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Wie aktuell ist Videokunst?

Die Berliner Kunstwerke sind ein Ausstellungshaus, das überregional besonders durch die RAF-Ausstellung oder die Übernahme der Wehrmachtsausstellung bekannt wurde und das sich zunehmend als Ort politischer Auseinandersetzung etablieren will. Während der Berlinale gibt es in diesem Jahr erstmals eine Zusammenarbeit zwischen den Kunstwerken und dem Forum des Internationalen Films. Unter dem Titel "Forum expanded" wird eine Auswahl an Film-, Video- und Rauminstallationen gezeigt, die sich an der Schnittstelle zwischen Kino und Installationskunst bewegen.

Von Carsten Probst | 10.02.2006
    Am Ende ist dann doch eher alles ein Versuch: Wer erwartet hatte, die Berlinale würde sich ganz nebenbei nun auch zu einem Forum der aktuellen Videokunst entwickeln, sieht sich zumindest graduell getäuscht. Die insgesamt neun filmischen und installativen Arbeiten, die das Internationale Forum des Jungen Films dieses Jahr zusätzlich in sein Programm aufgenommen hat, erweitern zwar durchaus die bisherigen Grenzen des Festivals. Allein von einer wirklich aktuellen oder gar einer Überblicksschau über den Stand der Dinge lässt sich dabei schwerlich sprechen.

    Stefanie Schulte Strathaus vom Auswahlteam des Forums erklärt auch unumwunden, dass es erst einmal wochenlange Debatten um die Auswahlkriterien gegeben habe. Man will zunächst keine völlig neue Sektion zum Thema Videokunst aufmachen, sondern der traditionell politische, irgendwo zwischen Dokudrama und Experimentalfilm changierende Charakter des Internationalen Forums soll gewahrt bleiben.

    Zu größeren Teilen konzentriert sich die Videokunst auf der Berlinale deshalb erst einmal gleichsam auf die zweiten Standbeine von klassischen Filmautoren, die bisher schon auch im Filmforum vertreten waren, nebenbei jedoch auch Rechercheprojekte auf Video verfolgen.

    Das betrifft insbesondere die größte und prominenteste Videoinstallation, die in den Kunstwerken an der Auguststraße zu sehen ist. Der israelische Filmemacher Amos Gitai war in den achtziger und neunziger Jahren immer wieder Gast mit seinen Dokumentarfilmen aus dem Mittleren Osten Filmen beim Internationalen Forum des Jungen Films. Auch diesmal ist er zunächst als Filmemacher im Forum-Programm vertreten, doch nebenbei zeigt er auf 21 Monitoren in den Kunstwerken Ausschnitte von Recherchen und Befragungen aus 25 Jahren, die während der langjährigen Arbeit an seiner "House"-Trilogie in Israel entstanden sind.

    Hier von einem wirklich avancierten Videokunstprojekt zu sprechen, wäre ein wenig übertrieben, weil die ästhetischen Vorgaben dann letztlich doch auf das Sammeln und arrangieren von Materialschnipseln beschränkt, und auch wenn Gitai die Interaktivität seiner Installation betont, weil sich der Zuschauer zwischen den Monitoren bewegen und seine subjektive Montage der Bilder dabei herstellen soll, fühlt man sich doch eher an die achtziger neunziger Jahre erinnert, in denen die Verwendung von Bildschirmen als Botschaft schon ausreichte.

    Letztlich bleibt der Eindruck inhaltlich und auch formal weit hinter Gitais eindrucksvollen Filmen zurück, in denen er sich in den letzten Jahrzehnten immer wieder dem Selbstverständnis Israels und dem Verhältnis zu den Palästinensern gewidmet hat.

    Nicht viel anders ist es mit den kleineren, intimeren Arbeiten von Harun Farocki und Matthew Buckingham, die in den Kunstwerken laufen, auch wenn es sich hier tatsächlich um genuine Videoinstallationen handelt. Farocki ist mit einer Art experimentellen Lehrstück um die Schaffung imaginärer Räume im Stummfilm zu sehen, und ähnlich geschichtsdidaktisch, wenngleich durchaus erheiternd, kommt die junge Amerikanerin Amie Siegel daher, die die Berliner Schauplätze alter Defa-Spielfilme aufgesucht hat und in einer Doppelprojektion ihrem heutigen Aussehen gegenüberstellt.

    Zur Eröffnung des Forums im Kino Arsenal gibt es einen Film von Musiker und Filmemacher Michael Snow zu sehen - ebenfalls ein alter Bekannter auf dem Berlinale Forum. Snow erzählt in seinem Beitrag eine filmische Kurzgeschichte von etwa anderthalb Minuten Länge, die er jedoch in Form von Wiederholungsschleifen, sogenannten Loops, insgesamt zwölf Mal hintereinander abspielt, wobei sich immer neue Verfremdungseffekte der Geschichte ergeben. Der Grund für die Präsentation dieses Werkes sieht man indes allein in der Vermutung, dass Besucher von Ausstellungen meist keine Geduld mitbringen, sich zwanzig Minuten lang sämtliche dieser Loops anzuschauen - Kinobesucher hingegen schon.

    Das mutet dann fast schon ein wenig wie eine kleine Hilfe für zu wenig beachtete Erzeugnisse alter Freunde an.

    Der Rest ist ein bisschen Museum: Neben erzählerischen Künstlerfilmen wie von Sharon Lockhart ist der Altmeister des minimalistischen Films Ken Jacobs vertreten, der seit geraumer Zeit das Phänomen des "Flickers", also eines gesteuerten Bildflimmerns erforscht. Meggie Schneiders Installationen begleiten die Berlinale schon länger - dieses Jahr hat sie im Atrium am Potsdamer Platz einen echten "Hobbykeller" eingerichtet, in den auch Videoarbeiten aus der Amateurszene zu sehen sein werden.

    Alles in allem präsentiert sich das Forum mit seiner sogenannten Videokunst-Sparte also überaus vorsichtig, um nicht zu sagen: auf das Gestrige beschränkt. Aber angeblich soll nächstes Jahr schon alles viel besser werden.