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Werkzeugmacher Zollmann
Das Virus und der schwäbische Tüftler

Die Ausbreitung des Coronavirus bringt eine Vielzahl von Unternehmen in Schwierigkeiten. Vor allem, wenn sie Geschäftspartner in China haben. Die Erfahrung macht gerade der schwäbische Unternehmer Martin Zollmann. Er hat viele Aufs und Abs in seiner Laufbahn erlebt. Die Corona-Krise ist für ihn vor allem eine Prüfung in Einfallsreichtum.

Von Uschi Götz | 13.03.2020
Meterhohe Regale stehen in einer fast 100 Meter langen Produktionshalle. Spezialwerkzeuge sind auf den verschiedenen Etagen einsortiert. Werkzeuge für Spezialmaschinen vor allem für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie:
"Wir machen auch Werkzeuge für Stein- und Glasbearbeitung. Das ist in Deutschland nicht so sehr bekannt, aber in Amerika sehr",
sagt Firmenchef Martin Zollmann. In Arbeitshose und T-Shirt führt er durch die Halle. Seinen Händen ist anzusehen, dass er bisweilen mitanpackt.
Zehn Beschäftigte arbeiten in Melchingen bei der Zollmann GmbH und der dazugehörenden T-Tool Precisision GmbH. Schaut man aus dem Fenster blickt man über die weite Albhochfläche. Hier in der Gegend nahe Hechingen gibt es etliche, kleinere Unternehmen, die mit ihrem Ideenreichtum schon einige Krisen überstanden haben. Längst hat auch die Corona- Krise die Alb erreicht, Zollmann ist ein millionenschwerer Auftrag mit chinesischen Partnern weggebrochen.
"Es geht um einen mehrere Millionen-Auftrag für Textilmaschinen. Alles ist unterschrieben, notariell, alles, es sind verschiedene Gelder auch schon geflossen."
China-Projekte auf Eis gelegt
Doch die ganz großen Summen noch nicht, so ist das Projekt erst einmal auf Eis gelegt. Existenzbedrohend ist das für den Unternehmer dabei nicht. Doch an anderer Stelle spürt er die unterbrochene Lieferkette empfindlich. Der Schwabe importiert unter anderem Hartmetalle aus China. Das Material ist dabei um fast die Hälfte günstiger als auf heimischen Märkten. Zollmann zeigt ein fingernagelgroßes Metallstückchen:
"Das sind jetzt zum Beispiel auch Sachen, die kommen aus China, so Hartmetallblättchen. So Zeug ist teuer wie die Sau. Und wenn man da halt irgendwann keine Nachlieferung mehr hat, dann haben wir ein Problem."
Dann gehen die Materialkosten in die Höhe. Die Krise als Chance nutzen, wie das gehen könnte, das kam Zollmann nach einem Gespräch mit einem chinesischen Geschäftspartner. Dieser fragte telefonisch ausgerechnet bei dem Werkzeughersteller an, ob er denn nicht 50. 000 Fieberthermometer, konkret Scan-Thermometer, auch Fieberpistolen genannt, aus Deutschland nach China schicken könne.
"Wissen Sie, wie die aussehen?"
Zollmann ist mittlerweile in einem kleinen Besprechungszimmer. An der Wand hängt eine Weltkarte. Jetzt holt er einen Scan-Thermometer, den er sich nach der Anfrage besorgt hatte. Mit so einem Teil lässt sich die Körpertemperatur des Gegenübers auf einige Entfernung messen.
Die Bitte des chinesischen Partners im Ohr, startete Zollmann eine Recherche bei auf Medizinbedarf spezialisierten Unternehmen in benachbarten Regionen:
"Ich habe mit denen geschwätzt, die haben im November noch 50. 000 Stück gehabt."
Fieberthermometer aus China für China?
Doch diese Vorräte sind längst verkauft. Die Thermometer so erfährt er, kommen alle aus China. Und auch diese Lieferkette ist schon lange unterbrochen.
Zollmann ist gelernter Elektromechaniker und Mechanikermeister. Kaum war er mit der Ausbildung fertig, richtete er sich in einem landwirtschaftlichen Nebengebäude seines Großvaters einen kleinen Betrieb ein. Mit Lohnarbeit für Bosch machte er seine ersten Schritte in die Selbständigkeit. Doch mit dem renommierten Kunden gab es Ärger. Bald schon streckte der Jungunternehmer seine Fühler in Nachbarländer aus. Heute hat er Standbeine in Ungarn, USA und Asien.
Auf viele Werkzeuge, die die kleine Produktionshalle verlassen, hat der schwäbische Firmenchef ein Patent. Der Unternehmer steht jetzt wieder in der Produktionshalle. Vieles was hier gemacht wird, versteht man nur in der Welt der Maschinenbauer und Werkzeugmacher. Da hängen Spannmutter und Spannzangenfutter aneinander. Zollmann setzt den Schlüssel an einer Spannmutter an.
"Dieses Werkzeug gibt es nur bei uns, auch diese Spannmutter."
Viele Krisen überstanden
Zollmann hat schon einige Krisen überstanden: In den 1990er Jahren etwa die Flaute im Maschinenbau. Später hinderte ihn seine Hausbank an Expansionsplänen. Aus Trotz verkaufte er eine millionenteure Halle und verlegte eine für Baden-Württemberg geplante Produktion nach Ungarn.
"Wir sind in Ungarn zwischenzeitlich auch schuldenfrei. Übrigens haben wir dort auch mit den Banken Theater gehabt. Die haben auch irgendwann kalte Füße bekommen. Weil dann kam ja die 2009er Krise."
Auch die Weltwirtschaftskrise 2009 traf den schwäbischen Unternehmer, die Aufträge gingen zurück. Diese Zeit nutzte der Unternehmer, um sich wie einst in jungen Jahren an den Märkten umzusehen. Sein Credo:
"Du musst diversifizieren. Und das habe ich gemacht, indem ich schon immer wieder in China war und rumgefahren bin."
Corona reizt den Tüftler
Während Zollmann neue Ideen weiterentwickelt, erholt sich die Wirtschaft so gut, dass er bisweilen Lieferschwierigkeiten hat. Am Stammsitz auf der Schwäbischen Alb baut er die Produktion wieder aus. Nun muss er abwarten, wie sich die Corona-Krise weiterentwickelt, wann und ob die Lieferketten wieder anlaufen. Doch der Unternehmer ist eben auch ein typischer, schwäbischer Tüftler. Und so lässt ihn die Thermometer-Frage keine Ruhe mehr. Ein zerlegtes Thermometer liegt jetzt vor ihm:
"Ich glaube, wenn solche Sachen, wie jetzt dieser Corona, dann kommt übermorgen etwas anders. Ich glaube, dass die ganzen Staaten in Zukunft solche Fiebermessungen an den Flughäfen und überall einführen sollten. Der Herr Spahn sagt, das habe kein Wert, aber wenn er ein paar herausfiltert, die gerade versehentlich mit 39 Grad Fieber nach Deutschland reinkommen, dann hat er die schon einmal weg."
Und seit einiger Zeit denkt der schwäbischen Unternehmer darüber nach, wie sich nicht nur Fieberthermometer wieder hierzulande produzieren lassen.