Freitag, 29. März 2024

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Werkschau von Dirk Darmstaedter
"Ich mache Musik nicht, um populär zu sein"

Der Musiker Dirk Darmstaedter hat auf seinem neuen Album 20 Lieder aus seiner Solokarriere der letzten 20 Jahre zusammengetragen. Die Auswahl sei nicht ganz einfach gewesen, sagte er im DLF. Aber er hatte auch eine Art Leitlinie für das Album - und zwar den Song "Pop Guitars": "Das ist so ein bisschen die Geschichte meiner musikalischen Sozialisation."

Dirk Darmstaedter im Corso-Gespräch mit Sigrid Fischer | 01.02.2017
    Dirk Darmstaedter im DLF-Studio
    Hatte eine Leitlinie für sein Album - nämlich den Song "Pop Guitars": Dirk Darmstaedter (Deutschlandradio/Kerstin Janse)
    Sigrid Fischer 20 Jahre, 20 Songs. Natürlich waren es viel mehr als 20 Songs in 20 Jahren, es waren ja allein schon 13 Alben. Aber eben exakt 20 Lieder umfasst diese Werkschau "twenty | twenty", die jetzt auf CD erschienen ist. Dirk Darmstaedter, willkommen bei Corso!
    Dirk Darmstaedter: Hallo!
    Fischer: Ja, "Sonny and Cher", habe ich so gedacht, Mitte der 60er bis Mitte der 70er, da sind Sie eigentlich ein bisschen jung. Was verbindet Sie denn eigentlich mit denen?
    Darmstaedter: Oh, mich verbindet auch mit Sonny und Cher viel. Aber es geht in dem Song eigentlich hauptsächlich darum, dass es ein Song für ein Mädchen ist. Für eine andere Singer-Songwriterin, mit der ich immer auf Tour gehen wollte und dachte, wir müssten eigentlich Platten zusammen machen und warum reisen wir nicht durch Deutschland zusammen. Aber sie wollte nicht. Und dann habe ich diesen Song geschrieben. Und da treten dann im Song natürlich alle möglichen Paare der Weltkultur auf: Bonnie und Clyde und Sonny and Cher, Sartre und Beauvoir.
    "Ich hatte ja mal so einen kleineren Hit"
    Fischer: Ich dachte nur so, wenn man wie die beiden - die hatten ja diesen "I got you, babe"-Hit - hat man dann eigentlich ausgesorgt, wenn man so einen Hit hat? Das jetzt nur mal zwischendurch gefragt.
    Darmstaedter: Das ist jetzt deine Frage an mich?
    Fischer: Ja.
    Darmstaedter: Das würde ich auch gerne wissen. Naja, ich hatte ja mal so einen kleineren Hit.
    Fischer: Das wollte ich sagen, eben.
    Darmstaedter: Ja, ich glaube, darauf willst du hinaus.
    Fischer: Ja!
    Darmstaedter: Ja, die Menschen denken natürlich immer, dass da wahnsinnig viel bei herumkommt. Und es war auch so - in der Zeit, wo das ganz oft im Radio lief, war es natürlich auch schön so.
    Fischer: "Brand New Toy", "Rome Wasn't Built in a Day" mit den Jeremy Days, das waren ja wirklich richtige Hits. Aber da kann man doch heute noch von …
    Darmstaedter: Nee, also ich würde sagen, leben kann ich davon nicht.
    Fischer: Nein, das nicht. Aber das merkt man noch lange, dass man so einen Hit hatte.
    Darmstaedter: Du meinst dann Gema, oder was?
    Fischer: Zum Beispiel, ja.
    Darmstaedter: Ja, so ein bisschen. Ja, da kommt noch immer so ein bisschen rein.
    Fischer: Wie gesagt: 20 Songs aus 20 Jahren haben Sie, Dirk Darmstaedter, jetzt auf dieser CD versammelt, aus 13 Alben. Da muss man ja - das ist ja wie mit den Kindern - sich für die einen und gegen die anderen entscheiden. Wie ist denn das abgelaufen?
    Darmstaedter: Ja, das war auch nicht ganz einfach. Das hat auch eine Weile gedauert, muss ich sagen. Aber ich hatte auch so ein bisschen eine Leitlinie für diese Platte. Es gibt auf meiner letzten Platte so ein Stück, das heißt "Pop Guitars". Das ist so ein bisschen die Geschichte meiner musikalischen Sozialisation, wenn man so will. Ich war 16 und ich war so ein einsamer Teenager und hörte im Radio Johnny Marr und die Smiths. Und das hat mein Leben verändert. Und dieser Song handelt ein bisschen davon und was die Popmusik mir bedeutet. Also Popmusik als Idee für intelligente, große Popmusik, die melancholisch und wahnsinnig daher kommt und einen so ein Leben lang begleiten kann. Das war eigentlich immer so mein Ansatz. Ich habe immer nach dem perfekten Popsong gesucht. Auch in Zeiten, wo das nicht unbedingt kredibil war. Es war so mein Ding. Von daher dachte ich, wenn ich so eine Rückschau, so eine Werkschau mache, dann versuche ich mich mal, zu fokussieren auf die Titel, die da so ein bisschen nah dran kommen. Oder wo man die Suche so erkennen kann.
