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Werbekampagnen für Weltverbesserer

Ideen für eine bessere Welt haben zwei Studentinnen des Kommunikationsdesigns aus Karlsruhe in ihrer Diplomarbeit gesammelt. Ihr Ziel: Für jeden der 40 Weltverbesserer eine neue Werbekampagne entwickeln. Themen waren dabei der Kampf gegen Schlankheitswahn oder Selbstmord, genauso wie der Umgang mit Terrorismus.

Von David Rother | 10.10.2006
    " Es war so dieser Gedanke: Diplom, letzte Chance, noch einmal was Experimentelles zu machen, man hat ja dann immer dieses drohende Szenario der Werbewelt vor sich. Dadurch, dass wir auch viel schon freiberuflich uns mit Kunden rum geschlagen haben und zum Teil auch in Agenturen mitgearbeitet haben, haben wir einfach gemerkt, wie oft Kompromisse gemacht werden und wie schnell das dann sinnlos wird, was man macht als Grafiker und es muss doch möglich sein, mit Kommunikationsdesign auch sinnvolle Sachen zu machen."

    Nelly Brunkow hat als Kommunikationsdesignerin jahrelang studiert, wie man es macht, dass Dinge gut wirken - und dass sie notfalls besser aussehen, als sie wirklich sind. Doch kann man auch erreichen, dass die Dinge besser werden? Nelly Brunkow und ihre Kommilitonin Evamaria Judkins haben es versucht: Zusammen machten sie sich an ihre Diplomarbeit - mit dem unbescheidenen Ziel, die Welt zu verbessern.

    "Es war schon auch eine Extrem-Erfahrung. Wir haben jetzt einfach acht Wochen lang wirklich gearbeitet von morgens bis abends und haben uns wirklich engagiert, würde ich sagen, einfach gegeben, was in unseren Kräften steht, damit das Projekt irgendwie gut wird."

    Über einhundert Menschen hatten sich mit ihren Ideen für eine bessere Welt bei den beiden Studentinnen beworben. Das Ziel der Abschlussarbeit: Für 40 ausgewählte Weltverbesserer jeden Tag eine Werbekampagne zu entwickeln. Für Nelly Brunkow und Evamaria Judkins hieß das: Alle 24 Stunden eine gute Idee für eine gute Sache.

    "Die Bandbreite reicht von Verbesserung von Rechtschreibfehlern, dass es zu viele Rechtschreibfehler gibt, oder wie man Leute, die Suizid begehen wollen, wie man die wieder auffängt, oder wir hatten einen Friedensforscher bei uns, der sich überlegt hat, wie kann man Frieden auf der Welt schaffen und der sich mit Terrorismus sehr auseinander gesetzt hat und aus dem Gespräch mit ihm haben wir dann sechs Tipps herausgezogen, wie man konkret, jeder einzelne Mensch, wie der mit Terrorismus umgehen kann."

    Morgens führten Nelly Brunkow und Evamaria Judkins zuerst ein Interview: Was will der Weltverbesserer? Und wie kann man sein Anliegen grafisch umsetzen? Was zum Beispiel können sie für die Mutter und ihre Tochter tun, die etwas gegen den Schlankheitswahn der Mädchen in der Schule unternehmen wollen. Nelly Brunkow schaut zufrieden auf ihren Entwurf.

    "Das ist die Barbie, in Originalgröße abfotografiert, dann mit viel Mühe durchgesägt, also quasi: Außen schlank und innen hohl, der Beweis!"

    Mit den frisch gedruckten Plakaten und Flyern können die Weltverbesserer jetzt für ihre Ideen werben. Zum Beispiel Matthias Böhringer: Er will, dass weniger in den Großdiscountern auf der grünen Wiese und mehr in kleinen Geschäften nebenan gekauft wird. Nelly Brunkow und Evamaria Judkins am Telefon nach, ob es gut läuft mit Matthias Böhringers kleiner Idee für eine bessere Welt. Nach 40 Tagen im Auftrag der guten Sache sind erst die beiden Studentinnen vor allem müde. Aber auch zufrieden.

    ""Ich glaube, dass wir die Welt nicht im Großen verbessert haben, aber im Kleinen, also einfach dadurch, dass wir bei manchem Menschen, da hatte ich so das Gefühl, die haben sich endlich mal verstanden gefühlt, und das allein hat schon die Welt verbessert, finde ich."

    "Das sind Menschen, die irgendwie so allein vor sich hin wurschteln und so versuchen, ihre Idee umzusetzen und da steht eben kein Mega-Konzern dahinter, die können nicht die Hochglanz-Broschüre drucken und die versuchen einfach mit ihren geringen eigenen Mitteln das so gut wie möglich zu machen und da haben wir - glaube ich - schon allen so gut es ging geholfen.""

    Evamaria Judkins und Nelly Brunkow wollen weitermachen: Unter dem Namen "Wir-AG" soll im Internet ein Netzwerk von Weltverbesserern entstehen. Denn die beiden Studentinnen konnten längst nicht allen guten Ideen helfen. Die Welt zu verbessern - so eine Aufgabe hört mit Abgabe der Diplomarbeit eben nicht auf.