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Wiederaufbau von Notre-Dame
Viele Großspender haben noch nicht überwiesen

Vor 100 Tagen, am Abend des 15. April, schossen hohe Flammen aus dem Dach der Pariser Kathedrale Notre-Dame. Das Feuer zerstörte Teile der Kirche. Beim Wiederaufbau gibt es viele offene Fragen - zumal Spenden nicht wie angekündigt fließen.

Von Sabine Wachs | 24.07.2019
Das Innere von Notre-Dame nach dem Brand: Die Holzbalken der Dachkonstruktion liegen auf dem Boden.
Die Pariser Kathedrale Notre-Dame nach der Brandkatastrophe (picture alliance / dpa / AP / Christophe Petit Tesson)
Am frühen Abend liegt sie ganz friedlich da. Die meisten Touristen schlängeln sich tagsüber an den großen Bauzäunen vorbei, die um Notre-Dame aufgebaut wurden. Abends ist weniger los.
Auf dem berühmten Vorplatz, von dem aus Touristen und Pariser die altehrwürdige Kathedrale bis zum Brand Mitte April bestaunen konnten, steht jetzt ein hoher beigefarbener Bauzaun. Nur wer den Kopf weit in den Nacken legt, kann einen Teil der Fassade erspähen.
Netze sollen herabfallende Steine sichern
"Sie machen einen fantastischen Job hier auf der Baustelle", sagt Toni, Tourist aus den USA. "Trotzdem, es ist traurig, die Kathedrale so zu sehen. Ich wünschte, die Baustelle wäre offener. Aber wir laufen jetzt einmal rund und schauen mal, was wir sehen können."
Viele Touristen zieht es vor allem auf die Rückseite der Kathedrale. Von der Pont Saint Louis aus und dem Quai de l’Archèveché hat man einen guten Blick. Hier sieht man, wie sich die Flammen durch das Dach gefressen haben. Das Baugerüst, das schon vor dem Brand rund um das Dach aufgebaut war, ist zusammengeschmolzen. Netze sollen herabfallende Steine sichern. Holzkonstruktionen stützen das Gewölbe.
"Es ist immer noch sehr bewegend, sie unvollständig zu sehen. Aber diese Baustelle steckt auch voller Hoffnung. Das zeigt, dass es eine Perspektive gibt. Wir fragen uns, wie sie wieder aufgebaut wird, so wie sie war, oder ganz anders", sagt Marie. Am Abend des Brandes, erzählt die Pariserin, hing sie die ganze Nacht vor dem Fernseher.
Präsident Macron setzte ein ambitioniertes Ziel
Das Innere der Kathedrale ist noch immer ein Trümmerfeld. Französische Fernsehteams konnten Kulturminister Franck Riester in die Kirche begleiten. Ihre Aufnahmen zeigen, dass im Kirchenschiff Schuttberge aufgehäuft wurden aus verkohltes Holz, ausgebrannten Steine und geschmolzenem Eisen.
Große Teile der Kathedrale sind mit rot-weißem Flatterband abgesperrt, es sei schon viel passiert, erklärte Kulturminister Riester beim Besuch in der Kathedrale:
"Schauen Sie, was sich hier in nur drei Monaten getan hat, schauen sie sich die Netze, die Stützen, die Absicherungen an. Das ist schon sehr gut."
Wie und wann die Kathedrale wieder aufgebaut werden kann, ist noch nicht klar. Das Fünf-Jahres-Ziel von Präsident Macron ist sehr ambitioniert, auch wenn die französische Nationalversammlung grünes Licht für ein Gesetz gegeben hat, das einen schnellen Wiederaufbau ermöglichen soll. Vor allem das Dach gilt noch immer als einsturzgefährdet. Im Inneren wird der Schutt nur von Robotern zusammengeräumt, erklärt Chefarchitekt Philippe Villeneuve:
"Wir versuchen, so schnell wie möglich voranzukommen. Aber die Sicherheit der Arbeiter geht vor. Wir sind noch lange nicht beim Wiederaufbau. Wir sichern erst einmal das Gebäude."
Nur knapp 38 statt 850 Millionen Euro Spenden
Nicht nur hinter dem Zeitplan für den Wiederaufbau, auch hinter der Finanzierung stehen Fragezeichen. Wie hoch die Kosten seien werden, lässt sich noch nicht abschätzen. Von den rund 850 Millionen angekündigten Spenden sind bisher nur knapp 38 Millionen auch tatsächlich eingegangen. Viele Großspender haben noch nicht überwiesen, die Spenden kamen hauptsächlich aus der Bevölkerung. Auch Marie aus Paris hat gespendet, zehn Euro, sagt sie.
"Der Brand hat uns alle getroffen. Ich glaube, alle Pariser und alle Touristen, die hierher kommen, wachen nun über die Kathedrale und schauen, wie die Baustelle vorankommt."
Im Herbst 2020 schätzt Architekt Philippe Villeneuve, könnten die Aufräumarbeiten ganz abgeschlossen sein erst dann kann der Wiederaufbau starten. Sobald es die Sicherheitsbedingungen zulassen, soll ein Andachtsraum vor der Kathedrale errichtet werden. Der berühmte Vorplatz, der Parisern und Touristen den Blick auf diese wunderbare Kathedrale gewährt, wird aber wohl noch länger durch Bauzäune versperrt bleiben.