    Fischer: Ja. Ihr Pop wird oft als zeitlos charakterisiert. Und dieses Album klingt wirklich auch kongruent, irgendwie. Obwohl das ja eben 20 Jahre sind. Da hätte man sich ja an alle möglichen Trends ranwerfen können. Aber das war nie Ihr Ding, ne? Trends zu folgen. Da sind immer schon ein eigener Stil und eine eigene Linie erkennbar geblieben.
    Darmstaedter: Ja. Musik bedeutet mir einfach zu viel, als dass ich mich jetzt auf irgendwelche halbgaren Trends raufhängen würde.
    Fischer: Hat Elton John auch gemacht. Mit Disko und so.
    Darmstaedter: Ja, aber vielleicht kann ich das auch gar nicht. Bei mir ist das sowieso … Gibt Dirk Darmstaedter eine Tuba und ich schreibe einen Song damit und es kommt ein Song dabei heraus, bei dem alle dann sagen: Oh ja, das klingt ja nach Dirk.
    Fischer: Mhh. Aber wie Sie gerade schon sagen: Die 80er-Jahre, da ist eben mal die Prägung. Würden Sie sagen, die ersten musikalischen Prägungen - bei jedem Menschen eigentlich - an denen hält man irgendwo fest? Was den Geschmack später angeht. Also auch für Nicht-selbst-Musikmacher, auch für Musik-Hörer. Ich habe immer so das Gefühl, irgendwo bleibt man da so ein bisschen hängen.
    Darmstaedter: Es ist ja nicht nur so bei der Musik. Es ist, wie ich finde, bei allen Sachen so. Die Sachen, die man von fünf bis 16 aufnimmt, das sind die Sachen, die so ganz, ganz tief reingehen. Die wird man nie wieder los. Bei mir waren es ganz klar die Platten, die mein Vater immer gehört hat, so von Burt Bacharach zu Bob Dylan und den Beatles in meiner Kindheitsphase. Und dann natürlich, als ich Teenager wurde, die Smiths, the Cure, all so ein Zeug eben. Und ich kann eigentlich machen, was ich will, das ist so das Fundament, auf dem das gebaut ist, was ich auch heute noch mache.
    "Wenn ich mich hinsetze und einen Song schreibe, dann kommt da meistens was Englisches"
    Fischer: Sie haben das alles auf Englisch angelegt, ihr Projekt. Dabei waren Sie ja auch mal mit der Hamburger Schule unterwegs, haben mit den Jungs auch Musik gemacht, mit Begemann, Distelmeyer, haben Sie sich in der Szene befunden. Und die waren ja eher deutsch-orientiert. Wie passte das zusammen, dass Sie dann der Englisch-Singer waren.
    Darmstaedter: Naja, Hamburg ist nicht ganz so eine große Stadt. Und da sind Bernd und Niels Frevert und das sind einfach gute Freunde und von daher wird man da in so einen Topf mit reingeschmissen. Wir sind einfach gute Freunde. Ich bin ja in Amerika aufgewachsen. Meine erste Sprache war Englisch als Kind. Und ich habe Deutsch eigentlich erst mit elf, zwölf gelernt. Und von daher war es eigentlich nie so die Frage, ob Deutsch oder Englisch. Es war immer klar, es ist Englisch, weil das so meine spielerische Sprache ist. Also ich träume auch auf Englisch oder ich lese alles auf Englisch oder ich schreibe Tagebuch auf Englisch. Deutsch ist natürlich auch definitiv meine Muttersprache, ich kann das auch meiner Meinung nach ganz gut, aber …
    Fischer: Wie wir hören, ja …
    Darmstaedter: … aber trotzdem ist es so, wenn ich mich hinsetze und einen Song schreibe, dann kommt da meistens was Englisches. Außerdem sind Bernd und Niels eh so gut, deutsche Songs braucht eh keiner mehr.
    Fischer: Okay. Da gibt es schon welche. "Ich war und bin ein großer Verfechter der Popmusik im Sinne von populär", ist ein Zitat von Ihnen. Für viele Künstler - hier zumindest - ist ja "populär" ein Schimpfwort. Aber wenn man nach Amerika guckt, glaube ich auch, nicht. Da haben Sie vielleicht auch einen ganz anderen Bezug dazu, zu dem Wort "populär".
    Darmstaedter: Genau. Popmusik kommt ja von "populär", dass es schon einen Anspruch hat, nicht nur Musik zu sein für eine kleine Schar von Auserwählten, sondern dass man möglichst viele Leute damit erreichen möchte. Das war auch immer mein Anspruch. Aber wahrscheinlich sind die Leute, die ich meine, die leben 1963 oder '72 und vielleicht nicht heute. Ich fühle mich auch so zunehmend - ich weiß nicht, was das deutsche Wort ist - "detached" von der hiesigen Popkultur.
