Dienstag, 23. April 2024

Archiv

White Denim
Rock 'n' Roll aus Texas

2006 haben White Denim angefangen, weil es ihrer Meinung nach in Texas zu wenig Rock'n'Roll gab. Seitdem haben sie sieben Studioalben veröffentlicht und sich vor allem mit ihren wilden Live-Performances viele Fans erspielt. "Performance" heißt auch ihre neue CD und sie zeigt: so schlimm ist es um den Rock'n'Roll nicht bestellt.

Von Anke Behlert | 02.09.2018
    Drei Männer stehen vor einem weißem Holzhaus.
    White Denim machen Musik von dunkel glitzerndem Glamrock bis schwitzigem Blues (Pooneh Ghana.)
    Musik: "Performance"
    Jedes Jahr im März findet das South by Southwest in Austin statt, es gibt das Austin City Limits Festival, die Stadt nennt sich stolz Live Music Capital of the World. Wie kann es also sein, dass White Denim ausgerechnet dort den Rock'n'Roll vermissen? Diese Frage haben sie sich auch gestellt, sagt Sänger James Petralli lachend.
    "Wie ist das möglich? Gute Frage. Austin hat eine sehr lebendige Musikszene. Ich bin dorthin gezogen, um Musik zu machen und viele andere Leute haben das auch getan. Alle wollten Karriere machen und zu der Zeit waren gerade The Killers und Interpol sehr angesagt. Also haben viele Bands geklungen wie The Killers oder Interpol. Wir wollten das nicht. Wir fanden, dass man nicht viel falsch machen kann, wenn man ein bisschen klingt wie MC5."
    Musik "Moves on"
    Dass Bands wie MC5, T-Rex oder Thin Lizzy bei den Songs von White Denim Pate stehen, hört man auch auf dem neuen Album "Performance". Darauf ziehen sie so ziemlich alle Register: von dunkel glitzerndem Glamrock bis schwitzigem Blues; die Songs sind groovy und energiegeladen. Psychedelisch verwobbelter Gesang wird von Handklatschern eingefangen, Power-Riffs treffen auf ein synkopiertes Schlagzeug, das andernorts die WahWah-Gitarren vor sich her treibt.
    Musik "It might get dark"
    Aufgenommen haben White Denim die neuen Songs in ihrem eigenen Studio namens "Radio Milk" in Austin, einem umgebauten Gemischtwarenladen. Statt viel Geld für Aufnahmezeit in einem anderen Studio auszugeben, kauft sich James Petralli lieber originale Technik aus den 70ern, die auch manchmal nicht funktioniert.
    "Wenn wir Musik machen, wollen wir etwas erschaffen, das neben unseren Lieblingsplatten stehen könnte. Wir waren ein wenig besessen von Tony Visconti und seinem Sound. Er hat zum Beispiel Bowies Berlin-Trilogie und "Electric Warrior" von T-Rex produziert. Ich habe mir Technik gekauft, die er auch benutzt hat. Wir wollten ausprobieren, wie nah wir an diesen Sound herankommen können. Aber trotz all der Verweise hoffen wir, dass es eine Fortsetzung dieser Musik ist und keine Hommage."
    Musik "Double Death"
    Eine Hommage ist die Musik von White Denim sicher nicht, sie füllen sie mit Leben und haben jede Menge Spaß. Gegründet hat Petralli die Band zusammen mit Bassist Steve Terebecki. 2008 erschien das erste Album "Workout Holiday". Seitdem hat es mehrere Umbesetzungen gegeben: der Gitarrist ist zur Band von Retro-Soul-Sänger Leon Bridges gewechselt und mittlerweile spielt der fünfte Drummer bei White Denim. Klingt ein bisschen nach Spinal Tap, lacht Petralli, aber mit der aktuellen Besetzung ist er sehr zufrieden.
    "Wir haben als Trio angefangen und mochten alle die kanadische Band Tricky Woo. Die kennt heute keiner mehr, in den späten 90ern haben die ein paar sehr gute Platten gemacht. Dann haben wir unseren Horizont immer mehr erweitert und andere Musikstile integriert. Mittlerweile haben wir sehr viele unterschiedliche Sachen gespielt. Die Drummer haben immer mal gewechselt, fast wie bei Spinal Tap. Aber hoffentlich gibt es bei uns keine spontane Selbstentzündung."
    Musik "Magazine"
    Humor ist ein essentieller Bestandteil des White Denim-Universums. Das fängt bei Promo-Fotos an, die die Band in merkwürdiger Clownsmaskierung und unvorteilhaften Bauchfrei-T-Shirts zeigen. Und geht über scheinbar sinnfrei zusammengestückelte Videos, in denen Augen und Münder umherfliegen, bis zu Songtiteln wie "Fine Slime" - man nimmt sich selbst nicht allzu ernst.
    Musik "Fine Slime"
    Ihre Musik eignet sich zwar auch für's aufmerksame Zuhören, aber am besten kann man dazu tanzen, trinken oder auch Autofahren. Und mit dem Autofahren hat auch James Petrallis Liebe zum "Classic Rock" angefangen, erzählt er.
    "Classic Rock Radio war ein neues Format als ich gerade 16 geworden bin. Led Zeppelin und Jimi Hendrix haben mir einfach besser gefallen, als Pearl Jam und Nirvana. Beim Autofahren hab ich also immer Classic Rock Radio gehört und hab mich dabei sehr frei und cool gefühlt. Ich war mit etwas verbunden, das älter war als ich und das meine Freunde nicht verstanden haben. In meinem Auto herumzufahren und "Led Zeppelin II" anzuhören hat mein Leben verändert."
    Musik "Backseat Driver"
    Die Musik auf "Performance" ist ein atemloser Ritt durch die letzten 50 Jahre Rock'n'Roll-Geschichte. Im Vergleich zu früheren Aufnahmen geht es zwar weniger experimentell und verspielt zu. Langweilig werden die neun Stücke aber nicht, im Gegenteil. Sie entwickeln einen enormen Drive und machen große Lust darauf, sich die Band live anzuschauen.