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Wer von Frieden spricht, landet auf einer Todesliste

Unbemerkt von der Weltöffentlichkeit wird Sri Lanka erneut vom Bürgerkrieg heimgesucht. Die Schlacht zwischen den tamilischen Rebellen und der Regierung wird auch in den Medien geführt. Journalisten, die abseits der Propaganda unabhängig berichten wollen, werden bedroht, entführt, ermordet. Der Journalist Bashana Abeywardene steht ganz oben auf der Todesliste eines Mordkommandos. Vor einem halben Jahr gelang im die Flucht nach Deutschland.

Von Lutz Bernhardt | 07.05.2007
    Mitten auf dem Land, irgendwo in Deutschland. Felder, einzelne Pappeln, ein Bauernhof mit einem Hühnerstall. Nach seiner ersten Nacht im sicheren Deutschland wurde Bashana Abeywardene von einem Hahn geweckt:

    "Als ich hierher kam, habe ich meinen Freunden und meiner Frau sofort das Allerwichtigste erzählt: Nämlich, um mich herum sehe ich überall Hühner! Ich habe das Gefühl, das ist wie zuhause. Ich lebe jetzt hier und wegen dieser Ländlichkeit hat dieser Ort etwas von meiner Heimat."

    Worte, die Mut machen sollten. Als der 34-Jährige im vergangenen November deutschen Boden betrat, lag eine Zeit der Angst hinter ihm. Anderthalb Monate lang konnte er nicht mehr nach Hause gehen, musste untertauchen, ständig den Ort wechseln. Seine Frau rechnete täglich mit einer Todesnachricht. Die Situation in Sri Lanka wurde immer gefährlicher:

    "Informell erhielt ich die Information, dass ich sofort das Land verlassen sollte, innerhalb einer Woche. Ein Freund von mir mit Beziehungen zur Regierung sagte, ich solle mindestens einen Monat weg bleiben. Spiel nicht mit dem Feuer, Du hast keine anderen Möglichkeiten. Wenn Du in Sri Lanka bleibst und schreibst, endest Du wie Sivaram und die anderen."

    Zu enden wie der tamilische Journalist Sivaram Dharmeratnam, das hätte bedeutet, als Leiche am Straßenrand gefunden zu werden. Oder bei der Arbeit erschossen zu werden, wie am 29. April dieses Jahres ein 25-jähriger Reporter der tamilischen Zeitung Uthayan. Das ist die Art, wie in Sri Lanka mit kritischen Journalisten umgegangen wird - egal ob Tamilen oder Singhalesen. Die Lage ist katastrophal, sagt Elke Schäfter von Reporter ohne Grenzen:

    "Sie müssen mit Mord rechnen. Sie werden bedroht, sie werden willkürlich verhaftet, ohne Anklageerhebung monatelang festgehalten. Sie werden eingeschüchtert, sie werden in der Haft oft gefoltert. Die Situation ist wirklich sehr, sehr schwer und die Journalisten sind sehr, sehr gefährdet dort."

    Der ethnische Konflikt zwischen Tamilen und Singhalesen hat im vergangenen Jahr 4000 Menschen das Leben gekostet. Als kritischer Journalist gilt, wer in seinen Kommentaren und in der Berichterstattung die Option für eine politische Lösung anmahnt. Wer von Frieden spricht, landet früher oder später auf einer Todesliste:

    "Wenn du diese Regierung mit Slogans über Demokratie, Menschenrechte oder Gleichheit konfrontierst, dann bist du in Gefahr. So einfach ist das."

    Unter Präsident Mahida Rajapaksa haben die Ultrarechten die rassistische Stimmung in der singhalesischen Gesellschaft nach 2005 wieder anheizen können. Sie wollen die Macht im Land behalten. Durch Meinungsmache haben sie es geschafft, dass Teile der singhalesischen Bevölkerung die kriegerische Lösung des Konfliktes befürworten, sagt Bashana. Und das, obwohl Sri Lanka bereits einen 20-jährigen Bürgerkrieg hinter sich hat, mit über 60.000 Toten:

    "Aber das ist der Effekt der staatlichen Propaganda: das rassistische Niveau wird immer höher. Sie füttern die elektronischen Medien und die Printmedien mit den gleichen Informationen. Dann erheben sie eine Umfrage und sehen wie gut es funktioniert."

    Es gibt zwar offiziell keine Pressezensur in Sri Lanka, aber alle Seiten üben Druck auf die Medien aus. Die Befreiungstiger genauso wie Polizei und Militär. In den tamilischen Gebieten zeichnen sich regierungstreue Paramilitärs durch besondere Brutalität aus. Die Mörder können unbehelligt agieren - so haben sie symbolhaft am ersten und zweiten Jahrestag von Sivarams Ermordung weitere Menschen getötet. Verbrechen an Journalisten werden nicht aufgeklärt. Aus Angst zensieren sie sich selbst:

    "Es herrscht inoffiziell natürlich eine Zensur. Du weißt, ja du riechst förmlich, was du schreiben darfst und was nicht. Man entwickelt ein Gefühl dafür und weiß Bescheid."
    Bashana Abeywardene schreibt seit 15 Jahren für unterschiedliche Zeitungen. Er ist einer der Mitbegründer der Hiru-Group. Hiru ist ein Zusammenschluss von Journalisten und Kulturschaffenden, die sich für eine Annäherung der ethnischen Gruppen einsetzen. Bashana kennt viele Journalisten in den umkämpften Gebieten persönlich. Deshalb kommt er auch an saubere Informationen über die Gräueltaten der Kriegsparteien - deshalb wurde er zu einer Bedrohung für die Regierung:

    "Wenn du ohne saubere Informationen arbeitest, können sie dir leicht Propaganda für die Tamilen vorwerfen. Aber wenn du exakte Zahlen und Statistiken bringst und Informationen aus erster Hand, dann bekommt die Regierung Angst. Weil sie wissen, dass diese Berichte von Singhalesen gelesen werden, die ein Gewissen haben, die noch selbständig denken können."

    Bashana hat sich in Sicherheit gebracht. Seinen Laptop hat er noch mitnehmen können, das Internet ist für ihn die wichtigste Verbindung zu seiner Heimat. In seinem Versteck litt er anfangs unter Depressionen. Er hatte zunächst das Gefühl, aufgegeben zu haben.

    "Innerhalb eines Monats habe ich wieder mit dem Schreiben begonnen. Meine Leser wussten gar nicht, dass ich außer Landes war. Ich konnte von hier aus genauso über die Situation schreiben wie in Sri Lanka. Und wenn du dann ein Feedback von den Lesern bekommst, fühlt sich das sehr gut an."