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Wiederaufbau in Nepal
Unter schwierigsten Bedingungen

Zehn Autostunden von Kathmandu entfernt liegt das Dorf Barpak. Hier lag 2015 das Epizentrum eines verheerenden Erdbebens, bei dem so gut wie alle 800 Häuser zerstört wurden, 70 Menschen starben. Inzwischen stehen viele Rohbauten wieder, doch es gibt Ärger um die Abnahme, weil viele Häuser nicht erdbebensicher geplant wurden.

Von Jürgen Webermann | 25.04.2017
    Baustelle mit Aussicht in Barpak
    Baustelle mit Aussicht in Barpak (Deutschlandradio / Jürgen Webermann)
    Kesh Bahadur wollte nicht auf die Regierung warten. Vier Monate lang hatte seine Familie nach dem Erdbeben unter einem Stück Wellblech ausgeharrt. Der Monsunregen setzte allen zu. Keshs Bruder starb an Tuberkulose.
    "Nach der Regenzeit beschlossen wir, unser Haus so schnell wie möglich wieder aufzubauen."
    Aus den Trümmern fischte Kesh alles Brauchbare. Hilfsorganisationen lieferten weiteres Wellblech für ein Dach, und das restliche Geld lieh sich der Familienvater bei privaten Kreditvermittlern. Die Geldverleiher haben seit dem Beben Hochkonjunktur.
    Erst nach einem Jahr gab es finanzielle Wiederaufbauhilfe
    "Von der Regierung gab es noch nichts, als wir mit dem Wiederaufbau begonnen haben. Wir haben einfach angefangen, mit dem, was wir hatten."
    Es dauerte ein Jahr, bis die Behörden 500 Euro an Kesh zahlten – die erste Rate für alle Erdbebenopfer in Nepal. Eigentlich steht jetzt, weitere zwölf Monate später, die zweite Rate an, 1500 Euro. Eine weitere soll im nächsten Jahr folgen.
    "Aber ich befürchte, dass ich das Geld nicht erhalten werde. Die Techniker sagen, ich hätte mich nicht an die Vorgaben der Regierung gehalten. Das Haus sei nicht sicher genug. Soll ich jetzt alles wieder abreißen? Ich brauche das Geld. Sonst kann ich meine Schulden nicht bezahlen."
    Bauvorgaben kamen anderthalb Jahre nach dem Beben
    Kesh wohnt in Barpak, einem Dorf auf 2000 Metern Höhe, zehn Autostunden von der Hauptstadt Kathmandu entfernt, davon vier Stunden im Jeep auf abenteuerlichen Bergpfaden. Barpak war 2015 das Epizentrum des Erdbebens in Nepal. So gut wie alle 800 Häuser wurden zerstört. 70 Menschen starben. Die meisten überlebten nur, weil sie zum Zeitpunkt des Bebens auf den Feldern arbeiteten.
    Vielen geht es jetzt wie Kesh. Die Vorgaben der Regierung für den Bau einfacher, erdbebensicherer Häuser erreichten Barpak erst anderthalb Jahre nach dem Beben, da standen viele Rohbauten schon wieder. Nur passen sie nicht zu den Bauplänen der Behörden, die zum Beispiel mehr und dickere Stützpfeiler vorsehen.

    Und so ist Ram einer der Buhmänner in Barpak. Der 26 Jahre alte Ingenieur kam im Dezember hierher. Die Wiederaufbaubehörde hat ihn geschickt, um die Häuser abzunehmen und grünes Licht für die nächsten Raten an Hilfsgeldern zu geben. Aber Ram hat die Nase voll. Der Lohn sei schlecht, für die Unterkunft müsse er selbst zahlen. Und richtig helfen kann er den Menschen in Barpak auch nicht.
    Die meisten Menschen in Barpak wohnen noch in Wellblechbehausungen
    Die meisten Menschen in Barpak wohnen noch in Wellblechbehausungen (Deutschlandradio / Jürgen Webermann)
    "Die Leute können die Häuser ja nicht schon wieder abreißen. Sie haben viel Geld da reingesteckt, 5000 Dollar, der Transport der Materialien hierher war extrem aufwändig. Es ist schwer, den Leuten zu erklären, dass ihre Häuser nicht den Regeln entsprechen."
    800.000 Familien wurden obdachlos
    Die Wiederaufbaubehörde in Kathmandu sagt, man arbeite derzeit an Plänen, Häuser wie das von Kesh nachzurüsten. In Nepal herrscht ein politisches Chaos, die Behörden gelten als ineffizient, die Wiederaufbaubehörde erhielt erst im Januar einen neuen Chef. Und es fehlt an Fachkräften. Erst 170.000 Häuser wurden nach offiziellen Angaben wieder aufgebaut. Das Beben hatte 800.000 Familien obdachlos gemacht.

    Maya harrt ebenfalls noch in einem Wellblechverschlag aus, gemeinsam mit der Familie ihrer Tochter. Auf den Trümmern des alten Hauses spielen Mayas Enkel. Sie selbst kann ohne Krücken nicht mehr gehen.
    Maya wurde beim Beben schwer verletzt. Bisherige Hilfen für Erdbebenopfer investierte sie in Fahrten zum zehn Autostunden entfernten Krankenhaus.
    Maya wurde beim Beben schwer verletzt. Bisherige Hilfen für Erdbebenopfer investierte sie in Fahrten zum zehn Autostunden entfernten Krankenhaus. (Deutschlandradio / Jürgen Webermann)
    "Wir würden ja gerne wieder aufbauen. Aber wir haben kein Geld."
    Die erste Rate der Regierung musste Maya für Fahrten ins Krankenhaus ausgeben. Ein Jahr lang wurde sie dort behandelt. Maya hatte es während des großen Bebens nicht rechtzeitig aus dem Haus geschafft. Sie wurde nach vier Stunden von Nachbarn entdeckt. Sie lag unter Steinen eingeklemmt, ein Bein war gleich mehrfach gebrochen.
    "Als ich endlich aus dem Krankenhaus nach Hause kam, war uns aber nicht nach Feiern zumute. Ich kann nicht mehr laufen. Wir haben kein Einkommen mehr. Was sollen wir machen?"
    Viele Menschen sind ratlos
    Mayas Tochter ist Tagelöhnerin, aber Jobs sind rar hier oben in den Bergen. Solange die Familie nicht mit dem Wiederaufbau beginnt, wird es kein weiteres Geld von der Regierung geben.
    "Dabei muss ich wieder ins Krankenhaus. Die Ärzte müssen Stahlplatten entfernen."
    Wie sie das bezahlen soll, weiß Maya noch nicht. Schon die Fahrt hinunter ins Tal ist eigentlich zu teuer, einen alten, klapprigen Bus, der manchmal vorbeikommt, kann sie mit ihrem kaputten Bein nicht nehmen.
    Und trotzdem kichert Maya, sie will nicht, dass ihre Enkel etwas von den Problemen mitbekommen. Die alte Dame ruft die Kinder zum Abendessen in den Wellblechverschlag. Es gibt Linsen, wie fast jeden Tag.