    Fischer: Losgelöst?
    Darmstaedter: Das tu ich eigentlich schon seit 20 Jahren. Losgelöst, also ich habe damit eigentlich nicht mehr so wahnsinnig viel zu tun. Trotzdem ist der Ansatz aber bei meiner Musik: Wenn ich mich hinsetze und Songs schreibe, dann möchte ich, dann stelle ich mir vor, dass der im Radio gespielt wird. Ich bin ein großer Freund des Radios. Deshalb bin ich eben so frustriert, wenn ich das Radio einschalte und es laufen nur ständig dieselben Songs und immer die schrecklichen fröhlichen Ansagen. Deswegen freue ich mich natürlich auch, hier zu sein.
    Fischer: Natürlich. Jetzt müssen wir dazu sagen, Sie werben fast damit, also Sie schreiben es bei der Bewerbung Ihrer CD "twenty| twenty": Diese 20 Songs - beziehungsweise 19, einer ist ja neu, da müssen wir mal gucken, ob der ein Hit wird - das waren keine Hits! Ist das schade?
    Darmstaedter: Ja, was heißt schade. Natürlich waren das keine Hits. Ich glaube auch nicht, dass ich in der nächsten Zeit noch einen Hit haben werde in diesem Land. Das ist aber auch in Ordnung, ich mache meine Musik und ich versuche, die so nah dran aufzunehmen, wie ich das schaffen kann. Ich bringe die raus und was dann passiert, ist außerhalb meiner Kontrolle.
    "Mein kleines Tête-à-Tête mit der Masse"
    Fischer: Ich meine, das Leben ist vielleicht viel ruhiger und unanstrengender ohne Hit. Jeremy-Days-Zeiten, nehme ich an, muss man jetzt auch nicht 30, 40 Jahre lang haben.
    Darmstaedter: Genau. Also ich freue mich natürlich, dass ich mal so eine Phase hatte. Ich nenne es immer so mein kleines Tête-à-Tête mit der Masse, also wo es wirklich einmal kurz zusammen kam, was ich so wollte und was vielleicht auch eine größere Anzahl von Menschen auch kurzfristig wollte. Das war schon ganz spannend und aufregend. Und ich freue mich auch, das einmal so erlebt zu haben. Aber das muss jetzt auch nicht immer sein. Aber natürlich freue ich mich, wenn mehr Leute - oder wenn mal 300 Leute - zu einem Konzert von mir kommen, dann freue ich mich. Aber das ist nicht der Ansatz, warum ich das mache. Ich mache Musik nicht, um populär zu sein, um Platten zu verkaufen. Ich mache Musik, weil ich Musiker bin, weil das das ist, was ich tue und was ich tun muss und was ich liebe.
    Fischer: Sie nehmen Ihre Gitarre irgendwo aus dem Koffer und spielen. Das machen sie auch. Sie spielen überall, sagen Sie. Wo es passt.
    Darmstaedter: Ja.
    Fischer: Noch mal Stichwort Amerika: Sie haben ja da gerade einen neuen Präsidenten in Ihrer alten Heimat. Waren Sie schon da seitdem?
    Darmstaedter: Nein.
    Fischer: Oder können Sie es nicht erwarten, vielleicht mal hin zu fahren?
    Darmstaedter: Ich fahre im Mai und mache mir auch derzeit Gedanken, ob das so eine gute Idee ist. Aber ich bin natürlich schockiert, wie viele. Aber was ich sehr schön finde, das ist, dass sich immer mehr Leute sich wieder über Politik und Demokratie und auch Europa Gedanken machen. Und auch aus einer gewissen Lethargie, die uns die letzten 20 Jahre begleitet hat, dass man so apolitisch war, dass das ein bisschen vorbei ist. Und da bin ich sehr froh drüber.
    Fischer: Ja, vielleicht haben wir dann demnächst Polit-Songs von Dirk Darmstaedter auf dem nächsten Album. Am 10. Februar erscheint jetzt erst mal das Album "twenty | twenty" mit, wie gesagt, einer Kollektion von Songs aus den letzten 20 Solo-Jahren. Am Sonntag tritt er damit auf in Berlin, im roten Salon in der Volksbühne und die eigentliche Tour beginnt im April.
    Darmstaedter: Dann ist es warm.
    Fischer: Dann ist es wärmer.
    Darmstaedter: Sobald ich Sommerreifen auf meinem alten Ford drauf habe, fahre ich wieder los.
    Fischer: Okay. Einfach mal auf der Homepage nachgucken. Vielen Dank, Dirk Darmstaedter, für den Besuch im Corso-Studio.
    Darmstaedter: Danke, dass ich dabei sein durfte.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.