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Wenn Unternehmen Professoren stiften

Nur knapp zwei Prozent der Lehrstühle in Deutschland gehören zu den Stiftungsprofessuren. Aber der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft rechnet damit, dass zukünftig immer mehr Unternehmen Professuren stiften werden. Für die Firmen ist diese Investition alles andere als billig.

Von Johannes Schiller | 13.01.2011
    Stromerzeugung aus Sonne - das ist Thema der neuen Photovoltaik-Professur in Halle. Seit vergangenem Sommer entwickeln ein Hochschullehrer und vier Mitarbeiter neue Solar-Technologien. Das Geld dafür kommt aber nicht vom Staat wie sonst üblich, es kommt vom Solarkonzern Q.Cells. Das Unternehmen aus Bitterfeld-Wolfen trägt fast die kompletten Kosten des Lehrstuhls - zumindest für fünf Jahre. Deswegen heißt der offizielle Titel auch Q.Cells-Stiftungsprofessur für Photovoltaik. Aber ums Image gehe es dem Unternehmen nicht, sagt Peter Wawer, Leiter der Siliziumtechnologie.

    "Ich sag mal der positive Marketingeffekt ist ein positiver Effekt, den man gerne mitnimmt bei dem Thema. Aber das Zweitere ist viel entscheidender, dass wir in enger Absprache mit der Hochschule viel bedarfsgerechter ausbilden können oder, ich sag mal, von dem engem Austausch mit der Hochschule direkt profitieren."

    Schon jetzt haben die ersten Studenten mit ihren Masterarbeiten begonnen. Die Themen lieferte Q.Cells. Vorteil für das Unternehmen: Es kann die Mitarbeiter von Morgen schon heute kennenlernen. Das internationale Unternehmen gehört zur Weltspitze der Solar-Branche. In Bitterfeld-Wolfen sitzt die gesamte Abteilung Forschung und Entwicklung, die ständig neue Köpfe braucht. Besonders jetzt im Wirtschaftsboom, sagt Wawer.

    "Das Thema Innovation kommt ja im Unternehmen primär von den Mitarbeitern, die kreativ und innovativ unterwegs sind. Insofern gibt es da den unmittelbaren Zusammenhang zum Nachwuchs. Nur hoch qualifizierter Nachwuchs ist die Voraussetzung dafür, dass ich im harten internationalen Wettbewerb als Unternehmen mittel- und langfristig bestehen kann."

    Diese Wettbewerbsfähigkeit lässt sich Q.Cells einiges kosten. Zwar nennt das Unternehmen keine Zahlen. Wer die Gehälter des gestifteten Lehrstuhls addiert, landet aber schnell bei mehreren hunderttausend Euro. Trotzdem lohne sich der Aufwand, sagt Peter Wawer.

    "Die Problematik wird einfach zunehmen, dieses Thema, wie bekomme ich qualifizierte, motivierte Mitarbeiter wird immer schwieriger werden. Und ich würde sagen: Das Thema Nachwuchs hat noch mehr Bedeutung, als zu dem Zeitpunkt, da über die Einrichtung der Professur nachgedacht wurde, abzusehen war."

    Auch der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg bietet die Photovoltaik-Stiftungsprofessur viele Vorteile. Sie kann künftigen Studenten zum Beispiel eine klare Jobperspektive geben. Besonders Physik- oder Mathematik-Studenten wissen oft nicht, wie ihr späterer Arbeitsplatz aussehen könnte, sagt Dekan Wolf Widdra.

    "Da hilft es natürlich jungen Studenten zu sagen: Ja ich möchte letzlich die Welt verbessern, indem ich für regenerative Energien mich einsetze, indem ich mich mit meiner wissenschaftlichen Ausbildung im Bereich der Photovoltaik gesellschaftlich nützlich mache."

    Photovoltaik soll neuer Forschungs-Schwerpunkt in Halle werden. Der Lehrstuhl hilft dabei, das Profil der Hochschule langfristig zu schärfen. Dieser Umbau ist für die Uni viel wichtiger, als der Geldsegen für fünf Jahre. Q.Cells leiste finanzielle Starthilfe, sagt Widdra.

    "Uns war es wichtig, dass wir die Ausrichtung nicht wie ein Strohfeuer für fünf Jahre starten. Denn wenn man sich überlegt: Entwicklungen an Universitäten laufen auf längeren Zeitskalen."

    Die neue Professur in Halle verbindet Grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung. Die Wissenschaftler suchen also gezielt den Kontakt der Branche im nicht mal 30 Kilometer entfernten Solar-Valley bei Bitterfeld-Wolfen. Deswegen werde die Uni aber nicht zur verlängerten Werkbank der Industrie, betont Widdra.
    "Nein wir machen keine Auftragsforschung in diesem Sinne! Der Begriff der verlängerten Werkbank beschreibt etwas sehr negativ. Es geht hierum, dass man anwendungsnahe Forschung macht. Das ist auch gewollt in der Universität. Und jeder Forscher, der anwendungsnahe Forschung macht, der ermögliche natürlich, wie das Wort sagt, nah an der Anwendung sein. Er braucht den Anwender in der Industrie."

    Denn nur so arbeiteten die Forscher auch an den relevanten Fragestellungen. Kritiker halten die enge Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Stifter für problematisch. Sie warnen vor dem Einfluss der Wirtschaft auf die Wissenschaft. Doch diese Gefahr sieht Melanie Schneider vom "Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft" nicht.

    "Dies hat sich bei uns in der Studie eindeutig nicht erhärtet dieser Verdacht. Auch wenn es da vielleicht Einzelfälle geben mag, wo das der Fall ist. Aber man muss auch sehen, der Anteil der Stiftungsprofessuren ist mit zwei Prozent doch eher gering. Deswegen ist der Effekt der Einflussnahme nicht ganz so hoch anzusetzen."

    Laut der Studie des Verbandes aus dem Jahr 2009 gibt es in Deutschland 660 Stiftungsprofessuren. Mit steigender Tendenz.

    "Was die Zufriedenheit betrifft, sowohl auf Seiten der Förder als auch auf Seiten der Hochschulen haben wir festgestellt, dass es offenbar eine große Zufriedenheit mit diesem Förderinstrument gibt."

    Auch die Uni Halle und Q.Cells sind mit dem Start der Professur zufrieden. Wenn es weiter so läuft, dann könnte sich das Unternehmen nach eigenen Angaben vorstellen, auch eine weitere Professur in der Region zu stiften.