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Wie viel Netrebko brauchen die Festspiele?

Aufregung in Salzburg. Vordergründig geht es um die Kehlkopfentzündung von Anna Netrebko, die den Festspielen zu schaffen macht. Insgesamt geht es aber um eine durchaus ernsthafte Frage: Wie stark soll solch ein Festival auf Stars setzen?

Moderation: Karin Fischer | 07.08.2007
    Karin Fischer: Ein kurzer Rückblick. Noch vor Beginn der Salzburger Festspiele hatte der Tenor Neil Shicoff abgesagt. Nachdem er als Chef der Wiener Staatsoper durchgefallen war, brauche er eine Auszeit, so die Begründung. Auch Startenor Rolando Villazón hat eine schwere Krise zu verkraften, er kann gar nicht singen. Elina Garanca ist in Salzburg gar nicht erst angetreten, weil sie nicht neben der Netrebko singen wollte. Die Mezzosopranistin Vesselina Kasarova ist schwer gestürzt, und jetzt machen eben auch Netrebkos Stimmbänder nicht mehr mit, woran Festspiel-Präsidentin Helga Rabl-Stadler aber nicht ganz zu glauben scheint, weshalb sich die russische Diva mit der Festspielleitung nun einen kleinen Krieg über die Presse liefert. Und jetzt kommt die Frage an Gerbert Schwaighofer: Wie schlimm sind denn all diese Absagen für ein Festival für Salzburg?

    Gerbert Schwaighofer: Die sind natürlich bedauerlich aus dem einfachen Grund, weil wir ja das anbieten unseren Gästen und die ja auch herkommen mit der Vorstellung, dem Wunsch, der Hoffnung, diese Künstler auch sehen zu können. Also das ist einmal das Primärste. Und daher möchten wir schon aus Treue und Verständnis gegenüber dem Publikum unser Versprechen halten.

    Fischer: Heißt das dann aber nicht, dass die Festspiele auch im Moment über eine Latte stolpern, die sie sich selbst aufgehängt haben, und zwar ziemlich hoch. Hat sich da etwas verselbstständigt, was man als Starkult bezeichnet?

    Schwaighofer: Also das glaube ich nicht, weil die Festspiele über alle Jahrzehnte hinweg immer die besten Sänger und Sängerinnen und Künstler und Dirigenten und alles zusammen hier vor Ort versammelt haben. In unserer Mediengesellschaft fällt jetzt vielleicht der eine oder andere Name mehr, als das bisher der Fall war, aber bei uns war immer ein reiches Angebot qualitätsvollster Künstler, und manche haben einen Starcharakter und andere nicht, obwohl sie genauso gut sind.

    Fischer: Na ja, Jürgen Flimm hat den Vorgang ja schon so kommentiert, es sei wohl mal an der Zeit, ein bisschen mehr wieder über die Kunst nachzudenken statt über den Kommerz. Und er hat mit den beiden viel gelobten Opern "Armida" und "Eugen Onegin" ja auch nicht jetzt auf die Stars gesetzt, sondern vielleicht mehr aufs Regietheater. Er bindet auch jüngere Regisseure ein wie Falk Richter oder Christoph Stölzl. Ist das vielleicht ein Plädoyer schon für eine neue inhaltliche Auseinandersetzung mit der Oper, jenseits der Big Names?

    Schwaighofer: Also ich glaube, dass das absolut richtig und notwendig ist, so wie das Jürgen Flimm sieht. Und auch das war eigentlich immer Teil des Festspiel-Gedankens, und den werden wir sicher auch fortsetzen. Also nur mit dem Hintergedanken, hier große Namen zu verpflichten, das war nie unsere Sache, und das würde ich auch ganz entschieden ablehnen.

    Fischer: Was ist die Essenz des Musiktheaters in Salzburg für Sie persönlich?

    Schwaighofer: Also die Essenz ist sicher, die höchste Qualität in ganz außergewöhnlichen Situationen anzubieten, das heißt, Konstellationen zu kreieren, die es vor allem oder nur in Salzburg gibt und hier die bestmöglichen Künstlerinnen und Künstler dafür zu gewinnen, hier das auch vorzumachen.

    Fischer: Der Schauspielchef Thomas Oberender hat ja durchaus etwas Widerständiges nach Salzburg gebracht mit seinem Molière-Projekt mit Thomas Thieme und in der Regie von Luk Perceval hat er hoch gepokert und wie es scheint auch hoch verloren. Es geht da um eine Art neues Passionsspiel, in dem sich die Hauptfigur in recht eindeutiger Art am Thema Sex abarbeitet. Die Produktion kreise hohl um eine hochgetunte fäkalsprachliche Mitte, so könnte man die Kritiken vielleicht zusammenfassen. Sie müssen als kaufmännischer Direktor ja auch ein Auge auf Sponsoren und Financiers haben. Wie reagieren Sie auf diese fast durchgehenden Verrisse?

    Schwaighofer: Also hier gibt es differenziertere Beurteilungen. Es gibt auch eine Hymne. Also auch hier sehe ich die Situation nicht so. Ich glaube, dass es ein sehr auch spannender Abend war mit einem hinreißenden Thomas Thieme. Aber wir wissen sehr um auch sperrigere Sachen. Ich glaube auch nicht, dass Thomas Oberender hoch gepokert hat und verloren hat. Ich habe viele erlebt, die sehr beeindruckt von diesem Abend nach Hause gegangen sind. Aber wir wissen, dass wir bei sperrigeren Themen auch nicht mit den Auslastungen rechnen können wie in einer gängigen Mozartoper. Und daher stufen wir das von Anfang an anders ein. Und auch dieses Stück hat unsere Erwartungen durchaus erfüllt.

    Fischer: Wie ist Ihre Zwischenbilanz?

    Schwaighofer: Äußerst positiv. Also wenn man jetzt das Mozartjahr 2006 ausklammert, dann liegen wir auf dem Rekordjahr, das war das Jahr zuvor, das Jahr 2005, sowohl was Auslastung als auch was Einnahmen anlangt. Also ich habe persönlich gar nicht mit so großem Erfolg gerechnet.

    Fischer: Herzlichen Dank. Das war Gerbert Schwaighofer, der kaufmännische Direktor der Salzburger Festspiele zum Thema Starkult und gute Oper.