterstützung, nur von Serbien eine Art Sozialhilfe, das sind um die 200 Euro. Und mit diesem Geld versorge ich meine Familie. "

    Dusan Pesic, ein Rentner nickt. Hier bekomme jeder sein Geld aus Belgrad, sagt er: die Gehälter und die Sozialhilfe. Aber trotzdem, die Situation sei sehr schlecht, es herrsche eine große Unsicherheit, was die Zukunft bringt.

    Auch das Krankenhaus selbst hängt am Tropf von Belgrad. Und nicht nur das: Die Schulen in den mehrheitlich serbisch bewohnten Landkreisen, in denen nach serbischen Lehrplänen unterrichtet wird, sowie die Kommunalverwaltungen werden direkt aus dem serbischen Haushalt finanziert. Das gilt auch für das neue Postgebäude in Gracanica. Erst vor kurzem wurde es von dem für Kosovo zuständigen Minister Goran Bogdanovic eingeweiht. Die Regierung Kosovos wurde nicht informiert. Warum auch, fragte Bogdanovic gegenüber Journalisten: Kosovo sei schließlich Teil von Serbien. Am Ende des Flurs liegt das Büro von Rada Trajkovic. Sie ist die Leiterin des Krankenhauses, aber über Gracanica hinaus vor allem als Politikerin bekannt.

    Trajkovic: " Seit der Ankunft der internationalen Gemeinschaft vor neun Jahren wird die Multiethnizität des Kosovo vor allem durch Belgrad unterstützt. Nicht weil das bewusst so entschieden wurde – aber wenn es keine Unterstützung von der serbischen Regierung gäbe, wären die serbischen Dörfer im Kosovo schon längst verwaist. "

    Doch auch mit der finanziellen Unterstützung ist das Leben der Kosovo-Serben schon schwer genug. Es gibt keine Arbeit, die Jungen gehen spätestens zum Studium nach Serbien. Und die Übriggebliebenen leben von dem, was Verwandte schicken, beziehen Sozialhilfe und Renten aus Serbien – oder sie sind Angestellte des öffentlichen Dienstes: Lehrer, Krankenschwestern, Ärzte oder Mitarbeiter der Kommunalverwaltung. Den geplanten Kürzungen des sogenannten Kosovo-Aufschlags auf die Gehälter erteilt Rada Trajkovic eine klare Absage. Insgesamt 45.000 Angestellte, fast die Hälfte der noch im Kosovo lebenden Serben, wären davon betroffen.

    Trajkovic: " Vor allem die gut Ausgebildeten würden dann weggehen. Die Leute hier sind sehr arm, und sie können sich aufgrund der nach wie vor angespannten Sicherheitssituation für Serben nicht einfach irgendwo einen Job suchen. Sie sind vollständig auf das Geld angewiesen, das aus Belgrad kommt. "

    Trajkovic gilt als moderat, weil sie sich für eine Zusammenarbeit der Serben mit der neuen EU-Mission EULEX einsetzt. Doch die EU-Mitarbeiter und Diplomaten sehen das Engagement Belgrads mit wachsender Besorgnis. Befürchtet wird, dass sich die defacto Spaltung Kosovos weiter vertieft. Die Serben, so heißt es, sollten ihren Blick nicht immer nur Richtung Belgrad richten, sondern akzeptieren, dass auch sie Bürger Kosovos sind. Rada Trajkovic winkt ab:

    " Die Albaner haben sich in den vergangenen neun Jahren in einer Art und Weise verhalten, als ob die hier lebenden Serben überhaupt nicht existieren. Vertrauen kann nur durch konkrete Taten entstehen. "

    Doch auch auf Serbien können sich die Kosovo-Serben wohl nicht für alle Zeiten verlassen. Noch ist Belgrad die Unterstützung der serbischen Landkreise im Kosovo jährlich fast 500 Millionen Euro wert, eine schwere Bürde für das verarmte Balkanland. Doch die Stimmung könnte irgendwann kippen: Ende vergangenen Jahres häuften sich Berichte über Missbrauch und Korruption bei der Verwendung des Kosovofonds. Hohe Summen, so vermuteten Belgrader Medien, verschwinden tatsächlich in dunklen Kanälen, statt bei den wirklich Bedürftigen anzukommen.

    Trajkovic: " Aber es gibt natürlich Missbrauch. Zum Beispiel kann eine Institution für ein Projekt sowohl Gelder von der Kosovo-Regierung als auch von der serbischen Regierung beantragen. Und niemand bekommt etwas davon mit, weil die beiden Regierungen nicht miteinander kooperieren. Aber insgesamt sind Medienberichte dieser Art eine sehr schädliche Kampagne, weil nun alle Serben im Kosovo als Kriminelle erscheinen. "

    Draußen hat das Warten für Vuk Tesanovic ein Ende. Er hat seine Medikamente bekommen. Ja, doch, er sei zufrieden mit der medizinischen Versorgung hier in Gracanica.

    Serbe: " Aber es gibt keine Perspektive für die jungen Leute, zum Beispiel mein Sohn, ich kann ihn nicht nach Pristina schicken, damit er sich dort eine Arbeit sucht. Er fühlt sich dort nicht sicher, weil er kein Albanisch spricht. Also wenn jetzt auch noch die Gehälter gekürzt werden, bin ich der erste, der von hier weggeht. "