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Wikicon
Deutschlands Wikipedia-Autoren treffen sich in Karlsruhe

Die deutsche Ausgabe der Wikipedia ist mit derzeit rund 1,66 Millionen Artikeln die drittgrößte weltweit. Auf der Wikicon, einem Autorentreffen in Karlsruhe, wird jetzt darüber diskutiert, welche Hilfsmittel den Enzyklopädisten künftig die Arbeit erleichtern könnten.

Von Achim Killer | 23.11.2013
    "Man testet momentan eine neue Benutzeroberfläche, die so ähnlich funktioniert wie Word, damit man diese technische Sprache nicht mehr lernen muss, um Änderungen in Texten vorzunehmen. Wir glauben, dass das ein geeignetes Werkzeug wird für viele, die bisher noch nicht in der Wikipedia geschrieben haben, um den Weg, hier reinzufinden zu erleichtern",
    sagt die Wikipedianerin Geolina. Bislang werden Wikipedia-Artikel direkt in der Seitenbeschreibungssprache geschrieben mit vielen Klammern und Sonderzeichen. Künftig sollen die Autoren in den Genuss des Wysiwyg-Prinzips kommen – What you see is what you get – wie bei herkömmlichen Textverarbeitungsprogrammen üblich. Ein weiteres nützliches Tool sagt dem Wikipedianer, was sinnvoller Weise getan werden könnte.
    "Der Listengenerator erstellt strukturierte Arbeitsaufträge im Grunde. Nehmen wir mal an, man kommt nach Karlsruhe und hat neben der Wikicon noch etwas Zeit und überlegt, was könnte ich für die Artikel tun, die über Karlsruhe verfügbar sind. Dann benutze ich den Listengenerator und kucke, welche Artikel brauchen ein Bild, welche Artikel müssen vielleicht noch ein bisschen verbessert werden. Und dann kann ich eine Artikelliste erstellen und kann die gezielt abarbeiten während meiner Tage hier",
    so Angelica Mühlbauer von Wikimedia, dem Trägerverein des Online-Lexikons. Analyse-Tools sind neu dazugekommen, die einen Teil der Arbeit automatisieren und etwa anzeigen, welche Artikel überarbeitungsbedürftig sind. Und schließlich schützt Wikipedia seine Autoren davor, ausspioniert zu werden. Denn die Online-Enyklopädie taucht auch in den Enthüllungen Edward Snowdens auf – als mögliches Zielobjekt der NSA, erläutert Dirk Franke alias Wikipedia-Nutzer Southpark:
    "Es ist nicht klar, was die NSA wirklich gemacht hat oder ob das nur Sachen waren, die sie machen wollte. Auf jeden Fall: Drei Tage nachdem diese Folie öffentlich war, war die gesamte Wikipedia auf https umgestellt."
    Wikipedia ist eine der meistbesuchten Sites im World Wide Web. Sie finanziert sich durch Spenden, nicht durch Werbung. Und eben deshalb ist es für Unternehmen besonders attraktiv, dort Schleichwerbung zu platzieren. Mit diesem Problem schlagen sich die Online-Enzyklopädisten seit geraumer Zeit herum. In jüngster Zeit hat es sich verschärft. Von PR-Agenturen bezahlte Schreiber melden sich mehrfach unter Pseudonym als Autoren an, versuchen die Darstellung des Unternehmens, das sie beauftragt hat, zu schönen, und diskutieren, wenn über einen fragwürdigen Artikel gestritten wird, scheinbar vielstimmig mit.
    Sockenpuppen nennt man virtuelle Gestalten, hinter denen nur ein einziger realer PR-Agent steckt. Erst diese Woche hat Wikimedia einer US-amerikanischen PR-Agentur rechtliche Schritte angedroht, wenn sie ihre Sockenpuppen nicht zurückpfeift. Auch in Deutschland hat die PR- und Werbebranche Wikipedia längst entdeckt. Den Wikipedianern bringt das Arbeit und Ärger. Allerdings werden PR-Agenten und ihre Sockenpuppen immer entdeckt, versichert der Wikipedia-Autor Gereon Kalkuhl.
    "Diese Leute können nur in einer bestimmten Schreibweise schreiben. Das ist etwas, was wir Werbesprech nennen. Der bestimmte Kennwörter hat, die nur in Werbetexten auftauchen. Und die durchziehen wie ein roter Faden die gesamten Ergüsse der Werbe-Schreiber. Das sticht sofort aus einem neutral geschriebenen Enzyklopädie-Artikel heraus."