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Wie geht es weiter in der CSU?

    Müller: In München sind wir nun verbunden mit dem CSU-Fraktionschef im bayerischen Landtag, Alois Glück. Guten Morgen!

    Glück: Guten Morgen!

    Müller: Herr Glück, paßt Ihnen denn der Rücktritt von Theo Weigel?

    Glück: Das ist eine souveräne Entscheidung, wobei übrigens Theo Weigel nicht zurückgetreten ist. Das ist so nicht zutreffend. Er hat erklärt, daß er einen vorgezogenen Parteitag vorschlägt und dann nicht wieder kandidiert. Er ist weiter im Amt, genauso wie Bernd Protzner, und es wird einen sehr geordneten Übergang geben ohne jede Hektik.

    Müller: Wie haben Sie darauf reagiert? Waren Sie überrascht?

    Glück: Ich war nicht völlig überrascht, weil es natürlich im Bereich der Möglichkeiten lag, daß Theo Weigel für sich eine solche Konsequenz zieht, wenn wir die Wahl nicht gewinnen, und zwar nicht im Sinne des Sündenbocks und des Schuldeingeständnisses, sondern daß er auch noch einmal ein Stück andere Lebensplanung gestaltet nach zehn Jahren extremer Belastung, nach fast zehn Jahren als Bundesfinanzminister in einer historischen Zeit, mit einer insoweit fast historischen Rolle. Ich kann das insoweit ganz gut nachvollziehen, daß er sich dann gesagt hat, und jetzt nochmals einen neuen Abschnitt beginnen.

    Müller: Welche Gründe sehen Sie denn darüber hinaus für den Rücktritt oder für den Verzicht auf eine weitere Amtszeit von Weigel?

    Glück: Darüber hinaus, denke ich, gibt es nicht allzu viele Gründe. Natürlich ist es auch so, daß nach auch erheblichen Verlusten bei uns, obwohl wir uns vom Gesamttrend der CDU deutlich noch abkoppeln konnten, es immer eine Frage des politischen Signals ist, durch Personalentscheidungen dieser Art ein Stück immer wieder auch einen Neuanfang zu machen. Das war aber nicht von der Partei irgendwo aufgedrängt, sondern es war seine ganz persönliche Konsequenz. Was ihn im einzelnen sonst bewogen haben mag, politische oder private Gründe, das weiß ich nicht. Darüber haben wir im einzelnen bislang nicht geredet.

    Müller: Dennoch war ja Weigel als Parteichef in der Partei zumindest nicht unumstritten. Welche Fehler hat er denn gemacht?

    Glück: Keiner wird an dieser Stelle auf Dauer unumstritten sein. Das gibt es überhaupt nicht in einer Volkspartei mit dieser Bandbreite. Die CSU ist ja nicht ein monolitischer Block. Wir haben ja unsere Wahlergebnisse in Bayern und letztlich auch im Bund in dieser Größenordnung nur auf dem Hintergrund auch einer großen Bandbreite thematisch, programmatisch in den Personen, und das heißt, daß es natürlich in vielen Situationen und bei vielen Themen auch Minderheiten in der Partei gibt, denen dann eine Entscheidung nicht ganz so paßt. Jede Führungsperson würde auch hier immer wieder in Spannungen sein. Zu den ganz großen Leistungen von Theo Weigel aber zählt, daß er nach dem plötzlichen Tod von Franz-Josef Strauß diese Volkspartei CSU so zusammengehalten hat und weiterentwickelt hat.

    Müller: Wird Edmund Stoiber denn als potentieller Nachfolger ein stärkerer Parteichef werden?

    Glück: Er wird ein starker sein. Er wird gleichzeitig natürlich auch Konflikte in diesem Amt erleben. Es ist aber natürlich auch so, daß Edmund Stoiber die Parteiarbeit sehr, sehr gut kennt. Er war ja auch längere Zeit Generalsekretär. Ihm sind alle Faccetten dieses Amtes und der Partei und der Parteiorganisation bestens vertraut, und er hat sicher den Selbstbehauptungswillen und das Durchsetzungsvermögen, sich in der Partei und in der Vertretung der Linie der Partei nach außen gut zu behaupten.

    Müller: Besteht in der CSU denn nicht die Sorge, daß durch Edmund Stoiber als Parteichef und Ministerpräsident das Machtgewicht in der Partei sozusagen monopolisiert wird?

    Glück: Nein, es ist ein Fall der Klugheit der Parteiführung, daß natürlich die ganze Bandbreite der Aufgaben und der Arbeitsebenen auch durch die Parteiführung gesehen, verkörpert und vertreten wird, von der Kommunalpolitik über Landes- und Bundespolitik bis zu den europäischen Aufgaben. Sicher muß man darauf besonders achten, wenn der Parteivorsitz in der Landespolitik ist, daß damit gleichzeitig auch die bundespolitische Ausrichtung der CSU nicht zu kurz kommt.

    Müller: War Ihnen denn grundsätzlich eine Doppelspitze lieber?

