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Wiener Etikette (3/5)
Das Geschäft mit dem Glanz alter Zeiten

Schloss Schönbrunn und die Hofburg gehören zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten in Wien. Dafür gibt es drei Gründe, glaubt Karl Hohenlohe: Sissi I, II und III. Auch wenn die Monarchie überholt sei, ist dem Kommentator des Opernballs die Etikette wichtig.

Von Markus Dichmann | 07.02.2018
    Die Auslage der Hofzuckerbäckerei Demel in Wien
    Die Auslage des Café Demel in Wien - seit 1874 mit dem Etikett "k. und k. Hofzuckerbäckerei" (Imago/ Robert Harding)
    - "Guten Morgen, hallo, hallo. Grüß Gott!"
    - "Guten Morgen, Herr Hohenlohe. Wie geht’s Ihnen heute Morgen?"
    - "Ja danke, gut, sehr gut!"
    Karl Hohenlohe kommt mit Verspätung. Drei, vielleicht vier Minuten. "Ich persönlich komme sehr ungern zu spät und hab's auch nicht gern. Ich find's eine Missachtung. Finde ich schon, dass das zur Höflichkeit dazugehört, dass man pünktlich ist." Und auf Höflichkeit legt Karl Hohenlohe durchaus wert. "Eigentlich ist das untertrieben: Ich habe eine Aversion gegen Unhöflichkeit."
    Weswegen er auch kurz vorher angerufen hat, um über seine Unpünktlichkeit zu informieren.
    - "Um mich reinzuwaschen und in ein gutes Licht zu stellen."
    - "Wollen wir reingehen?"
    - "Ja, gehen wir rein. Wir gehen jetzt hier, bevor der Touristensturm hereinkommt, in die wahrscheinlich mitehrwürdigste Konditorei in Wien."
    Und zwar in den Demel, gleich gegenüber der Wiener Hofburg. "Apfelmohntorte, Apfelstrudel, Brioche groß, Brioche klein." Karl Hohenlohe kennt sich aus mit Leckereien, denn er ist Herausgeber des Gault-Millau-Restaurantführers für Österreich. "Und die berühmten Topfensouflee-Torte, sehr wichtig. Rechts sehen wir ein Bild von Kaiser Franz Josef und eine ganz berühmte Sache kann ich Ihnen auch noch zeigen, das ist die Auslage. Die Auslage vom Demel ist immer ein Kunstwerk."
    Die Kommentatoren des Wiener Opernballs Karl Hohenlohe (links) und Christoph Wagner-Trenkwitz bei der Generalprobe im Jahr 2016
    Die Kommentatoren des Wiener Opernballs Karl Hohenlohe (links) und Christoph Wagner-Trenkwitz bei der Generalprobe im Jahr 2016 (Imago)
    Etwas von einem Disney-Märchen
    Heute ist die Auslage eine große, weiße Winterlandschaft mit Holzhütten und Schneemännern aus Zuckerguss. "Sehr oft mit Bezug zur Zeit, und da sind mehrere Zuckerbäcker am Werk und machen sehr oft Figuren und stellen berühmte Persönlichkeiten dar." Und tatsächlich: Eine dieser berühmten Figuren war mal Karl Hohenlohe selbst. "Ich hab sie auch geschenkt bekommen, die Figur."
    Zu der Ehre kommt man aber natürlich nicht als Restaurantkritiker, sondern als Chefkommentator des Wiener Opernballs. "Es ist immer ganz interessant, ich bin dann immer einen – nein, nein – zwei Tage wirklich berühmt. Aber das ebbt dann wieder ab und ich versinke dann wieder in der grauenhaften Welt der C-Promis. Nach drei, vier Tagen vegetier ich wieder hin bis dann der Opernball kommt."
    Draußen, über der also sehr berühmten Auslage des Café Demel, hängt ein kleines, ovales und verziertes Schild, das den offiziellen Titel des Etablissements verrät: Der Demel tragt seit 1874 das Etikett "k. und k. Hofzuckerbäckerei".
    "Ja natürlich, aber das ist ja einfach ein Werbemittel. Es hat gewisse Geschäfte gegeben früher in Österreich, die den Hof beliefert haben, die ein Vermögen gezahlt haben, dass sie sich nennen durften: k. und k. Hoflieferant. Aber in Wahrheit, wenn Sie heute eine Umfrage machen würden in Österreich, wer für eine Monarchie ist, kriegen sie eine verschwindend kleine Zahl."
