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Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche
Paragraf 219a spaltet die Große Koalition

Paragraf 219a des Strafgesetzbuchs sorgt für Streit in der Großen Koaliton. Der umstrittene Paragraf verbietet Ärzten für den Abbruch der Schwangerschaft zu werben. SPD, Grüne, Linke und FDP wollen die Streichung des Paragrafen gegen Union und AfD durchsetzen.

Von Paul Vorreiter | 13.03.2018
    Frauen mit Plakat "wegmit219a" und zugeklebten Mund auf einer Kundgebung von verschiedenen Frauenorganisationen und Abgeordnete zur Gesetzesinitiative vom Deutschen Bundestag zur Streichung oder Änderung und gegen das Informationsverbot fÜr Schwangerschaftsabbruch unter dem Motto "Weg mit dem Paragraph 219a StGb" vor dem Reichstag in Berlin.
    Demonstration gegen den Paragrafen 219a (imago / Ipon)
    Einen Tag, nachdem der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD unterschrieben wurde, ist einer Bundestagsabgeordneten so gar nicht nach feiern zumute:
    "Ich glaube, dass der Koalitionsvertrag hier nicht eingehalten wird und deshalb ist der Beginn verhagelt."
    Sagte die CDU-Abgeordnete Sylvia Pantel dem Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio. Mit "hier" meint die Sprecherin des konservativen Berliner Kreises den Gesetzentwurf, den die SPD Anfang des Monats in den Bundestag eingebracht hat, mit dem das Werbeverbot für Abtreibungen, gestrichen werden soll, der Paragraf 219a im Strafgesetzbuch.
    "Wir haben einen Vertrag, wo drin steht, dass man nicht mit wechselnden Mehrheiten arbeitet und die Aufhebung des 219a also das Werbeverbot steht nicht im Koalitionsvertrag."
    Pantel fordert von der Unionsfraktionsführung, sich klar dafür auszusprechen, dass die Abstimmung nicht als Gewissensentscheidung für alle Abgeordneten freigegeben wird. Ähnlich positionierte sich der stellvertretende Unionsfraktionschef, CSU-Politiker Georg Nüßlein. Er sagte, er sehe keinen, der bei dem Thema in Gewissensnöte komme. Der entsprechende Paragraf solle so bleiben wie er ist.
    Vorschläge zur Abschaffung von vier Parteien
    Anlass für die Debatte ist der Fall der Ärztin Kristina Hänel. Das Amtsgericht Gießen hatte sie Ende vergangenen Jahres wegen unerlaubter Werbung für Schwangerschaftsabbrüche zu einer Geldstrafe verurteilt. Es berief sich dabei auf den Paragrafen 219a. Der untersagt "das Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen" von Schwangerschaftsabbrüchen aus finanziellem Vorteil heraus oder wenn dies in "grob anstößiger Weise" geschieht. Hänel hat dagegen Berufung eingelegt. Neben der SPD haben im Februar schon die Linke und die Grünen Vorschläge zur Abschaffung des Paragrafen 219a im Bundestag eingebracht, die FDP will das Verbot auf grob anstößige Werbung begrenzen.
    Mit einem gemeinsamen Vorschlag könnten die vier Parteien SPD, Grüne, Linke und FDP die Streichung des Paragrafen gegen Union und AfD durchsetzen, die ihn beibehalten wollen. Elisabeth Winkelmeier-Becker, rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion regte im "Magazin Spiegel" an, in einem solchen Fall vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.
    Ablehnende Haltung von Union und Kirchen
    Unterstützung in ihrer ablehnenden Haltung erhält die Union von den beiden großen Kirchen. Abtreibung sei rechtswidrig, Werbung könne nicht infrage kommen", hatte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx am Wochenende gesagt. Mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, sei er sich einig darin, dass die Rechtslage nicht verändert werden dürfe.
    Sylvia Pantel, CDU, fordert, dass die SPD ihren Gesetzesentwurf zurückzieht und sie will die Angelegenheit zur Chefsache machen:
    "Da die Parteispitzen diesen Vertrag ausgehandelt haben und dieser Gesetzentwurf nicht im Koalitionsvertrag drin steht, ist das eine Sache der Parteispitzen, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass so was mal gegen Frau Nahles eingebracht wird, also hier müssen sich die Parteispitzen unterhalten, dass ein Koalitionsvertrag einzuhalten ist, den wir geschlossen haben, von allen Seiten einzuhalten ist."
    SPD will Gesetzentwurf einbringen
    Die SPD-Bundestagsfraktion erklärte gegenüber dem "Deutschlandfunk", man habe sich mit der Unionsfraktion darauf geeinigt, den Gesetzentwurf einzubringen, noch bevor der Koalitionsvertrag unterschrieben wurde. Nun liefen weitere Gespräche dazu.
    Morgen soll die Bundeskanzlerin im Bundestag wiedergewählt werden, danach sollen sie und die neuen Minister vereidigt werden. Kommende Woche schon ist eine Regierungserklärung der Kanzlerin zur neuen GroKo geplant. Diese wolle sofort in die "politische Debatte" gehen, kündigte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Bröhmer an. Dass die politische Debatte schon jetzt begonnen hat, zeigt der Streit um den Paragrafen 219a.