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Wieder Waldbrände in Russland

Vor einem Jahr zerstörten schwere Wald- und Torfbrände in Russland Gebiete von der Größe Schleswig-Holsteins. Die russischen Einsatzkräfte waren lange nicht in der Lage, diese Brände zu löschen. Nun brennt in Russland wieder der Wald, doch zumindest im Moskauer Umland scheinen die Behörden besser gewappnet.

Von Gesine Dornblüth | 29.07.2011
    Im Schritttempo rumpelt der Kleintransporter über Wald- und Feldwege. Dicke Stechmücken fliegen durch das Wageninnere. An einem Flussufer unter Kiefern parken Autos. Frauen und Männer laufen durch das Gehölz. Sie haben Körbe dabei. Michail Chrustaljow klammert sich auf dem Beifahrersitz fest, verzieht das Gesicht.

    "Die Leute sammeln Beeren. Wir müssen dann die Brände löschen, die sie hinterlassen. Der Mensch ist die größte Gefahr für den Wald - der verantwortungslose Umgang mit Feuer."

    Michail Chrustaljow ist Forstbeamter im Bezirk Orechowo-Zujewo und auf Patrouille. Die waldreiche Region liegt knapp hundert Kilometer östlich von Moskau. Von hier kam der Rauch, der die Hauptstadt im letzten Sommer über Wochen einnebelte. Allein im Bezirk Orechowo-Zujewo brannten damals fast 7000 Hektar Wald ab: annähernd acht Prozent der Fläche, für die Chrustaljow verantwortlich ist. Damit sich die Katastrophe in diesem Jahr nicht wiederholt, hat die Forstbehörde in Orechowo-Zujewo neue Tanklöschzüge, Bulldozer und Patrouillenfahrzeuge bekommen.

    Im Moskauer Gebiet wird die Forstbehörde - anders als im Rest Russlands - aus föderalen Mitteln finanziert. Deshalb ist sie besonders gut ausgestattet, erzählt Pjotr Andrianow, der Chef der Forstbehörde von Orechowo-Zujewo.

    "Wir haben von dem Unglück letztes Jahr profitiert. Wir haben auch noch fünf Überwachungstürme mit Videokameras bekommen. Sobald die Kameras Rauch aufzeichnen, fahren unsere Forstinspektoren los. Wenn die sehen, dass Wald brennt, schicken wir unsere Löschfahrzeuge hinterher."

    Die meiste Zeit aber stehen die Löschfahrzeuge unbenutzt herum. Im gesamten Moskauer Umland gäbe es zurzeit keine Waldbrände, heißt es bei der zentralen Forstbehörde. Beunruhigende Nachrichten kommen dagegen aus dem Norden Russlands: In Archangelsk und in der Republik Komi wüten mehr als 140 Brände. Auch im fernen Jakutien stehen große Flächen Wald in Flammen.

    Unter einem Baum sitzen sechs Männer in olivgrünen Overalls. Sie gehören zur Luftüberwachung "Avialesoochrana". Die Organisation stammt noch aus Sowjetzeiten. Bis vor wenigen Jahren funktionierte sie gut. 500 bis 600 Flugzeuge waren an Hochsommertagen gleichzeitig in der Luft. Dann reformierte die Regierung das Forstgesetz und kürzte die Gelder der Luftüberwachung. Tausende Mitarbeiter wurden entlassen. Valerij Labanow, der Chef der Truppe, kommt aus Irkutsk in Sibirien.

    "Ich persönlich glaube, die Brände vom letzten Jahr werden sich hier im Moskauer Gebiet diesen Sommer nicht wiederholen. Erstens ist das Wetter anders, zweitens haben sie hier genügend Leute. Und wenn nötig, werden noch mehr Feuerwehrleute aus anderen Regionen hergebracht. Das alte System, das viele Jahre gut funktioniert hat, wird hier wieder hergestellt."

    Grigorij Kuksin sieht das kritischer. Er ist der Waldbrandexperte von Greenpeace Russland. In diesem Jahr gäbe es in Zentralrussland genau so viele Torfbrände wie im vergangenen Jahr, so Kuksin. Und es würden immer mehr.

    "Hier hat sich leider gar nichts verbessert. Die Behörden wollen zeigen, dass sie etwas unternommen haben. Aber das haben sie gar nicht. Sie versuchen, die Brände zu vertuschen. Wir von Greenpeace lokalisieren Brände, entweder mithilfe von Satellitenfotos oder, indem wir selbst hinfahren. Und wir versuchen, den Staat zu zwingen, frühzeitig zu reagieren. Wir haben wieder genau das gleiche Szenario wie im letzten Jahr."

    Kuksin ist den ganzen Sommer über mit freiwilligen Helfern in Russlands Wäldern unterwegs. Bereits im vergangenen Jahr hatten Hunderte Ehrenamtliche mitgeholfen, die Brände zu löschen. Die russische Regierung denkt nun über eine freiwillige Feuerwehr in Russland nach. Ein entsprechendes Gesetz hat der Föderationsrat bereits im Frühjahr verabschiedet. Pjotr Andrianow von der Forstbehörde in Orechowo-Zujewo glaubt aber nicht, dass das reicht.

    "Es ist gut, wenn Leute helfen. Aber manchmal wird es chaotisch. Es muss jemanden geben, der verantwortlich ist. Die Brände müssen Profis löschen: Förster oder Feuerwehrleute."

    Programmtipp

    Die Beziehung der Russen zu ihrem Wald ist auch Thema in der Sendung "Gesichter Europas" am morgigen Samstag, 30. Juli 2011, um 11:05 Uhr im Deutschlandfunk, unter dem Titel: Birken, Beeren, Brandgefahr - Die Russen und ihr Wald