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Wie schön ist die Natur!

Christopher McCandles bricht alle Brücken zu seinem bisherigen Leben ab und macht sich zu einer zweijährigen Reise durch Nordamerika auf. Der Ausstieg aus der Zivilisation endet für den 22-Jährigen tödlich. In "Into the Wild" erzählt Sean Penn die Geschichte in atemberaubend schönen Bildern.

Von Josef Schnelle | 31.01.2008
    Anfang September 1992 wurde an den "stampede trails" in Alaska in einem Linienbus, der irgendwie mitten in die Wildnis geraten war, die Leiche eines ausgemergelten jungen Mannes geborgen. Mit 15 Pfund Reis, einer Flinte Kaliber 22, einer Kamera und ein paar Campingutensilien hatte sich Christopher McCandles am Ende einer zweijährigen Reise kreuz und quer durch Amerika - immer auf der Suche nach der reinen Natur - bis nach Alaska durchgeschlagen. Der Genuss einer giftigen Kartoffelabart hatte ihn schließlich dahingerafft.

    McCandels tragisch endende Flucht vor der Zivilisation in die reine Natur hatte der Autor Jon Krakauer 1996 zum Thema eines Tatsachenromans gemacht, der als Bestseller irgendwie in die Hände von Sean Penn geraten ist und den er jetzt verfilmt hat. Sean Penn ist bekannt als beliebter Schauspieler und als zorniger Dissident des Hollywood-Establishment. Mal reist er "In die Wildnis" des amerikanisch besetzten Irak und kann als "enfant terrible" des amerikanischen Films nur noch mit Marlon Brando verglichen werden, der auch kein kontroverses Thema anbrennen ließ. Penn hat auch als Regisseur schon vier bemerkenswerte Filme gemacht. Als "Dead Man Walking" als - Todeskandidat auf Abruf - machte er 1995 in einem Film von Tim Robbins von sich reden.

    Jon Krakauers Buch über den jugendlich Aussteiger McCandles, für der Autor bei dessen Verwandten und Freunden recherchierte, faszinierte Sean Penn gleich und er hatte damit auch ein Ur-amerikanisches Thema für einen Film gefunden, den er mit Kameramann Eric Gautier und dem Jungdarsteller Emile Hirsch realisierte. Die Geschichte eines 22-jährigen, der alle Chancen zu einer bürgerlichen Karriere ausschlägt, alle Brücken hinter sich abbricht, um in absoluter Freiheit zu leben ist natürlich der Kern des "amerikanische Traums", den amerikanische Schriftsteller wie Jack London, Henry David Thoreau oder Jack Karouac immer wieder gefeiert haben. Das freie Vagabundenleben in der authentischen Natur gehört aber auch zu den erfolgreichen Konstanten der 70erJahre-Popkultur. Mc Candles verströmt in seinem Tagebuch pure Romantik.

    Schon Lord Byron preist im Gedicht die Schönheit der Natur und deren Reinigungskräfte, die die Schäden der Zivilisation zumindest in der Seele leicht wettmachen Können.

    "Es wohnt Genuss im dunklen Waldesgrün, Entzücken weilt auf unbetretner Düne. Gesellschaft ist wo alles menschenleer."

    Im Kino ist das schöne technisch aufbereitete Naturbild eigentlich unbezahlbar. Es atmet die Wahrheit der Liebe zur Schöpfung und die Schönheit der moralischen Unschuld. Dass man an diesem Traum auch zerbrechen kann ist das eigentliche Thema der Geschichte von Christopher McCandles, aber Sean Penn berauscht sich lange an der schlichten Sehnsucht nach der Einfachheit und der Reinheit des Wunsches nach der Einheit mit der Natur. Mc Candles zerschneidet seine Kreditkarten und kappt auch alle anderen Bindungen an die Zivilisation, überwindet mit einem Kanu die wilden Wasser des Colorado, bewundert die Schönheit der Eisbestien und den unmittelbaren Kick, den ihm der freie Blick auf die Natur verschafft. Woher sein Hass auf die Zivilisation stammt, das ist kaum zu erahnen. Die ewigen Beziehungsstreitereien der Eltern können das radikale Verhalten des jungen Mannes ohne Lebenserfahrung kaum begründen. Aber schön ist, wie Sean Penn dessen Sehnsucht in Kinobilder packt. Ein Schauspieler wird Regisseur. Hut ab. Nur Clint Eastwood hat das ähnlich überzeugend geschafft.