"Kulturschaffende"

Warum dieser Begriff eine Alternative braucht

05:42 Minuten
Goebbels verkündet im Deutschen Opernhaus in Berlin die Gewinner der Nationalpreise 1937/38. In der Ehrenloge sitzt Adolf Hitler.
Joseph Goebbels initiierte die Reichskulturkammer. Ihr Zweck war die Gleichschaltung aller Bereiche des Kulturlebens. © picture-alliance / akg-images
Isolde Vogel im Gespräch mit Gabi Wuttke · 25.04.2021
Audio herunterladen
Der Begriff Kulturschaffende kommt unschuldig und inklusiv daher, weil er geschlechtsneutral eingesetzt werden kann. Dabei ist sein Ursprung im Nationalsozialismus zu finden, wie die Historikerin Isolde Vogel erklärt.
"Der Begriff geht zurück auf die Reichskulturkammer, die diesen 1933/34 neu geprägt hat und als Institution alle in der Kulturwelt Tätigen – als Kulturschaffende bezeichnet – in sich vereinigen sollte", erklärt die Historikerin Isolde Vogel.
"Wer ab diesem Zeitpunkt in der Kulturwelt tätig sein wollte, musste eben auch Mitglied der Reichskulturkammer sein." Doch von diesem hochproblematischen Ursprung ist heute nichts mehr zu spüren, wird der Begriff Kulturschaffende doch als besonders inklusiv betrachtet, weil er geschlechtsneutral eingesetzt werden kann.

Ein Kollektivbegriff, der abgeschafft gehört

Mit einer Mitgliedschaft in der Reichskulturkammer war aber auch der Ausschluss vieler Künstlerinnen und Künstler verbunden, wie Vogel erklärt: entweder aus rassistischen oder aus ideologischen Gründen. Zudem war die Reichskulturkammer dafür gedacht, alle künstlerisch Tätigen unter einem Dach zu vereinen. Es ging um Gleichschaltung und Entindividualisierung und die "Unter- und Einordnung der Kulturwelt unter das kollektivistische Ziel des Nationalsozialismus", so Vogel.
Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg war die Geschichte des Begriffs noch spürbar. Wilhelm Emanuel Süskind nahm ihn 1946 in sein "Wörterbuch des Unmenschen" auf – neben weiteren nationalsozialistisch belasteten Begriffen.

Alternative gesucht

Aber auch in der DDR wurden Künstlerinnen und Künstler als Kulturschaffende bezeichnet, wie Vogel erklärt. Wichtig sei auch hier die "Einordnung der Kulturwelt unter ein kollektivistisches Ziel" gewesen.
Doch niemand zwingt einen dazu, diesen Begriff weiter zu verwenden. Auf der Kulturplattform Oberösterreich wird bereits eine Alternative gesucht. Bis zum 30. April können Vorschläge eingereicht werden.
(ckr)
Mehr zum Thema