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Wichtiger psychologischer Erfolg für die USA

Der Tod von bin Laden spielt US-Präsident Obama vor Beginn des Wahlkampfs sehr in die Hände, sagt Citha Maaß von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Sie warnt aber, dass zu laute "Triumphtöne" radikale Gruppen zu Racheakten treiben könnten.

Moderation: Christian Bremkamp | 02.05.2011
    Christian Bremkamp: Der Gerechtigkeit ist Genüge getan worden. Mit diesen Worten verkündete US-Präsident Barack Obama den Tod von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden. Amerikanische Spezialkräfte spürten den meist gesuchten Mann der Welt in einem Versteck in Pakistan auf, wo er bei einer Kommandoaktion durch einen Kopfschuss ums Leben kam.

    Der Terroristenführer Osama bin Laden ist tot. Vor allem aus westlichen Hauptstädten, wie wir in dieser Sendung bereits gehört haben, ist große Erleichterung und Zustimmung zu vernehmen. Wie sieht das aber in der islamischen Welt aus? Darüber möchte ich nun mit Citha Maaß von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin sprechen. Guten Tag, Frau Maaß.

    Citha Maaß: Guten Tag, Herr Bremkamp.

    Bremkamp: Jubel in Washington, breite Unterstützung in anderen westlichen Hauptstädten. Welche Bedeutung hat der Tod bin Ladens aber für islamisch geprägte Länder?

    Maaß: Die islamische Welt ist eine sehr heterogene. Das haben uns die Entwicklungen in den letzten Monaten seit Anfang des Jahres gezeigt: Tunesien, Ägypten, aber auch zum Beispiel Bahrain, ein Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten, der dann brutal niedergeschlagen wurde mit saudischen Truppen. Das heißt, die Reaktion in "der islamischen Welt" - in Anführungsstrichen - wird sehr unterschiedlich sein. In keinem Fall rechne ich mit einem Freudentaumel, wie jetzt also in den USA, sondern wahrscheinlich eher mit einer zwiespältigen gedämpften Reaktion.

    Die große Mehrheit von Muslimen jetzt in dieser sehr heterogenen islamischen Welt ist gegen Gewalt. Deswegen werden sie möglicherweise erleichtert sein, sie werden aber ihre Erleichterung nicht offen zeigen. Zu befürchten ist, dass ein kleiner radikaler Kern, der im Islam vorhanden ist, der aber durchaus auch im Christentum bei manchen radikalen Sekten zu sehen ist, dass der meint, sie müssten jetzt für den Tod oder die Tötung der Ikone Osama bin Laden Rache nehmen. Das dürfte aber nicht die große Mehrheit in der islamischen Welt widerspiegeln.

    Bremkamp: Der frühere US-Präsident George W. Bush spricht heute von einem Sieg für Amerika. Könnte solch ein Auftreten in einigen Staaten als Demütigung empfunden werden?

    Maaß: Ja. Genau das ist der Punkt, das halte ich für nicht sehr geschickt, dass man so den Triumph zeigt, weil das an die Ehre von Gesellschaften geht, die sehr stark durch diesen Ehrbegriff geprägt sind. Ich habe jetzt extra den Islam nicht primär genannt, weil das nicht eine islamische Eigenschaft ist, sondern es sind Gesellschaften, die durch eine Ehre sich verstehen, also ein kultureller Wert und nicht unbedingt ein religiöser.

    Und damit wird natürlich der Grundkonflikt, die überlegenen USA, die eben in einer klinisch sauberen Operation jemand töten, in einem Land, in dem sie eigentlich militärisch nicht unbedingt berechtigt sind, solche Aktionen durchzuführen, das wird natürlich genau diesen Radikalen innerhalb der islamischen Welt in die Hände spielen. Deswegen sollte man diese Triumphtöne vermeiden.

    Bremkamp: Kommen wir nach Pakistan, dort wo bin Laden aufgespürt und getötet wurde. Welche Folgen wird diese Aktion für das Land haben, speziell für die Regierung?

