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"Wichtige Weichen gestellt"

Unionsfraktionsvize Ilse Falk hält die von der Koalition beschlossene weitere Bedarfsermittlung vor einer Entscheidung über zusätzliche Krippenplätze für gerechtfertigt. Das sei kein Schritt zurück, sondern zunächst werde mit Hilfe der Länder der Status quo ermittelt, sagte die CDU-Politikerin.

Moderation: Silvia Engels | 06.03.2007
    Silvia Engels: Bis in die Nacht hinein verhandelten gestern die Koalitionäre von SPD, CDU und CSU in Berlin. Ein greifbarer weit reichender Beschluss zu den Streitthemen Kinderbetreuung, Bleiberecht für Ausländer oder Mindestlohn blieb aus. Trotzdem bemühen sich alle Beteiligten heute Morgen, die Bewegungen, die es in der Nacht in der einen oder anderen Frage gegeben hat, als Teilerfolg für die eigene Seite zu verbuchen.

    Ein Thema aus den Themen des Koalitionsausschusses wollen wir noch einmal speziell herausgreifen, das Thema Kinderbetreuung für unter Dreijährige. Hier hat der Koalitionsausschuss zunächst einmal die schon unter Rot-Grün beschlossene Regelung begrüßt, bis 2010 die Betreuungsplätze um 230.000 auf insgesamt eine halbe Million auszubauen. Ob weiter ausgebaut wird, das sollen also erst mal die Länder klären, indem sie ihren Bedarf ermitteln.

    Am Telefon ist nun zugeschaltet Ilse Falk. Sie ist stellvertretende Vorsitzende der Unionsbundestagsfraktion und zuständig für Familienfragen. Guten Tag, Frau Falk!

    Ilse Falk: Guten Tag, Frau Engels!

    Engels: Ihre Ministerin Frau von der Leyen hat ja schon vor Monaten klar und deutlich gesagt, bis 2013 wolle man insgesamt 750.000 Krippenplätze haben. Wieso geht man nun einen Schritt zurück und ermittelt noch mal den Bedarf?

    Falk: Nein. Man geht keinen Schritt zurück, sondern Frau von der Leyen hat ja eine Zielzahl genannt, eine Zahl, die sich orientiert an den Erfahrungen anderer europäischer Länder, wo man weiß, dass in etwa mit einem Drittel an Krippenplätzen für Kinder unter drei Jahren gerechnet werden muss. Die Zahl entspricht bei uns 750.000 Plätzen. Und nun geht es darum, dieses Ziel zusammenzufügen mit dem, was bisher schon auf den Weg gebracht worden ist. Dafür sind gestern Abend, denke ich, wichtige Weichen gestellt worden.

    Engels: Nun gewinnt man aber doch den Eindruck, das Tempo, das Frau von der Leyen da angeschlagen hatte, das gehen nicht alle mit, auch bei der Union zum Teil aus inhaltlichen Gründen nicht mit. Jetzt also erst wieder eine Länderkonferenz, sollte man vielleicht nicht einfach einmal anfangen?

    Falk: Man hat ja längst angefangen, und insofern, ich bin eigentlich ganz froh, dass jetzt wieder nicht Ruhe da reinkommt, sondern einfach die praktische Umsetzung viel stärker ins Auge gefasst wird als die theoretische Diskussion. Dazu gehört, dass zunächst bei den Ländern herausgefunden wird, wo stehen wir eigentlich? Wir haben das ja im Koalitionsvertrag und seit 2005 wird über das Tagesbetreuungsausbaugesetz ja auch ein forcierter Ausbau von Krippenplätzen vorgenommen. Im Koalitionsvertrag steht die dann auch in Gesetz gefasste Zielvereinbarung, 230.000 zusätzliche Plätze zu schaffen bis 2010. Dann wären wir bei 500.000. Und die weitere Etappe noch mal 250.000, dazu brauchen wir Erkenntnisse der Länder: Wie viele Plätze werden eigentlich tatsächlich nachgefragt? Ist Deutschland dort völlig vergleichbar mit anderen Ländern, oder muss es viel schneller gehen? Das sind wichtige Grundlagen, ob das Tempo jetzt ausreicht oder nicht.

    Engels: Ausbau der Kinderbetreuung bis 2010 beziehungsweise bis 2013, das sind ja die Eckdaten, über die gesprochen wird. Also reden wir über zu betreuende Kinder, die noch gar nicht geboren sind. Wie wollen Sie denn da den Bedarf schätzen?

    Falk: Man kann das einmal daran orientieren, wie heute die Nachfrage ist. Und wir wissen, dass zum Beispiel in Städten eine sehr viel größere Nachfrage ist und im Westen Deutschlands da erheblicher Nachholbedarf besteht. Im ländlichen Bereich ist in aller Regel die Nachfrage nicht ganz so groß, weil da noch andere Familienstrukturen vorherrschen. Insofern ist das schon wichtig, das, was heute an Erkenntnissen vorliegt, auch tatsächlich verfügbar zu machen.

    Engels: Vielleicht entscheiden sich aber junge Paare auch gerade dann erst überhaupt für ein Kind, wenn sie sicher sein können, dass es auch einen Krippenplatz bekommen wird. Wollen Sie da keinen Anreiz setzen?

    Falk: Doch, natürlich. Wir wissen ja, dass sich Gesellschaft heftig auch verändert hat in den vergangenen Jahrzehnten und Jahren, dass immer mehr Mütter gerne weiter arbeiten wollen auch nach der Geburt eines Kindes. Das war ja schließlich auch eine Argumentation, als wir das Elterngeldgesetz diskutiert haben und dann verabschiedet haben. Da haben wir immer auch dafür gekämpft, dass die Realität in den Blick genommen wird, nämlich Mütter in aller Regel bis zur Geburt mindestens des ersten Kindes erwerbstätig sind und danach eben dann auch die Vorstellung haben, recht bald wieder Arbeit aufzunehmen. Die haben wir schon im Blick. Und das muss auch mit in die Betrachtung einbezogen werden, wenn es darum geht, einmal nachgefragten Bedarf und vermuteten Bedarf zu ermitteln, der dazu führen könnte, wie Sie es sagen, Eltern zu veranlassen, ihren Kinderwunsch zu verwirklichen.

    Engels: Nun lehrt ja die Erfahrung, wenn man noch Arbeitsgruppen einsetzt und weitere Konferenzen veranstaltet, dann verzögert sich ein Prozess immer nach hinten. Was sagen Sie denn nun den ungeduldigen Eltern? Bleiben Sie noch im Zeitplan, dass Sie in wenigen Wochen tatsächlich ein Finanzierungskonzept infolge dieser Bedarfsschätzung vorlegen können?

    Falk: Ich würde ungeduldigen Eltern sagen, wendet euch an euere Kommunen und sagt, ihr wartet auf einen Platz und macht möglicherweise, wenn noch keine Kinder da sind oder das Kind noch nicht geboren ist, wir machen unsere Entscheidungen davon abhängig. Nehmt uns mit auf in euere Berechnung der Bedarfsermittlung.

    Engels: Ilse Falk war das. Sie ist Unionsfraktionsvize und zuständig für die Familienpolitik. Ich bedanke mich für das Gespräch.

    Falk: Bitte schön!