Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Wie viel Pipi macht die Kuh?

Wie wird aus Korn Brot? Wie wird aus Milch Käse? Oder: Wann fühlen sich Schweine wohl im Stall und wie viel Pipi macht eine Kuh? Wie man diese und andere Fragen rund um den Bauernhof Kindern und Jugendlichen altersgerecht beantwortet, haben 18 Landwirte aus Rheinland-Pfalz gelernt. Sie nahmen am Qualifizierungstraining des Programms "Lernort Bauernhof" teil.

Von Ludger Fittkau | 27.03.2013
    "Was die Kinder gerne mit den Hühnern machen, sie mal anfassen. Viele haben auch ein bisschen Scheu vor dem Federkleid."

    Der Hühnerstall ist einer der Lernorte für Kinder auf Gut Hohenberg in der Südpfalz. Der frischgebackene "Bauernhofpädagoge" Dirk Sthamer lässt die Kinder den Stall nicht nur besichtigen und die Hühner streicheln, sondern sie sollen richtig mit anpacken:

    "Dann wird Wasser kontrolliert, Futter kontrolliert, Muschelkalk wird nachgefüllt. Stall wird entmistet, auf dem Kotbrett werden mit dem Schaber die Kothaufen von der Nacht weggekratzt und wieder mit Sägespänen eingestreut. Und schließlich werden im gemeinsamen Legenest die Eier gesammelt."

    Gerade jetzt - vor Ostern - sind erstaunlicherweise noch keine Kinder zum Eiersammeln da. Wenn sie kommen, lernen sie, dass freilaufende Hühner zwar schmackhaftere Eier legen als ihre Artgenossinnen in der Massentierhaltung. Aber sie sind draußen auch Gefahren ausgesetzt, das verheimlicht ihnen Dirk Sthamer nicht:

    "Problem bei dem großen Auslauf bei uns ist hier der Hühnerhabicht, der hat jetzt über den Winter so sechs, sieben Hühner gerissen. Deswegen haben wir so kleine Iglus gebaut und Hecken angelegt, wo die Hühner sich verstecken können. Aber der Habicht ist natürlich ein schlauer Kerl."

    Der Kuhstall ist auf jedem Bauernhof ein Hauptanziehungspunkt - auch auf Gut Hohenberg. Der Bauernhofpädagoge lässt auch hier die Kinder systematisch jeden Arbeitsschritt machen, der im Stall zu tun ist. Von der Fütterung bis zum Ausmisten:

    "Schubkarren sind bei uns auch immer ein beliebtes Objekt, weil die Kinder Balance üben müssen. Man denkt, es sei selbstverständlich, dass Kinder Schubkarre fahren können, ist es leider nicht".

    Die Bauernhofpädagogen sind dafür ausgebildet, jede Frage der Kinder ernst zu nehmen und die Antworten möglichst anschaulich zu gestalten. Dirk Sthamer erklärt, wie er etwa mit der Frage umgeht, wie viel Pipi eine Kuh täglich macht - 40 Liter nämlich:

    "Dann können wir zum Beispiel Zehnlitereimer nehmen und dann füllen wir vier von diesen Eimern, dass man auch realistisch sieht, wie viel so eine Kuh am Tag hinterlässt."

    Im Keller des Gutes Hohenberg öffnet Sthamer den Brennofen einer Hackschnitzelheizung. Hier wird den Kindern der Wert nachwachsender Rohstoffe für die Energieversorgung nahe gebracht. Der Bauernhofpädagoge scheut auch nicht davor zurück, Kindern ein Beil in die Hand zu geben:

    "Die meisten haben natürlich erst mal Angst, weil sie denken, es wäre was Gefährliches. Dann wird ihnen die richtige Technik beigebracht, dann können sie hier ihre kleinen Stücke Holz hacken, das sogenannte Anmachholz bei uns."

    Möglichst viel selber machen, jeden Arbeitsschritt mit Bedacht angehen und am Ende den komplexen Ablauf eines Bauernhofes durch möglichst viel eigenes Handeln begreifen - das sind die Lernziele, die der Bauernhofpädagoge Dirk Sthamer erreichen will. Damit das funktioniert, sollten die Kinder möglichst mehrere Tage auf dem Bauernhof verbringen, glaubt er:

    "Ich persönlich sehe diese Eintagesaufenthalte ein bisschen kritisch, weil sie da einfach so durchgeschleust werden und so voller Eindrücke sind, dass das dauert, bis das verarbeitet wird. Aber ich denke mal, besser als nichts. Schöner ist das natürlich, wenn sie ein paar Tage da sein können, um die Sache grundlegender zu verstehen oder die Zusammenhänge irgendwann verstehen zu können."

    Dirk Sthamer gehörte zur ersten Gruppe in Rheinland-Pfalz, die den von der Landesregierung geförderten, 14-tägigen Zertifikatskurs "Bauernhofpädagogik" gerade erfolgreich abgeschlossen hat. Die zweite Gruppe befindet sich bereits in der Ausbildung. Irgendwann, so das realistische Ziel, gibt es in jeder Region des Landes Landwirte, die ihren Bauernhof ein bisschen zur Schule machen können.