Donnerstag, 28. März 2024

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Menschenrechtsanwalt
"Vergesst Snowden nicht"

Vor fünf Jahren übergab der ehemalige CIA-Mitarbeiter Edward Snowden geheime Dokumente an Journalisten. Die belegten, dass die USA viele Menschen ausspionieren. Inzwischen wird viel weniger über Snowden berichtet. Sein Anwalt mahnt nun die Medien, das Thema illegale Überwachung wieder mehr in den Focus zu rücken.

Susanne Lettenbauer | 10.12.2018
    Robert Tibbo, Anwalt von Edward Snowden, bei der Übername einer Geldspende für die Flüchtlingsfamilie auf dem europäischen Mediengipfel in Lech, Österreich 2018
    Menschenrechtsanwalt Robert Tibbo auf dem europäischen Mediengipfel in Lech (Deutschlandfunk/ Susanne Lettenbauer )
    "Ich kann Journalisten nur sagen. Hören Sie nicht auf zu berichten." Robert Tibbo redet leise, bedächtig. "Bitte hören Sie nicht auf zu berichten", appelliert er an die Presse.
    Vor einem Jahr floh er aus Hongkong, wo er jahrelang als Menschenrechtsanwalt arbeitete. Seine Karriere, sein Job – zumindest in Asien, alles weg. In den Medien war dazu nichts zu lesen. Erst jetzt, ein Jahr später, folgt der Nachklapp im österreichischen Standard, in der New York Times, der kanadischen National Post. Und man fragt sich: Warum?
    Snowden Anwalt ist enttäuscht über die Berichterstattung
    "Die deutschen und deutschsprachigen Medien sollen sich bewusst sein, wie mit Menschenrechtsanwälten heute umgegangen wird, weltweit. Nur hört man davon nichts." Der 54-Jährige mied in den vergangenen Jahren soweit möglich die Öffentlichkeit. Er sei enttäuscht worden, wie die Presse mit seinem Mandanten Edward Snowden umging, sagt er. Seine Enthüllungen seien nur eine Top-Story für die Headlines gewesen:
    "Das Beunruhigende an der Berichterstattung waren die vielen Spekulationen politischer Analysten, die einfach sagten, was sie meinten, ohne irgendwelche rationalen Grundlagen. Das war so surreal. Diese Spekulationen und Verteufelung von Edward Snowden hat uns sehr beunruhigt und enttäuscht. Und die Journalisten haben so falsch berichtet."
    Journalisten haben zu viel spekuliert
    Da wären zum Beispiel die zwei Journalisten vom Wall-Street-Journal gewesen, die Hotelpersonal befragt hätten, ihre eigene Theorie zu den Ereignissen entwickelten und danach eine Geschichte zusammenschrieben, die faktisch falsch war, so Tibbo. Dass die Presse mangels Fakten auf Spekulationen angewiesen war, sagt er nicht:
    "Sie wollten einfach nicht die Wahrheit wissen, weil es nicht in ihre Story passte. Das sollten Journalisten daraus lernen: Arbeitet sehr sorgfältig. Wer gibt Euch welche Informationen, wie kann man sie überprüfen. Dieses Blatt hat mich als Anwalt komplett ignoriert, mein Job ist es doch, die Wahrheit zu sagen. Aber natürlich bin ich auch an die Schweigepflicht gebunden."
    Menschenrechtsanwalt wünscht sich mehr Berichte über Snowden
    Umso verwunderlicher, dass Robert Tibbo jetzt gleich zweimal in Österreich auftritt, eindringlich seine Situation schildert, sich geduldig den Fragen der Journalisten stellt. Um Gehör bittet.
    Fünf Jahre nachdem der britische Journalist Glenn Greenwald die Spionagepraktiken der US-Geheimdienste im Londoner Guardian veröffentlichte, setzt Tibbo auf die Hilfe der Medien. Warum berichte eigentlich fast keiner über das Schicksal der Flüchtlinge, die Snowden 2013 versteckte und denen seit 2017 die Abschiebung droht? Tibbo versucht, über deren Geschichte das Thema Snowden wieder prominenter in den Medien zu platzieren, aber das Interesse hält sich in Grenzen. Denn was gibt es Neues?
    "Hinsichtlich möglicher neuer Enthüllungen sehe ich das, verglichen mit den Daten, die Snowden veröffentlich hat, als zweitrangig an. Denn viel wichtiger ist doch: Wie steht es heute um die Menschenrechte?"
    Appell an Journalisten: Die Diskussion muss weiter gehen
    Snowden ist heute Präsident der Freedom of the Press Foundation, die Liste an Interviewanfragen sind lang, aber wirklich spannendes - auch mal buntes - Futter, wie es ihm zum Beispiel in Russland geht, gibt es für die Presse nicht. Und die quittiert das mit Nichtberichterstattung.
    Eindringlich wirbt Snowden-Anwalt Tibbo bei den Journalisten, dennoch immer wieder das Thema aufzugreifen:
    "Es hängt von Ihnen ab. Die Journalisten sind das Herzstück, um Transparenz und Verantwortung von Demokratien wie in Österreich, in Deutschland und allen anderen Staaten zu gewährleisten. Aber das hört nicht auf, es ist ein Prozess, die Diskussion muss weitergehen, dafür setzt er sich ein. Wenn die Gesellschaft nichts tut, die Journalisten nicht darüber berichten, die Regierungen weiterhin schlechte Gesetze beschließen, dann gibt es keine Demokratie mehr."