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Wenn das Scheitern chronisch wird

Der blutige Kampf um die Präsidentschaft in der Elfenbeinküste ist entschieden. Doch ähnliche Beispiele zeigen, dass ein Machtwechsel noch lange nicht das Ende des Blutvergießens bedeutet. Ein besonders tragisches Beispiel ist Somalia.

Von Bettina Rühl | 16.04.2011
    Im Stadtzentrum von Mogadischu fallen wieder einmal Schüsse. Omar Olad, der Leiter einer lokalen Hilfsorganisation, sitzt ganz in der Nähe des Gefechts im Innenhof eines Hotels. Trotz der nahen Kämpfe bleibt er gelassen. Er hat sich, wie alle hier, an den Krieg längst gewöhnt.

    "Das ist wie eine Gehirnwäsche. Die Zustände verändern dich. Zwanzig Jahre lang leben wir jetzt schon in diesem Chaos."

    1991 wurde der letzte Diktator Siad Barre gestürzt. Seitdem hat Somalia keine Regierung mehr, die das Staatsgebiet kontrolliert. Die international anerkannte Übergangsregierung beherrscht nur die Hälfte der Hauptstadt. Die andere Hälfte und die meisten Landesteile sind in der Hand radikaler Islamisten. Diese so genannten Al Shabaab haben Kontakte zum internationalen Terrornetzwerk El Kaida.

    "In diesem Land gilt das Gesetz des Dschungels. Jeder kann jederzeit erschossen werden, Plünderungen und Vergewaltigungen sind alltäglich geworden. Für uns gibt bis heute nicht den Funken einer Hoffnung."

    Somalia ist kollabiert. Der Sturz Siad Barres hinterließ ein Vakuum, das bis heute nicht gefüllt ist. Die Gesellschaft ist deshalb mit ihrem Hass und ihren Rachegelüsten allein.

    Außerdem ist die somalische Gesellschaft nach Clans strukturiert, historischen Großfamilien. In diesem System sind Rache und Vergeltung mehr als eine persönliche Angelegenheit, nämlich eine geradezu zwingende Aufgabe der Clans.

    Wenn die traditionelle Clan-Gesellschaft jedoch funktioniert, gehören zu diesem System auch Vergebung und Versöhnung. Doch in Somalia haben die Ältesten der Clans durch die Übermacht moderner Kriegsfürsten an Einfluss verloren. Vom alten Clan-System ist vor allem der Gedanke an Rache geblieben.

    Ein weiterer Faktor, der den Frieden in Somalia behindert: Die internationale Gemeinschaft hat viele Fehler gemacht. Augustine Mahiga ist der Sondergesandte des UNO-Generalsekretärs für Somalia.

    "Der erste Fehler der Vereinten Nationen war, dass sie einen Militäreinsatz in Somalia in den 90er-Jahren vorzeitig abgebrochen haben. Die UNO und die internationale Gemeinschaft haben Somalia buchstäblich aufgegeben. Kriegsfürsten und internationale Terroristen haben den Freiraum genutzt, der dadurch entstanden ist. Unter deren Einfluss ist das Land mehr und mehr zerfallen."

    Erst nach dem 11. September 2001 erinnerte sich der Westen an den Krieg im Osten Afrikas, der inzwischen auch die gesamte Region, Europa und die Vereinigten Staaten bedroht. Afrikanische und andere Staaten fordern deshalb von der UNO immer wieder ein militärisches Eingreifen.

    "Aber zentrale Mitglieder des Sicherheitsrates sind dagegen. Sie argumentieren: Ohne Frieden ist eine Friedensmission unmöglich."

    Anders ausgedrückt: Somalia ist den Vereinten Nationen für die eigenen Soldaten zu gefährlich. Deshalb erteilte sie der Afrikanischen Union das Mandat für einen militärischen Einsatz. Seit Anfang 2007 steht die so genannte AMISOM in Mogadischu. Doch die bisher 8.000 Mann sind dem Terror nicht gewachsen. Deshalb hat die UNO das Mandat Ende 2010 auf insgesamt 12.000 Soldaten erweitert.
    "Die Ausrüstung der Truppe ist völlig unbrauchbar für diesen städtischen Guerillakrieg gegen Mitglieder des internationalen Terrornetzwerkes. Und sie hat nicht einen einzigen Hubschrauber. Nicht einmal, um Verwundete ausfliegen zu können. Jede UNO-Friedenstruppe ist besser ausgerüstet, als die Truppen der Afrikanischen Union in Mogadischu - dabei sind die gezwungen, tatsächlich zu kämpfen."

    Ein halbherziges Engagement also das nicht ausreicht, um die tiefe Krise in Somalia zu lösen.