    Es gebe also keinen Minderwertigkeitskomplex, wie es die Kritiker behaupten, keinen Phantomschmerz früherer Tage, sondern Kaiserzeit und Hofburg sind für die Wiener schlichtweg ein gutes Geschäftsmodell.
    "Phantomschmerz... Das ist ein milder Blick zurück, das ist ein Spektakel, und ja, es hat ein bisschen etwas von Walt Disney und Märchen."
    Man wirbt gern mit Umgangsformen
    Und genauso verhält es sich für Karl Hohenlohe übrigens auch mit der Etikette. "Die Etikette klingt schon so affig. Aber so gewisse höfliche Umgangsformeln sind wieder ganz gefragt, sind immer gefragt. Vielleicht ist es so, dass man ganz gern in Österreich damit wirbt, wie man wirbt mit Lipizzanern und Mozartkugeln und Walzer, dass die Etikette, das Höfische noch Bestand haben. Ob das wirklich so ist, ziehe ich ein wenig in Zweifel, aber ich glaub, man wirbt ganz gerne damit."
    Und es funktioniert: Jährlich zieht es Millionen Touristen nach Wien, die Kaiserzeit und Hofburg erleben wollen. Ein kritischer Umgang mit der Vergangenheit stört da natürlich das Zeitreisefeeling.
    "Ich geb‘ ihnen schon Recht, dass man diese Zeit verklärt sieht. Vor allem aus drei Gründen: Sissi erster Teil, zweiter Teil, dritter Teil. Ich glaube, dass sehr viele Österreicher das gleichsetzen und das wird ein bisschen in den Köpfen transportiert."
    Sissis letztes Kleid
    Die tote Kaiserin darf dann natürlich auch nicht fehlen im Imageprogramm des 1. Bezirks. Nur ein paar Hundert Meter weiter, gleich neben dem Hotel Sacher, ebenfalls mit dem k. und k.-Siegel als Wein- und Delikatessenhändler, liegt ein weiterer und ganz besonderer Hof- und Kammerlieferant.
    "Ein sehr schönes Stoffgeschäft, da hat immer die gute Gesellschaft eingekauft und hier gibt es wunderbare Bestellbücher. Da zum Beispiel können wir auch schauen die Bestellung von der Kaiserin Elisabeth, und zwar hat sie hier jenes Kleid bestellt…"
    "Also hier, wenn ich blättere, das sind jetzt alles Stoffmuster. Und hier sehen sie den Stoff, diesen dunklen Stoff. Dieses Kleid hat die Kaiserin Elisabeth hier bestellt. Und in diesem Kleid ist sie in Genf ermordet worden."
    Das letzte Kleider der Kaiserin – also zumindest der Stoff, aus dem's genäht wurde.
    Das Hotel Sacher in Wien
    Das Hotel Sacher in Wien - auch so ein Publikumsmagnet mit k.-und-k.-Siegel (AP)
    Würschtel gehen auch ohne k. und k.
    "So, jetzt gehen wir wieder weiter! Ich danke Ihnen sehr, auf Wiederschauen." Zeit, sich von Karl Hohenlohe zu verabschieden. "Wir sind jetzt zwei Stunden unterwegs gewesen und haben wahrscheinlich 400 Mal danke, vielmals, dankeschön, danke, sehr gut, wunderbar, danke gesagt."
    Kommt man raus, steht gleich gegenüber vom Hof- und Kammerlieferanten eine ziemlich bürgerliche Wurst-Bude. "Der ist recht berühmt. Und Sie sehen dann um drei, vier, fünf Uhr früh, ganz, ganz, ganz bisschen alkoholisierte Menschen, die hier Schlange stehen und Würschteln kaufen." Sind gut die Würschtel, sagt der Restaurantkritiker, der übrigens auch selber Würste produziert: "Die heißen Fürsterln. Sehr sophisticated."
    Es geht also auch hier im 1. Bezirk mal ohne k. und k. und auch mal ohne Etikette. "Wobei ich ja auch immer glaube, dass das auch schon sehr klischeehaften Vorstellungen entspricht. Ich bin der festen Überzeugung, dass es Benehmen, Etikette überall gibt, und nicht nur primär in Österreich existiert. Hier spricht man nur mehr darüber."