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Wie zu Francos Zeiten

Mit ihrer satten absoluten Mehrheit hat Spaniens Volkspartei das Gesetz für die öffentlich-rechtliche Radiotelevisión Española geändert. Seither regiert sie ungeniert in die Sendeanstalt hinein. Nun mussten besonders beliebte – und unbequeme - Moderatoren ihren Hut nehmen.

Von Hans-Günter Kellner | 11.08.2012
    Mit ihren hartnäckigen Interviews im Morgenprogramm bei Televisión Española hat sich Ana Pastor bei den Zuschauern beliebt gemacht – und Politiker oft verärgert. Sie ließ sie nicht ausreden, wenn sie vom Thema abwichen, stellte klar, dass sie die Fragen stellt, und hakte nach. Jetzt ist ihr die Sendung entzogen worden. Eine Gesetzesänderung hat dies möglich gemacht. Denn das Parlament muss den Vorsitzenden von Radiotelevisión Española nicht mehr im Konsens mit einer Zweidrittelmehrheit wählen, wie es das Gesetz seit 2006 vorgeschrieben hat. Die einfache Mehrheit der regierenden Volkspartei genügt jetzt wieder. Yolanda Sobero vom Redaktionsrat über die Reform:

    "Das Gesetz über Radiotelevisión Española war wie ein Damm. Als der gebrochen war, war die Angst groß, dass wir zu den alten Zeiten zurückkehren. In den 80er-Jahren hatte die Unesco Televisión Española ja schon einmal nicht als öffentliches, sondern als Regierungsfernsehen eingestuft. Das neue Gesetz von 2006 sollte die Unabhängigkeit der Anstalt gewährleisten. Diese Hürde einmal überwunden, konnten sie ernennen, wen sie wollten. Schließlich wollen alle Parteien die Medien unter ihre Kontrolle bekommen."

    Die Volkspartei hat nun Leopoldo González Echenique, einen langjährigen Ministerialbeamten, zum Vorsitzenden der Anstalt bestimmt. Neuer Chefredakteur wurde Julio Somoano, der vom Regierungsfernsehen der Region Madrid kam. Dort hatte er sich 2005 mit meiner Masterarbeit in politischer Kommunikation empfohlen. Der Titel: "Eine Kommunikationsstrategie für den Triumpf der Volkspartei bei den nächsten Parlamentswahlen". - Seine Ernennung hatte zu großer Verunsicherung in der Redaktion geführt. Schließlich hatte die Volkspartei nie einen Hehl daraus gemacht, dass ihr die Informationsprogramme nicht gefallen. Yolanda Sobero dazu:

    "Den Leuten muss ja auch nicht alles gefallen, noch viel weniger den Politikern. Die Volkspartei hatte immer diese Pressemitteilungen herausgegeben: 'So manipuliert Televisión Española die Nachrichten.' Was sollen wir denn manipulieren? Wer auf eine Parteiveranstaltung geht, darf ja nicht mal mehr selbst drehen, die Aufnahmen kommen von der Partei, auch über die Bildführung bestimmen die Parteien."

    Der neue Chefredakteur hat nun die leitenden Redakteure in der politischen Information ausgetauscht, im Morgen-, wie im Abendprogramm, bei den Nachrichten und auch beim angesehenen Hintergrundmagazin Informe Semanal. Eine ganz ähnliche Entwicklung gibt es parallel dazu bei Radio Nacional de España. Enrique Bustamante, Lehrstuhlinhalber für audiovisuelle Kommunikation an der Madrider Complutense-Universität, spricht offen von der Rückkehr zum Staatsfunk der Franco-Zeit:

    "Sie kontrollieren alles. Über die pyramidale Hierarchie hat die Regierung Zugriff auf den Redaktionschef und die Fernsehdirektoren der einzelnen Kanäle. Der Verwaltungsrat hat überhaupt keine Funktion mehr. Hinzu kommt die Kürzung von fast 40 Prozent der öffentlichen Zuwendungen. Radiotelevisión Española hängt völlig von der Regierung ab. Ich vergleiche das ausdrücklich mit der Situation in Ungarn. Die Oppositionsparteien müssen das Thema ins europäische Parlament einbringen, denn Spanien verletzt dessen Beschlüsse über öffentliche Medien."

    Um rund 200 Millionen Euro hat die Regierung ihre Subventionen von bisher 550 Millionen Euro gekürzt. Dabei ist Radiotelevisión Española mit einem Haushalt von knapp einer Milliarde Euro und einem gesetzlichen Werbeverbot ohnehin schon chronisch unterfinanziert. Redakteure befürchten, für die vielfach ausgezeichneten Fernsehdokumentationen werde es bald kein Geld mehr geben. In der Nachrichtenredaktion soll es nun ein Krisentreffen mit der neuen Leitung geben. So lange will sich der Redaktionsrat mit Kritik zurückhalten. Doch Yolanda Sobero ist schon jetzt skeptisch über die Zukunft des Fernseh- und Rundfunkjournalismus in Spanien.

    "Das Wichtige für mich ist: Solange man uns in Ruhe lässt, machen wir unsere Arbeit engagiert, alle sind zufrieden. Das Problem wird sein, wenn jemand zu uns an den Tisch kommt und sagt: Davon lässt Du die Finger. Wie werden wir dann reagieren? Geben wir klein bei? Oder kämpfen wir um das, was wir für richtig halten? Das wird die Feuerprobe sein."