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"Westfalia Spielgeräte"
Spielplatz aus dem Gelben Sack

Spielplatzgeräte aus Recycling-Kunststoff - darauf hat sich die ehemalige Tischlerei Westfalia aus Ostwestfalen spezialisiert. Das Material aus den Inhalten des Gelben Sacks ist nicht nur nachhaltiger als Holz. Es braucht keine Wartung, ist unbegrenzt haltbar und damit viel kostengünstiger für die Kommunen.

Von Simon Schomäcker | 16.09.2016
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    Die Firma Westfalia verarbeitet jährlich über 700.000 Kilogramm aus dem Gelben Sack. Spielgeräte für bis zu 20 Spielplätze verlassen pro Woche das Firmengelände. (picture-alliance / dpa / Patrick Pleul)
    Ein Spielplatz im ostwestfälischen Hövelhof, nahe Paderborn. Kinder toben hier auf einem Klettergerüst herum. Das sechseckige Spielgerät mit seinem roten Dach und schräg abzweigenden Leitern gleicht ein wenig einem Wachturm. Von Weitem sieht es so aus, als wäre die Anlage aus Holz gebaut.
    Beim genaueren Hinsehen fällt aber auf, dass die meisten Elemente aus schwerem Kunststoff mit einer rauen Oberfläche bestehen. Diese Balken, Stützen und Bodenplatten waren fast alle einmal Wurstverpackungen und anderer Abfall aus dem Gelben Sack.
    "Die Idee kam damals, als der Gelbe Sack aufkam – und in den Kommunen und bei den öffentlichen Trägern wurde das Geld immer knapper. Und dann war die Überlegung, a) ein umweltschonendes Produkt und b) ein wirtschaftliches Produkt herzustellen", sagt Michael Athens, Geschäftsführer des Hövelhofer Unternehmens Westfalia Spielgeräte.
    Vom Holz zum Kunststoff
    Ursprünglich von Senior-Chef Ferdinand Athens als Tischlerei gegründet, hat sich der Betrieb seit 2003 auf Spielplatzgeräte aus Recycling-Kunststoff spezialisiert, erzählt Firmenchef Athens. Bäume sieht er seitdem mit anderen Augen:
    "Wenn ich so durch den Wald gehe und vor einem Baum stehe, dann denke ich immer, na ja, einer muss jetzt dran glauben. Da haben wir natürlich enorme Vorteile gegenüber dem Holz, sowieso wegen der Nachhaltigkeit. Und b) natürlich die Wirtschaftlichkeit: Recycling-Kunststoff ist unbegrenzt haltbar.
    Und beim Holz ist es halt immer eine Frage der Zeit, bis es verwittert. Es braucht Pflege, es braucht Wartung, es muss gestrichen werden, geschliffen werden, es kann reißen – es lebt halt. Das ist zwar schön, aber es ist kostspielig auf Dauer."
    Mit seinen Spielplatzgeräten aus Müll hat Westfalia Spielgeräte deutschland- und europaweit eine Monopolstellung. Ein Grund dafür ist, dass es nur einen Zulieferbetrieb gibt, der Recycling-Kunststoff in geeigneter Qualität anbietet. Die größte Herausforderung war anfangs aber, die Kunden zu überzeugen, weiß Marketingleiter Thomas Schmidt:
    "Es kamen auch mal Sprüche wie: Was wollt ihr denn mit Müll auf dem Spielplatz, da haben wir doch genug von, so nach dem Motto. Ich glaube, das ist so die Angst vor dem Neuen. Und der Gedanke an Umwelt und Nachhaltigkeit, der war damals noch nicht so weit fortgeschritten wie in den letzten Jahren, was aber durch die Medien auch sehr stark vorangetrieben wird."
    Anschauungsunterricht: "Ich war mal eine Verpackung…"
    Insgesamt beschäftigt Westfalia Spielgeräte 70 Mitarbeiter, die wenigsten davon in der Fertigung. Die beiden CNC-Fräsen in der hohen, hellen Fabrikhalle mit Wellblechdach laufen fast vollautomatisch. Sie verarbeiten die angelieferten Palisaden und Platten zu Bauteilen für die Spielplatzeinrichtungen. Allerdings kann das Unternehmen nur zu 80 Prozent Altkunststoffe verarbeiten, erklärt Michael Athens:
    "Der Recycling-Kunststoff, der hat halt bestimmte Voraussetzungen. Dazu gehört zum Beispiel, dass man nicht jede Farbe herstellen kann. Da, wo es auf Farbtreue ankommt, wo wir bunte Farben ins Spiel bringen wollen, da greifen wir dann auf Neuware zurück. Das sind dann PE-Kunststoffe, wie man sie aus der Lebensmittelindustrie kennt."
    Westfalia Spielgeräte plant und bestückt seine Spielplätze selbst. Mitarbeiter Fabian Schmeichel hat auf seinem PC ein Zeichenprogramm geöffnet. Auf dem rechten Bildschirm ist eine Draufsicht des Geländes zu sehen, auf dem linken eine 3D-Nachbildung des fertigen Platzes mit Rutsche, Klettergerüst, Wippe und anderen Geräten. Schmeichel erklärt, er bekomme seine Informationen vom Außendienst:
    "Ein paar Unterlagen, wie das Gebiet aussieht. Wir behelfen uns dann meistens noch mit einem Google-Bild. Dann zeichne ich das nach und wir haben das Angebot, welche Spielgeräte da reinsollen. Und dann ordne ich die in unserem Cut-Work hier an.
    Das Thema Nachhaltigkeit vermitteln
    Anhand seiner Produkte möchte Westfalia Spielgeräte auch Kindern das Thema Nachhaltigkeit näher bringen. Regelmäßig organisieren Marketingleiter Thomas Schmidt und seine Kollegen Betriebsbesichtigungen:
    "Wir bilden dann exakt den Weg vom Gelben Sack, sprich Joghurtbecher, Lebensmittelverpackung, bis hin zum Spielgerät. Ich bin ganz erstaunt, wie weit die kleinen Kinder schon sind in der Wahrnehmung – Gelber Sack, Umweltgedanke, Nachhaltigkeit. Also wir hatten vor zwei Wochen noch von der ersten bis zur vierten Klasse jeweils die Schulsprecher hier. Und die aus der ersten Klasse, die waren mit am weitesten. Das hat mich echt erstaunt."
    Das Hövelhofer Unternehmen wurde für seine Spielgeräte vor kurzem sogar mit dem Blauen Engel ausgezeichnet. Die Produkte sind bei einem weiten Kundenkreis gefragt, weiß Thomas Schmidt:
    "Wir sind vertriebsmäßig mittlerweile im gesamten Bundesgebiet unterwegs. Im angrenzenden europäischen Ausland haben wir drei Partner, die dort für uns aktiv sind. Wir haben gestern noch Anfragen aus Dubai bekommen. Also das geht seinen Weg, seinen sehr weiten Weg."
    Sieben Millionen Euro Umsatz macht Westfalia Spielgeräte so jährlich – Tendenz steigend. Pro Woche verlassen Geräte für bis zu 20 Spielplätze das Firmengelände. Stolz rechnen Michael Athens und Thomas Schmidt vor, wie viel Abfall in ihren Produkten steckt:
    "Wir haben da eine Hochrechnung in Würstchentüten gemacht. Und die besagt, dass für einen mittelgroßen Spielplatz 15.400 Wurstpackungen verwendet werden. Und, das sind Errechnungen, die wir auch für die Zertifizierung mit dem Blauen Engel benötigen, wir verarbeiten mittlerweile jährlich über 700.000 Kilogramm aus dem Gelben Sack."