Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Wiegard: Steuern senken ist richtig

Das Mitglied des Sachverständigenrats, Wolfgang Wiegard, unterstützt die Forderung von Bundeswirtschaftsminister Michael Glos nach Steuersenkungen. Sollte die Haushaltskonsolidierung 2008 erfolgreich abgeschlossen sei, dann müsse über niedrigere Steuern nachgedacht werden, sagte Wiegard. In diesem Fall käme neben der von Glos vorgeschlagenen Abschaffung der Erbschaftssteuer etwa auch eine Senkung des Solidaritätszuschlags in Betracht.

Moderation: Bettina Klein | 19.04.2007
    Bettina Klein: Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute präsentieren also heute in Berlin ihr Frühjahrsgutachten. Medienberichten zufolge rechnen die Experten mit einer Fortsetzung der Konjunktur.
    Am Telefon begrüße ich Professor Wolfgang Wiegard, Mitglied im Sachverständigenrat, zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Guten Morgen Herr Wiegard!

    Wolfgang Wiegard: Guten Morgen!

    Klein: Wir haben es im Bericht gerade gehört, Herr Wiegard. Die Unsicherheit über die Stärke und Dauer des derzeitigen Aufschwungs der deutschen Wirtschaft hat sich gelegt. Was ist Ihre Erklärung?

    Wiegard: Das ist eine schwierige Frage, wem gehört der Aufschwung? Ob das durch wirtschaftspolitische Maßnahmen der Großen Koalition verursacht worden ist. Ich denke der Hauptanteil liegt daran, dass die seit Jahren gute Weltkonjunktur auch auf Deutschland übergreift: zunächst auf die Investitionen - das ist schon erfolgt 2006 - und 2007 und 2008 auch auf den Konsum. Der Hauptgrund ist also das Übergreifen der guten Weltkonjunktur auf Deutschland.

    Klein: Warum ließ sich das nicht besser vorhersagen, etwa auch die Frage weshalb die Mehrwertsteuererhöhung nicht stärker durchschlägt im negativen Sinne auf den Aufschwung?

    Wiegard: Ja, das ist eine berechtigte Frage. Alle Prognostiker haben eigentlich die gute Konjunktur für 2007 nicht vorausgesehen. Das liegt daran, dass es außerordentlich schwierig ist, bei Konjunkturprognosen so genannte Wendepunkte vorauszusagen, wann es also von dem wirtschaftlichen Abschwung zu einem Wendepunkt kommt und dann ein Aufschwung einsetzt. Das ist sehr schwierig vorauszusagen und das hat eigentlich kaum ein Institut richtig geschafft, auch der Sachverständigenrat im Übrigen nicht.

    Klein: Aber das ist normal und das liegt einfach in der Sache selbst, dass man diese Prognosen nicht genau vornehmen kann?

    Wiegard: Ja, das ist sehr schwierig. Das ist fast normal, dass man das nicht genau voraussagen kann.

    Klein: Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Was folgt daraus für die politisch Handelnden? Ein Vorschlag vom Bundeswirtschaftsminister hat ja dieser Tage auch für heftige Empörung gesorgt. Er hatte angeregt, ob man nicht vielleicht angesichts von Steuermehreinnahmen Steuern senken sollte. Was ist Ihre Meinung dazu?

    Wiegard: Das hat zum Teil für Empörung gesorgt, zum Teil aber auch Zustimmung gefunden. Ich habe den Vorschlag von Herrn Glos eigentlich von Anfang an begrüßt. Ich denke dazu muss man auch lesen, was Herr Glos gesagt hat. Herr Glos hatte gesagt, dass nach erfolgter Haushaltskonsolidierung man auch Steuersenkungen in Erwägung ziehen muss. Nun die Institute gehen davon aus, dass schon im Jahr 2008 ein gesamtstaatliches Defizit von Null realisiert werden kann, und ich denke dann danach kann man durchaus auch über Steuersenkungen nachdenken. Es wäre geradezu verfehlt, wenn die Politik nicht über Steuersenkungen nachdenken würde. Die Frage ist welche Steuern soll man senken, aber zunächst einmal muss die Bereitschaft da sein, Steuern zu senken, und ich halte das für richtig.

    Klein: Aber gerade aus der Politik, etwa von SPD-Chef Kurt Beck, kamen ja scharfe Angriffe gegen Glos. Beck nannte die Vorschläge völlig unverantwortlich und blanken Populismus. Ähnlich haben sich ja auch einige Wirtschaftsforscher aus dem Sachverständigenrat geäußert. Das heißt im Grunde genommen treffen diese Vorwürfe nicht zu. Was ist dann die Motivation dafür?

    Wiegard: Es ist glaube ich nicht ganz richtig, dass sich einige Forscher aus dem Sachverständigenrat anders geäußert haben. Genau ein Mitglied hat sich anders geäußert.

    Klein: Peter Bofinger!