    Maaß: Ich kann das natürlich jetzt nicht beurteilen, aber darum habe ich diesen Ausdruck "klinisch sauber" gebracht, Kopfschuss. Mein Eindruck ist fast, auch wenn der pakistanische Geheimdienst behauptet, nicht informiert gewesen zu sein, ich könnte mir durchaus vorstellen, dass der Armeechef, General Kayani, informiert war und den Amerikanern signalisiert hat, okay, wir geben Osama bin Laden zum Abschuss frei, weil es jetzt Auswirkungen dann auf den politischen Prozess mit Afghanistan hat, also diesen Übergabeprozess, wenn auf die Art stärker pakistanische Interessen in Afghanistan beim Übergabeprozess berücksichtigt werden, dass da möglicherweise doch im Hintergrund ein Kontakt bestanden hat.

    Es war ja heute auch auffällig, dass man sich auf pakistanischer Regierungsseite sehr zurückgehalten hat und sogar nachher auch eine Beteiligung an dieser direkten Operation abgestritten hat. Man versucht wahrscheinlich, sich wegzuducken, dass es nicht zu größeren Demonstrationen in Pakistan kommt, weil in Teilen der pakistanischen Gesellschaft, nicht in der gesamten Gesellschaft, aber in Teilen sind eben sehr radikal-militante Strömungen, und denen möchte man natürlich keinen Auftrieb geben und auch nicht, dass sie sich jetzt zu Racheakten bemüßigt fühlen.

    Bremkamp: Generell, Frau Maaß, waren Sie erstaunt, als Sie das heute Morgen gehört haben? Die USA hatten Pakistan schließlich immer wieder beschuldigt, nicht genug gegen Terroristen zu tun. Nun diese Aktion, diese erfolgreiche.

    Maaß: Ich habe mich die letzten Jahre, was die politische Analyse der Gesamtregion anbelangt, nicht darum gekümmert, ob Osama bin Laden noch am Leben ist oder nicht. Mein persönlicher Eindruck ist, dass er eine Ikone war, dass er aber für die konkreten Operationen von Al Kaida keine große Rolle mehr gespielt hat. Deswegen war es egal, ob er noch am leben war oder nicht.

    Dass natürlich bestimmte militante Aktionen von pakistanischer Seite geplant und dann auf afghanischer Seite ausgeführt werden, das ist natürlich seit langem bekannt. Dass auch pakistanische Interessen dahinter stehen, die dann in einem politischen Prozess, wenn man eben in Afghanistan, den Übergabeprozess vorantreiben will, teilweise berücksichtigt werden müssen, ist jetzt eine realpolitische Einsicht. Insofern war ich etwas irritiert.

    Ich habe eigentlich eher die Verbindung gesehen zur innenpolitischen Lage in den USA, denn Präsident Obama hat ja jetzt mit seinem Wahlkampf für seine Wiederwahl im November nächsten Jahres begonnen und da passt ihm so eine Erfolgsmeldung natürlich sehr gut in das Konzept, weil er ja auch innenpolitisch unter Druck geraten war. Und außerdem ist ein anderer wichtiger Punkt: Am 1. Juli diesen Jahres wollen die Amerikaner ja mit einem Teilrückzug der militärischen Truppen aus Afghanistan beginnen. Und diesen Beginn können sie natürlich nur legitimieren, wenn jetzt Erfolge eingetreten sind.

    Und diese Tötung von Osama bin Laden - ob er es nun war oder nicht, ist jetzt weniger relevant -, die kann man natürlich jetzt als ganz wichtigen psychologischen Erfolg für die amerikanische Bevölkerung darstellen. Das ist sie ja auch, denn damit ist das Trauma vom September 2001 wieder gutgemacht worden, das Trauma deswegen, weil sich eben Amerika für unverletzbar auf eigenem Territorium gehalten hat. Also es spielt Präsident Obama sehr in die Hände.

    Bremkamp: Citha Maaß von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Ganz herzlichen Dank für diese Einschätzungen.

    Maaß: Auf Wiederhören!