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Weniger Lebensmittelabfälle
Wie sich Großküchen umstellen

Lebensmittelabfälle sollen bis 2030 europaweit halbiert werden. Dabei kommt der Gastronomie eine entscheidende Rolle zu. Denn auch in Restaurants, Betriebskantinen oder an der Imbissbude landen Lebensmittel in der Tonne. Ein Verein hilft dabei, die Abfälle in Großküchen zu verringern.

Von Uschi Götz | 13.01.2020
Weggeschmissene Lebensmittel liegen in einer Mülltonne.
Auch in Restaurants und Hotels landen Lebensmittel im Müll - was sich vermeiden lässt (picture-alliance / dpa / Christiane Raatz)
Küchenmeister Michael Bormann zieht Bilanz nach einem ganz normalen Mittagessen: "Wir sind jetzt dabei, unsere Essensausgabe abzuräumen. Alles, was vom Gast war, müssen wir wegwerfen diese Sachen werden zusammengetragen, gemessen, wie viel wiegt das."
Durchschnittlich 600 Mittagsgäste aus dem Verwaltungsbereich eines Autobauers besuchen täglich das Betriebsrestaurants in einem Stuttgarter Industriegebiet.
"Jeder Gast isst anders: Der eine isst auf und holt sich noch etwas nach. Und der andere sagt: Das ist mir zu viel und lässt was liegen."
Bei Bedarf lieber nachkochen
Bereits bei der Essensausgabe lasse sich Abfall vermeiden. So werden die Gäste in diesem Betriebsrestaurant bedient, geschöpft wird dabei mit Portionskellen. Wer mehr als die normierte Portion möchte, bekommt natürlich einen Nachschlag. Um Überproduktion zu vermeiden, wird bei Bedarf nachgekocht. Desserts gibt es häufig in Gläsern, ist kein Ei enthalten, kann zum Beispiel der Vanillepudding auch am nächsten Tag noch einmal angeboten werden.
"Dieser Betrieb ist schon relativ niedrig eingestiegen. Insgesamt sind die Werte sehr gut. Und trotzdem konnte hier nochmal knapp 40 Prozent reduziert werden."
Torsten von Borstel, Geschäftsführer des Vereins "United Against Waste", ist bei der heutigen Abfallmessung dabei. Ziel des Vereins ist es, die Lebensmittelabfälle in Großküchen zu reduzieren:
"Wir haben momentan über 200 Abfallmessungen in unterschiedlichen Betrieben."
Das Betriebsrestaurant in Stuttgart gehört zur Catering-Sparte des Dienstleisters ISS. Das Unternehmen ist in 25 Ländern unterwegs, überall gehe man nun das Thema Lebensmittelverschwendung an, sagt ISS-Food Manager Philipp Weckert. In deutschen Betrieben werden schon länger Abfall gemessen:
"Aber, was immer ausblieb, war die Konsequenz, also die Maßnahmenfindung. Da haben wir verschiedene Tools im Einsatz und wir in Deutschland haben uns jetzt für das Mess-Tool von United Against Waste entschieden."
Dabei handelt sich um vier transparente Sammelboxen mit einem Volumen von je 15 Litern. Küchenchef Bormann steht in der Spülküche, auf dem Abräumband kommt das letzte Tablett herein:
"Jetzt nimmt der Mitarbeiter diesen Teller und lädt die Speisereste in die dafür vorgesehene Sammelbox mit der Aufschrift: "Tellerrücklauf".
Abfall-Analyse mit dem Küchenteam
Salat liegt noch auf dem Teller und eine Kartoffel. Alles wandert in die Sammelbox, wo vor allem auffällig viel Reis zu sehen ist. Im Kochbereich neben der Spülküche steht eine Box mit der Aufschrift "Produktion", darin werden Küchenabfälle gesammelt. Auch im Lager steht ein Gefäß - und eine vierte Box mit der Aufschrift "Überproduktion" steht in der Küche. Reste des Salatbüffets gehören zum Beispiel dazu sowie alles, was zu viel gekocht wurde und nicht mehr aufbewahrt werden kann. Der halb gefüllte Eimer mit der Aufschrift "Tellerrücklauf" kommt jetzt auf die Waage:
"Und erhalten wir heute: 9.599 Gramm. Diese notieren wir auf den Analysebogen."
Der Tellerrücklauf wird heute am Vollsten sein. In der Regel landen alle Abfälle einer Großküche in Mülltonnen, erklärt Torsten von Borstel vom Verein "United Against Waste". Schon allein der Einsatz der transparenten Boxen führe dazu, dass es weniger Müll gebe, sagt er. Außerdem sei jeden Tag erkennbar, in welchem Bereich Abfall, zu viel Abfall, produziert werde. Etwa drei Wochen wird in jeder Küche gewogen, danach erfolgt die gemeinsame Analyse mit dem Küchenteam:
"Und da die meisten Küchen fast vom Küchenprozess her gleich sind, können wir die Messmethode sowohl im Kindergarten, Schulverpflegung, Krankenhaus, Betriebsrestaurant bis hin zum Kreuzfahrtschiff durchführen."
Küchenchef Bormann sitzt mittlerweile vor seinem Computer im Betriebsleiterbüro und tippt die Tagesmesswerte ein. 420 Essen wurden heute ausgegeben:
"Wir haben im Lager kein Abfall gehabt, verschimmelte Sachen oder abgelaufene Mindesthaltbarkeit, also ist das Null."
Alle Werte sind nun eingegeben, auf Knopfdruck errechnet das Programm nun die Abfallgrammzahl pro Essen:
"Und da liegen wir gerade bei 26 Gramm."
Kleinere Tiefkühlpackungen könnten helfen
Ein sehr guter Wert. Manche Großküchen, vor allem in Krankenhäusern, kommen auf Tageswerte von bis zu 300 Gramm Abfall pro Mahlzeit. Küchenmeister Bohrmann will noch besser werden, zum Konzept gehören deshalb auch Analysen:
"Morgen werden wir nochmal schauen, woran es gelegen hat, dass zu viel Reis weggeben wurde."
Potential sieht er auch noch beim Bestellen: Statt zehn Kilo Tiefkühlpackungen wünscht sich Bohrmann fünf und zwei Kilo Portionen:
Wo noch Potential ist, steht auf einem Merkblatt, das bei Bohrmann auf dem Schreibtisch liegt. Bleibt etwa Gemüse beim Kochen übrig, lässt sich das noch für einen Soßenansatz am nächsten Tag verwenden. Oder Wurst kann kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums noch am Salatbuffet angeboten werden. 16 Punkte finden sich auf der Merkliste; bei der Vermeidung von Lebensmittelabfällen sei sein Küchenteam längst ehrgeizig und kreativ, betont der Küchenchef.