    Wiegard: Genau, nur Herr Bofinger. Alle anderen Mitglieder haben sich eigentlich für Steuersenkungen ausgesprochen. Und ich denke auch, dass die Mehrheit der Ökonomen sich für Steuersenkungen ausspricht. Auch die Institute haben jetzt ins Gespräch gebracht, dass Steuersenkungen erforderlich sind. Und ich denke auch, dass es nahe liegend ist. Wenn die Haushaltskonsolidierung weitgehend abgeschlossen ist und der Staat erzielt immer noch hohe Einnahmen, gibt es ja nur noch zwei Möglichkeiten, wenn man nicht weiter konsolidieren will - das geht natürlich auch -, dass man entweder die Ausgaben erhöht oder die Steuern senkt. Da denke ich, dass Steuersenkungen sehr viel wachstumsfreundlicher sind als weitere Ausgabenerhöhungen.

    Klein: Weshalb ist das so?

    Wiegard: Na ja, hohe Steuern verursachen immer Wachstumshemmnisse. Mit hohen Steuern gehen negative Leistungsanreize einher, denn wenn man mehr von dem Zuverdienst abgeben muss an Steuern und Abgaben, lohnt es sich natürlich immer weniger, zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen, mehr zu arbeiten, mehr zu investieren. Wenn man eine wachstumsfreundliche Steuerpolitik machen will, muss man die Steuern senken, wenn dazu die Möglichkeit besteht. Und offensichtlich besteht aufgrund der guten Wachstumsaussichten in Deutschland die Möglichkeit zu Steuersenkungen. Darauf haben wir jahrelang gewartet. Warum machen wir davon jetzt nicht Gebrauch?

    Klein: Okay! Der Appell an die Politik, wenn ich Sie richtig verstehe, solche Vorschläge nicht gleich mit dem Vorwurf des Populismus in gewissem Sinne totzuschlagen. Sagen Sie uns an welche Steuersenkungen denken Sie konkret, oder woran sollte die Politik dabei denken?

    Wiegard: Dazu müsste man sich jetzt erst mal genauer anschauen, bei welchen Gebietskörperschaften sich die Einnahmen günstiger entwickeln, um sich dann zu überlegen, welche Steuern man senken kann. Es gibt aber eine ganze Palette von Steuern, die in Frage kommen. Herr Glos hat auch die Erbschaftssteuer ins Gespräch gebracht. Das ist auch gleich wieder abgebügelt worden. Ich meine, dass Herr Glos eigentlich die Pläne der Bundesregierung zur Erbschaftssteuerreform nur konsequent zu Ende gedacht hat, denn die Bundesregierung beabsichtigt, die Erbschaftssteuer auf Betriebsvermögen letztlich abzuschaffen. Warum soll dann die Erbschaftssteuer auf andere Vermögenseinkünfte nicht auch abgeschafft werden.

    Denkbar wäre aber auch, dass man mal darüber nachdenkt, ob es nicht möglich ist, den Solidaritätszuschlag, den wir seit 16 Jahren in Deutschland haben, etwas abzusenken. Gegenwärtig beläuft er sich auf 5,5 Prozent auf die Einkommenssteuerschuld und auf die Körperschaftssteuerschuld. Ich denke, dass auch hier eine Möglichkeit bestünde, den Solidaritätszuschlag langsam mal zu reduzieren.

    Klein: Lassen Sie uns noch auf die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt schauen. Da prognostizieren die Wirtschaftsforscher auch, es wird weiter aufwärts gehen, sprich abwärts mit den Arbeitslosenzahlen. Was heißt das aus Ihrer Sicht für die bevorstehenden Lohnrunden? Können die Gewerkschaften dann mit Fug und Recht sagen, es geht aufwärts und wir können im Prinzip mit Nachdruck auch höhere Lohnforderungen vertreten?

    Wiegard: Richtig ist, dass die Institute davon ausgehen, der Sachverständigenrat im Übrigen auch, dass die Arbeitslosigkeit zurückgehen wird: bis 2008 gegenüber 2006 um rund eine Million Personen. Das ist erfreulich in jeder Hinsicht. Auf der anderen Seite muss man natürlich sehen, dass auch eine Arbeitslosenquote, wie sie jetzt die Institute für 2008 von 8,0 Prozent voraussagen, immer noch recht hoch ist. Insofern verbessert sich der Lohnerhöhungsspielraum, aber ich denke es wäre völlig falsch, jetzt zu einer expansiven Lohnpolitik überzugehen. Der Aufschwung in Deutschland erklärt sich zum Teil auch durch die moderate Lohnpolitik, die die Gewerkschaften zum Glück in den letzten Jahren betrieben haben. Das sollte jetzt nicht ins Gegenteil verkehrt werden.

    Klein: Das heißt Ursache für den Aufschwung doch nicht nur der Weltkonjunktur-Boom?

    Wiegard: Nein! Dazu gehört auch eine moderate Lohnpolitik, denn die moderate Lohnpolitik der Gewerkschaften - und das muss man durchaus honorieren - hat mit dazu beigetragen, dass Deutschland seine Position auf den internationalen Gütermärkten verbessern konnte und dadurch die Exporte sehr stark angestiegen sind. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft hat sich dramatisch verbessert und das liegt auch mit an der moderaten Lohnpolitik in den vergangenen Jahren. Das sollte jetzt aber nicht ins Gegenteil verkehrt werden!

    Klein: Die Einschätzung von Professor Wolfgang Wiegard, Mitglied im Sachverständigenrat. Danke Ihnen für das Gespräch!

    Wiegard: Vielen Dank!