    Glück: Das muß man immer aus der jeweiligen Situation entscheiden. Eine Doppelspitze hat einesteils den Vorteil, daß durch die Unterschiedlichkeit von zwei Personen auch die Bandbreite in der Partei besser verkörpert werden kann, nach innen und nach außen. Andererseits hat es natürlich immer auch ein Stück Reibungsverlust, immer wieder und in aller Regel mit zur Folge. In der gegenwärtigen Situation, meine ich, ist die vernünftigste und klarste Lösung, daß Edmund Stoiber den Vorsitz übernimmt.

    Müller: Wird dadurch die CSU-Politik noch effizienter und klarer?

    Glück: Ich glaube, daß die CSU-Politik immer effizient war.

    Müller: Herr Glück, Sie haben eben einen neuralgischen Punkt angesprochen. Mit Theo Weigel war ein CSU-Parteichef in Bonn, im Kabinett mit hohem Gewicht. Nun verlagert sich zunächst einmal, was das parteipolitische Machtgewicht anbetrifft, alles nach München. Wie kann die CSU ihren Einfluß in Bonn denn sichern?

    Glück: Edmund Stoiber hat sich ja schon in der Vergangenheit sehr, sehr stark bundespolitisch engagiert, und daß er bundesweit wahrgenommen wird, zeigen ja die diversen Umfragen, wo er in die oberste Spitzengruppe eingeordnet wird. Es wird wohl jetzt in der Union zwei Personen eine natürliche Führungsrolle zufallen. Das ist wohl im Bereich der CDU Wolfgang Schäuble, zunächst schon allein in seiner Funktion als Fraktionsvorsitzender, und auf der anderen Seite Edmund Stoiber: einerseits über den Bundesrat, der Ministerpräsident der Union mit einem aktuellen starken Wahlergebnis, und dann als Parteivorsitzender der CSU. Er wird dann sicher bundespolitisch sehr präsent sein. Er wird darüber hinaus sich in der nächsten Zeit ganz gewiss sehr stark der europäischen Thematik widmen, weil hier wichtige Entscheidungen anstehen in der Reform der Europäischen Union. Also daß die CSU durch ihren Vorsitzenden zu wenig bundespolitisch präsent sei, das braucht niemand zu befürchten oder zu hoffen.

    Müller: Ist denn nicht die Position der CSU-Fraktion zumindest in der Gemeinschaft der Unionsparteien geschwächt?

    Glück: Die ist im Gegenteil gestärkt, denn die CSU hat ja im Vergleich zur CDU sehr viel stärker abgeschnitten. Die Gesamtbilanz wäre noch dramatisch schlechter, wenn die CSU so abgeschnitten hätte wie die CDU. Viele in der CDU sehen gegenwärtig in der Politik der CSU inhaltlich und wie wir Politik gestalten eine Art Orientierung und ein Stück auch mit Hoffnungszeichen für die weitere Entwicklung in der CDU.

    Müller: Rechnen Sie, Herr Glück, auch mit weiteren personellen Veränderungen in der CSU-Fraktion in Bonn?

    Glück: Nein. Ich gehe davon aus, daß Michael Glos wieder gewählt wird als Landesgruppenvorsitzender, sofern die CSU-Gruppe ihre Entscheidungen so trifft, aber das soll keine Einmischung von außen sein. Ich sehe dort keine besonderen Veränderungen.

    Müller: Sprechen wir einmal ganz kurz über die Situation in der CDU. Dort hat es in der Vergangenheit immer wieder Kritik an Fraktionschef Schäuble gegeben. Der soll nun auch Parteichef werden. Wie stark angespannt ist denn das Verhältnis zwischen CSU und Schäuble?

    Glück: Es ist eine Tatsache, daß CSU und Schäuble nicht miteinander arbeiten können. Das hat im übrigen ja auch die bisherige Arbeit von Wolfgang Schäuble als Fraktionsvorsitzender gezeigt. Hier gibt es ja immer wieder Meinungsverschiedenheiten in einzelnen Themen. Rein mentalitätsmäßig habe ich schon immer gesagt, keiner, der Helmut Kohl nachfolgt, wird der CSU in ihrem Naturell, in ihrer Lebensauffassung so nahestehen, wie das bei Kohl war, und es ist egal, ob das nun ein Wolfgang Schäuble ist, ein Volker Rühe oder wer immer käme. Es ist ein Stück weit eben auch andere Generation, aber die Zusammenarbeit wird funktionieren. Konflikte wird es auch geben, aber trotzdem wird die Zusammenarbeit funktionieren.

    Müller: Nun hat sich Wolfgang Schäuble ja auch gerade mit Blick auf die mögliche potentielle Zusammenarbeit mit der damaligen Opposition immer sehr kompromißbereit gezeigt, kompromißbereiter jedenfalls als die CSU. Wie ist das Problem jetzt zu lösen?

    Glück: Wir werden über Einzelthemen entscheiden müssen, aber die CDU wird ihr Profil als Alternative zu rot/grün nur entwickeln können, wenn sie auch in der Opposition eine klare alternative Politik formuliert und nicht ein "sowohl als auch" und verwischte Konturen etwa zu rot/grün. Das wäre der programmierte Abstieg.

    Müller: Ist Schäuble Ihr Wunschkandidat?

    Glück: Ich sehe keine bessere Lösung.

    Müller: Alois Glück war das, der CSU-Fraktionschef im bayerischen Landtag. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach München.