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Wie feiert München die Fußball-WM 2006?

Was eigentlich ist Fußball? Nur Sport? Nur Geldmaschine? Oder vielleicht gar Kultur? Letzteres wohl nicht, sonst bräuchte es zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland schließlich kein eigenes Kulturprogramm. Und wie es bei öffentlichen Kulturprogrammen so ist, dienen sie natürlich nicht in erster Linie der Kunst - sondern der Selbstdarstellung und -rechtfertigung. Der Fußballmetropole München zum Beispiel wurde vorgeworfen, sie drohe während der WM gegenüber Berlin kulturell ins Hintertreffen zu geraten. Die Münchner Kulturreferentin Lydia Hartl hat nun reagiert und erste eigene Pläne vorgestellt.

Von Susanne Lettenbauer | 15.03.2004
    "Wer nach München kommt, um die Fussballweltmeisterschaft zu sehen, wird sich wahrscheinlich nur am Rande für kulturelle Aktivitäten interessieren", davon geht Münchens Kulturreferentin Lydia Hartl gleich am Anfang ihres Programmpapiers aus. Fussballfans sind eben nur jene, die ihrer eigenen, der Trinkkultur auf dem scheinbar zu erwartenden vorgezogenen Oktoberfest frönen werden. Kein Wunder, dass Lydia Hartl mit dieser Einstellung ein Kulturprogramm auf die Beine stellt, das nur wenig Spektakuläres, ja einige Fragezeichen bereithält.

    Fast hatte man nichts anderes erwartet in der kleinen Hinterstube, in die die Medienvertreter heute geladen wurden. Münchens Kulturreferat will 2006 auf Nummer sicher gehen. Auch die Fussballfans sollen verstehen, was Münchens Hoch-Kultur ihnen bieten möchte. Da fallen Projekte, wie sie Lydia Hartl gerne vorschlägt, z.B. dass Gehwegplatten unbemerkt die Strassenseite tauschen sollten, von vornherein weg. Die werden ja noch nicht mal vom Kulturausschuss verstanden und regelmässig abgelehnt. Also soll die zuverlässige Trinität Münchens Orchester, Münchens Theater und Münchens Kunstszene das Programm gestalten. Endlich: raunt es aus der dezimierten Münchner Kunstszene, die an der Magnetwirkung Berlins leidet. Ihr eifriges Angebot an Zeichnungen, Fotografien, Videos und Bildern zum Thema Fussball wendet sich aber genau an den wunden Punkt der Kulturreferentin. An die "Kunst im öffentlichen Raum", ein Förderprogramm der Landeshauptstadt, das Kenner in München als tot betrachten, seitdem etliche Millionen für die kommenden Jahre mangels Entscheidung von seiten Lydia Hartls verschenkt wurden.

    Abgesehen von der Finanzierung der Projekte, die in einem Monat entschieden wird, soll es aber auf jeden Fall einen "kulturellen Brückenschlag" von der Allianzarena hin zum Olympiapark und weiter zur Galerie im Rathaus geben. Ein Abstecher zum Lenbachhaus soll Arbeiten, vor allem Neuproduktionen eigens für die WM, zeigen. Das Ziel ist:

    ...nämlich ein Ausstellungsprojekt zu machen zu dem Thema, im weitesten Sinne Fabelwesen, bei denen ein kritischer Blick besonders exponierter Personen, die vielleicht auch gar nicht mehr leben, sondern auch im virtuellen Raum oder in der Sagenwelt existieren, stattfindet. Diese Ausstellung könnte auch einen kritischen Blick auf die Frage der Identität und der virtuellen Welten, auch wieder im Zusammenhang mit dem Weltmythos Fussball darstellen.

    Die mediale Präsenz der Landeshauptstadt München in erwarteten 40 Mrd. Fernsehzuschaltungen weltweit kann nach Meinung der Kulturreferentin eine Plattform abgeben für online nachvollziehbare Multimediaperformances. Zum Beispiel eine Verfremdung der Fernsehübertragung, die Überblendung von Berichterstattungen - eine aktive kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Fussball also. Lydia Hartl wäre nicht Professorin, würde sie diese Videoinstallationen nicht gleich verbinden mit einem beliebig anmutenden, interdisziplinär angelegten Wissenschaftsprojekt "Ein Spiel – viele Welten" unter besonderer Berücksichtigung von Mythen und Ikonen.

    Von den Münchner Theatern haben sich die Kammerspiele bereiterklärt, die Stuttgarter Produktion "I Furiosi – Die Wütenden" von Sebastian Nübling zu zeigen. Ein ironischer Zug ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Denkbar ist gemäss Lydia Hartl auch die vor Jahren vom Ensembles Piano Possibile gezeigten musikalischen Live-Improvisationen zu medial übertragenen Fussballspielen zu wiederholen. Vielleicht im Münchner Stadtmuseum in der Ausstellung "Geschichte der Münchner Fussballvereine"?

    Ob sich dazu noch die drei Spitzenorchester Münchens, Münchner Philharmoniker, Bayrisches Staatsorchester und das Bayrische Rundfunkorchester wirklich unter Licht- und Lasergefunkel zu einem überzeugenden Triumvirat zusammenspannen lassen nach dem Vorbild der Drei Tenöre zur WM von Rom, lässt sich nach der heutigen gleichgültigen Präsentation bezweifeln.
    Vielleicht sind die Vorschläge aus dem Münchner Kulturreferat auch noch zu unausgegoren, überzeugen konnten sie heute auf jeden Fall nicht. Oder soll das ganze Programm einfach eine Überraschung sein für das Fuss(ball)volk in 2 Jahren?

    Was wir jetzt vorschlagen sind Dinge, die wir realisieren könnten, z.B ist es so, das bei den drei Orchestern zu einem bestimmten Termin die drei Chefdirigenten auch da sein müssten und Zeit haben sollten und all diese Dinge. Und das Gastspiel des Landestheaters Stuttgart müsste auch realisiert werden. All dies können wir jetzt, mit diesen vielen Vorarbeiten, die dazu notwendig sind, sagen, inhaltlich auch, aber mit ein bisschen was würden wir sehr gern noch überraschen.