Donnerstag, 18. April 2024

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White Supremacy
"Es geht darum, ein 'Us Versus Them' zu entwerfen"

Donald Trump bediene die Ideologie der White Supremacy, die den politischen Einfluss von Minoritäten verhindern wolle, sagte der Historiker Simon Wendt im Dlf. Dahinter stecke die Angst vieler weißer Amerikaner, die "weiße amerikanische Kultur" werde durch Einwanderer aus Lateinamerika zurückgedrängt.

Simon Wendt im Gespräch mit Anja Reinhardt | 26.07.2019
US-Präsident Trump steht an einem Rednerpult und gestikuliert mit der rechten Hand. Im Hintergrund sind Zuhörer zu sehen.
Donald Trump bei einer Rede in Greenville, North Carolina. Seine rassistischen Angriffe auf vier demokratische Abgeordnete wurden weltweit scharf kritisert. (imago/ Travis Long)
Anja Reinhardt: Wir haben in dieser Woche schon über Donald Trumps rassistische Äußerungen demokratischen Abgeordneten gegenüber gesprochen. Neu ist diese Haltung des US-Präsidenten nicht, sein Wahlkampf war geprägt davon, alle Mexikaner grundsätzlich als kriminell einzustufen, der schwarzen Bevölkerung vorzuwerfen, sie respektiere "unsere großartigen Polizisten" nicht. Und andererseits distanziert er sich nicht klar von Rechtsextremen, wie denen, die in Charlottesville vor zwei Jahren aufmarschierten.
Donald Trump bedient die Ideologie der White Supremacy, der weißen Vorherrschaft. Darüber habe ich mit dem Amerikahistoriker Simon Wendt gesprochen, der sich mit der Geschichte des Rassismus in den USA beschäftigt hat. Bedient Donald Trump die Ideologie der White Supremacy?
Simon Wendt: Auf jeden Fall, denn White Supremacy ist ja ein Konzept, das erstmals um 1900 herum entstand und ist letztendlich politisierter Rassismus. Das heißt, es geht hier vor allem darum, die politische Macht und den politischen Einfluss von Minoritäten zu verhindern. Und das ist genau das, was Donald Trump versucht zu tun.
Reinhardt: Woher kommt dieser Begriff eigentlich der White Supremacy? Also Rassenideologie, die gab es ja in Europa auch schon, aber das ist ja doch noch mal ein bisschen spezifischer hier die White Supremacy.
Wendt: Das ist richtig. Rassismus natürlich gibt es schon lange, letztendlich gehen die Wurzeln ins 16. Jahrhundert zurück. Und es war genau die Aufklärung, die interessanterweise zu rassistischen Ideologien führte, nämlich aufgrund der Tatsache, dass es hier erstmal um Menschenrechte ging, und wenn also alle Menschen gleich sind, muss man natürlich Erklärungen finden, warum es doch Hierarchien gibt, wie zum Beispiel die Sklaverei.
"White Supremacy entstand nach der Sklavenbefreiung"
Aber der Begriff White Supremacy entstand tatsächlich erst nach dem Bürgerkrieg, das heißt also nach der Sklavenbefreiung und nach der sogenannte Renconstruction, also der Wiederaufbauphase nach dem Bürgerkrieg. Und während dieser Phase bekamen speziell Afroamerikanerinnen, Afroamerikaner neue Rechte zugesprochen, das Wahlrecht zum Beispiel. Und es war tatsächlich danach, nach dieser Phase im späten 19. Jahrhundert, dass der Begriff White Supremacy erstmals verwendet wurde und vor allem oft verwendet wurde.
Reinhardt: Weil die Weißen Angst hatten, dass sie ihre Vorherrschaft verlieren, musste man das sozusagen dann in Worte fassen?
Wendt: Richtig. Es ging darum, dass viele weiße Amerikanerinnen und Amerikaner fürchteten, ihre Vorherrschaft zu verlieren. Und deswegen wurde der Begriff "Weiße Vorherrschaft", White Supremacy praktisch zum Motto, um die politische Macht und den politischen Einfluss nicht nur Afroamerikanern, sondern auch von Einwanderern zu beschneiden.
White Nationalism
