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Wie chinesische Unternehmen den Weltmarkt erobern

Chinesische Unternehmen engagieren sich weltweit. Die eigenen Banken unterstützen sie dabei großzügig. Dort, wo chinesische Firmen aktiv sind, bieten sie ihren Partnern Infrastrukturprojekte an - gegen die fast exklusive Nutzung von Ressourcen und Rohstoffen.

Von Silke Ballweg | 03.06.2013
    Venezuela, Kongo oder Peru. Seit Jahren investieren chinesische Unternehmen in aller Welt. Vor allem rohstoffreiche Länder sind für die Volksrepublik interessant. Denn um seinen rasanten Aufstieg zur Industrienation fortsetzen zu können, ist das Reich der Mitte auf Ressourcen und Energie aus dem Ausland angewiesen. Darüber wird regelmäßig berichtet, doch eine umfassende Studie gab es bislang nicht. Die Journalisten Juan Pablo Cardenal und Heriberto Araunjo schließen nun diese Lücke. Für ihr Buch "China`s Silent Army" haben die Spanier zwei Jahre lang recherchiert. Sie sind in 25 Länder gereist, haben Projekte besucht und mit Betroffenen geredet. Ihr Ergebnis: Peking geht fast überall nach demselben Muster vor, so Juan Pablo Cardenal:

    "Tatsache ist, dass viele chinesische Staatsunternehmen ins Ausland gehen, um Chinas strategische Bedürfnisse zu bedienen, weil das Land nur so seinen Rohstoffbedarf decken kann. Der Grund, warum sie das tun können, sind die beinahe unbegrenzten finanziellen Möglichkeiten der chinesischen Unternehmen, die von den eigenen Staatsbanken unterstützt werden."

    Die Autoren legen keine trockene Analyse vor, sondern nehmen den Leser mit in die Projekte vor Ort. Dank hartnäckiger Recherche liefern sie seltene, direkte Einblicke. Sie schildern den Dreck und Staub der Jademinen in Myanmar, sie berichten vom Abholzen sibirischer Wälder, vom Bau gigantischer und oft nutzloser Sportstadien in afrikanischen Ländern. Gespräche mit Arbeitern, Politikern und Geschäftsleuten flankieren die Beschreibungen. Beim Lesen schält sich das Muster heraus: Chinesische Firmen geben den Entwicklungsländern großzügige Kredite, aber nicht nur das:

    "Sie bieten auch Infrastrukturprojekte à la carte an. Und so ist China ein gern gesehener Partner. Denn noch dazu setzt es sich in Gremien wie dem UN-Sicherheitsrat für diese oftmals politisch problematischen Länder ein."

    "Die chinesischen Projekte sind alles andere als unumstritten"
    Berührungsängste mit autoritären Staaten plagen Peking dabei offenbar nicht. Ganz im Gegenteil: China scheint die wirtschaftliche Isolation bestimmter Länder bewusst auszunutzen. Beispiel Iran: Firmen aus dem Reich der Mitte haben sofort die Freiräume besetzt, als sich westliche Unternehmen wegen der Sanktionspolitik zurückziehen mussten. Nun ist China der größte Handelspartner des Iran. Millionen Barrel Öl fließen von Teheran aus in Richtung Peking. Auch dem Sudan hat sich die Volksrepublik angedient, erläutert Juan Pablo Cardenal:

    "China hat eine Pipeline ans Meer gebaut, damit das geförderte Öl auf Schiffe verladen und exportiert werden kann. Chinesische Unternehmen haben weitere Ölprojekte mitfinanziert und außerdem hat China den Merowe Staudamm gebaut, den zweitgrößten Damm in Afrika."

    Für den Staudamm hatte Sudans Regierung jahrelang vergeblich nach Investoren gesucht. Niemand wollte sich an dem umstrittenen Projekt beteiligen. Auch hier wischte Peking die Bedenken von Experten beiseite und finanzierte den Bau.

    "Niemand weiß allerdings, wie teuer das Projekt war und es gibt Befürchtungen, dass viel Korruption im Spiel war. Außerdem hat man 80 bis 90 000 Menschen umgesiedelt, die meisten von ihnen leben jetzt in bitterer Armut. Die chinesischen Projekte sind also alles andere als unumstritten. Einerseits fördern sie in bestimmten Ländern die heimische Wirtschaft, gleichzeitig aber gibt es negative Auswirkungen. Und das zusammengenommen ist recht beunruhigend."

    Den Autoren zufolge ist China in insgesamt 66 Ländern an über 300 Staudammprojekten beteiligt. Fast immer lautet die Übereinkunft: Peking stellt Geld bereit und erhält dafür das Recht, Öl- und Rohstoffe zu exportieren. Cardenal und Araujo klagen China jedoch nicht an. Vielmehr tragen sie Beispiele zusammen und liefern Daten und Fakten, die bislang so gebündelt nicht vorhanden waren. Besonders stark sind die Autoren, wenn sie nah an den Menschen vor Ort sind. In vielen Ländern schimpfen die Arbeiter etwa über schlechte Bedingungen, sie ärgern sich, dass sie oft nicht den vereinbarten Lohn bekommen, dass man ihnen altes und muffiges Essen vorsetzt.

    "Viele Arbeiter glauben, dass es den Chinesen nur um den eigenen Vorteil geht. Das gibt der Bevölkerung das Gefühl, dass sie nichts von den chinesischen Projekten haben. Viele fühlen sich von den Chinesen ausgenutzt und sogar über den Tisch gezogen."

    Die beiden Spanier zeigen mit ihrer Publikation jene Welten, die Chinas gigantische Wachstumsraten überhaupt erst möglich machen. Sie bringen neo-koloniale Strukturen zum Vorschein. Davon allerdings bekommen die meisten Bürger in China nichts mit. Denn unabhängige NGOs gibt es so gut wie nicht, und die staatlich gelenkten Medien berichten hauptsächlich von der Dankbarkeit der Entwicklungsländer. Es war deswegen äußerst ungewöhnlich, dass ein Mitglied einer chinesischen Staatsbank vor zwei Jahren öffentlich Kritik äußerte. Auch der mittlerweile aus dem Amt geschiedene Ministerpräsident Wen Jiaobao schlug vor ein paar Wochen selbstkritische Töne an. China müsse mehr für den Umweltschutz tun und sein Wachstum drosseln, sagte der Spitzenfunktionär beim Volkskongress in Peking. In Chinas Provinzen aber scheinen diese Äußerungen auf taube Ohren zu stoßen. Denn um die Regionen weiter zu entwickeln, setzen die dortigen Kader auf weiteres schnelles Wachstum und auf Großprojekte. Und das heißt: China ist auch weiterhin auf die Rohstoffe aus den Entwicklungsländern angewiesen.

    Juan Pablo Cardenal/Heriberto Araujo: "China's Silent Army - The Pioneers, Traders, Fixers and Workers - Who Are Remaking the World in Beijing's Image"
    Verlag Crown Publishing Group, 350 Seiten, 28,50 Euro