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Wettkampf ums All

Schock für die USA: Mitten im Kalten Krieg schießt die Sowjetunion 1957 mit Sputnik-1 den ersten Satelliten in den Weltraum. Wenige Jahre später umrundet der Kosmonaut Juri Gagarin als erster Mensch die Erde. Die USA wollen aufholen - und schicken ihren besten Mann.

Von Anatol Johansen | 20.02.2012
    "Countdown …we are under way."

    Am 20. Februar 1962 startete der Astronaut John Glenn von Cape Canaveral in Florida aus mit einer Mercury-Raumkapsel ins All. Die Spannung und Aufregung, die das Unternehmen mitten im Kalten Krieg hervorrief, ist heute kaum mehr nachzuempfinden. Dreieinhalb Jahre zuvor hatten die Sowjets ihren amerikanischen Konkurrenten völlig überraschend die Rote Karte gezeigt. Sie – und nicht etwa die technologisch führende Weltmacht Amerika – hatten am 4. Oktober 1957 mit Sputnik-1 den ersten aller Satelliten ins All geschossen und damit das Raumfahrtzeitalter eröffnet.

    Das Erschrecken über den "Sputnik-Schock" war jenseits des Atlantiks gewaltig. Man versuchte, möglichst schnell nachzuziehen. Doch die ersten amerikanischen Satelliten-Startversuche scheiterten – begleitet von Spott aus Moskau. Selbst als die Amerikaner 1958 ihren ersten Vanguard-Satelliten erfolgreich ins All brachten, amüsierte sich der damalige Kreml-Chef Nikita Chruschtschow:

    "Das Ding ist ja nur so groß wie eine Pampelmuse!"

    Er hatte wirklich gut lachen. Denn während der kleine Vanguard-Satellit nur eineinhalb Kilogramm auf die Waage brachte – hatte die UdSSR schon im Jahre zuvor den über eine halbe Tonne schweren Sputnik-2 ins All gewuchtet, inklusive der kleinen Hündin Laika, die später im Weltraum umkam.

    Am 12. April 1961 startet erstmals überhaupt ein Mensch ins All: der Kosmonaut Juri Gagarin. Der neuerliche triumphale Erfolg des sowjetischen Raumfahrtprogramms veranlasste den amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy schon im Mai, die Amerikaner darauf zu verpflichten, noch in den 60er Jahren einen Menschen zum Mond und sicher zurück zur Erde zu bringen.

    "I believe that this nation should commit itself to achieving the goal, before this decade is out, of landing a man on the moon and returning him safely to the earth.”"

    Damit aber ist der längste und vielleicht auch interessanteste Wettlauf der Weltgeschichte eröffnet: das Rennen zum Mond. Denn auch die Sowjets beginnen jetzt mit dem Bau einer großen Mondrakete. In diese äußerst spannungsgeladene Zeit fällt der Start des 40-jährigen US-Navy-Colonels John Herschel Glenn. Er ist zwar nicht der erste Amerikaner im All. Vor ihm sind bereits Alan Shepard und Gus Grissom dort gewesen. Doch diese beiden sind sozusagen nur im hohen Bogen in die Luft geschossen worden, erreichten in über 100 Kilometer Höhe dabei kurz den Weltraum und fielen wieder zurück zur Erde. Jedes Unternehmen dauerte denn auch jeweils nur eine Viertelstunde. Jetzt aber soll Glenn es seinem Vorgänger Gagarin gleich tun und die Erde umrunden.

    Und es gelingt. In fünf Stunden fliegt er drei Mal um die Erde. Bei der Rückkehr ist er beeindruckt von dem Feuerball, der sich vor seiner Kapsel "Friendship 7" durch die Reibungshitze beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre aufbaut:

    ""There is a real fireball outside … my condition is good … but there is a real fireball outside, oh boy.”"

    Amerika hat einen neuen Helden. Glenn zu Ehren gibt es in New York eine gewaltige Konfetti-Parade. Und die Worte des Bürgermeisters Robert Wagner zeigen, wie gut der Erfolg Glenns dem amerikanischen Selbstbewusstsein bekommen ist.

    ""Wir sagen noch einmal, wie stolz wir auf ihn sind; stolz Amerikaner zu sein und darauf, dass Amerika solche Kerle wie Colonel Glenn hervorbringt."

    Niemand ahnte damals, 1962, dass Glenn nicht weniger als 36 Jahre später noch einen weiteren Weltraum-Rekord aufstellen wird. 1998, mit 77 Jahren, startete er noch einmal, flog zur Internationalen Raumstation ISS – und machte damit als bislang ältester aktiver Astronaut klar, dass der Raumflug kein exklusives Reservat der Jüngeren ist. Selbst heute verfolgt er das Raumfahrt-Geschehen immer noch mit lebhaftem Interesse – wobei an einen weiteren Flug des nunmehr Neunzigjährigen allerdings nicht mehr zu denken ist.