Reinhardt: Kommen wir noch mal auf Donald Trump zurück, Simon Wendt. Denn Donald Trump hat zum Beispiel damals, als Barack Obama für das Amt des amerikanischen Präsidenten im Wahlkampf war, schon Barack Obama eigentlich die Möglichkeit überhaupt abgesprochen, Präsident zu werden, weil er das Gerücht auch mitbedient hat, dass Obama gar nicht in den USA geboren wurde. Inwiefern spielt das auch in diese White-Supremacy-Ideologie hinein?
Wendt: Ich denke, das ist ein sehr wichtiger Faktor, weil es hier natürlich um Nationalismus geht. Ein weiterer Begriff, der jetzt immer wieder verwendet wird, ist White Nationalism. Das heißt also Nationalismus, der sich speziell auf die Vorherrschaft der weißen Amerikaner konzentriert. Und Donald Trump bedient genau diesen weißen Nationalismus. Es geht also darum, ein "Us Versus Them" zu entwerfen, eine Kategorie, in der es heißt, alle Menschen, die nicht weiß sind, gehören eigentlich nicht zur Nation dazu.
"Bürgerrechtsbewegung mitverantwortlich für extreme Polarisierung"
Reinhardt: Ich kann mich erinnern, dass es in den 60er-Jahren unter Bobby Kennedy doch eine große Kampagne gab, die versucht hat – das war ja auch schon nach der Bürgerrechtsbewegung oder mitten in der Bürgerrechtsbewegung – Schwarze und Weiß anzunähern. Ist davon überhaupt nichts übriggeblieben?
Wendt: Nun ja, man kann sich auch fragen, inwiefern diese Annäherung tatsächlich damals auch stattgefunden hat. Grundsätzlich würde ich argumentieren, dass die Bürgerrechtsbewegung mitverantwortlich war für die extreme Polarisierung, die wir heutzutage sehen. Nämlich aufgrund der Tatsache, dass Minderheiten natürlich mehr Rechte und mehr Einfluss zugesprochen wurde und viele weiße Menschen damals wie heute damit nicht einverstanden sind und glauben, dass ihre eigenen Rechte und ihre eigenen Privilegien dadurch beschnitten werden.
"Das macht vielen weißen Amerikanern Angst"
Reinhardt: Also passiert im Grunde genommen genau das gleiche noch mal wie nach dem Ende der Sklaverei, also der Mechanismus?
Wendt: Ja, also tatsächlich würde ich Parallelen ziehen wollen zwischen der Jahrhundertwende, also 1900, und dem Übergang vom 20. zum 21. Jahrhundert. Denn in beiden Phasen hatten wir zum einen mehr Rechte und mehr Einfluss von Afroamerikanern und anderen Minderheiten in den USA. Gleichzeitig hatten wir auch eine große Einwanderungswelle. Es geht also darum, dass sowohl um 1900 als auch um 2000 eine Faktenlage entstanden ist, in der nicht nur Minderheiten größeren Einfluss hatten, sondern auch ein großer Einfluss von Einwanderern zu spüren ist in den USA. Damals, um 1900, waren das Menschen aus Osteuropa und Südeuropa, heutzutage speziell aus Lateinamerika. Und das tatsächlich macht vielen weißen Amerikanern Angst. Sie glauben nicht nur, dass ihnen Jobs weggenommen werden, sondern dass die weiße amerikanische Kultur dadurch zurückgedrängt wird.
Reinhardt: Der amerikanische Künstler Arthur Jafa hat – das ist noch nicht so lange her – gesagt, es ginge nicht darum, das Schwarzsein abzuschaffen, sondern das Weißsein abzuschaffen, weil weiß immer gleich bedeuten würde, dass man nicht schwarz sei, also dass Weißsein beruht eigentlich auf der Abwesenheit von irgendetwas. Würden Sie dem zustimmen?
Wendt: Ja, das ist eine sehr wichtige Argumentation, die man speziell unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern heutzutage sehr oft hört. Es geht nämlich darum, dass Weißsein immer die Norm war. Das heißt also, alles andere, was nicht weiß ist, ist nicht die Norm. Und das letztendlich ist, was Donald Trump versucht hier mit seiner Basis und seinen Wählern zum großen Motto zu machen. Und es ist insofern gefährlich, weil natürlich die Idee der multikulturellen Gesellschaft dadurch vollkommen zurückgedrängt wird.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.