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Wikipedia sucht junge Akademiker

Wer für Wikipedia schreibt, bekommt keinen einzigen Euro. Schlimmer noch für junge Akademiker: Die Mitwirkung ist anonym und die für die wissenschaftliche Karriere wichtige Publikationsliste wird durch Wikipedia-Artikel nicht länger. Dass es sich für junge wie etablierte Wissenschaftler trotzdem lohnt, an der Wissensdatenbank mitzuschreiben, will die weltweit erste Wikipedia-Academy in Göttingen beweisen - auch, um noch mehr qualifizierte Autoren zur Mitarbeit zu bewegen.

Von Michael Engel | 16.06.2006
    Insbesondere bei Studierenden und Doktoranden hat "Wikipedia" einen guten Klang. Studienreferendar Ilja Kuschke arbeitet gerade an seiner Dissertation über Rezeptionsgeschichte. In den vergangenen drei Jahren lieferte er ungezählte Beiträge für Wikipedia.

    " Man lernt bei den Formulierungen mehr Ausgewogenheit, dass man versucht, nicht mehr zu polemisieren, sondern mehr sich zurückzunehmen und probiert, verschiedene Seiten gleichwertig darzustellen. Man lernt zu strukturieren. Man lernt zu vereinfachen. Ich hab' noch als Altphilologe durchaus eher eine gestelzte Ausdrucksweise früher bevorzugt, und hab' eben auch gemerkt, dass das nicht unbedingt klarer wird für Benutzer. Das ständige gegenseitige Austauschen, das kann viel Zeit kosten, aber man gewinnt auch viel dadurch. "

    Zur Zeit schreiben rund 600 deutschsprachige Autorinnen und Autoren für Wikipedia. Meist sind es Nachwuchsakademiker. Zunehmend gesellen sich aber auch altgediente Professoren hinzu, die ihr Wissen nach der Pensionierung nicht brach liegen lassen wollen. Was immer noch fehlt, sind die beruflich aktiven Akademiker. Neue Leute aus dem akademischen Bereich zu gewinnen, ist denn auch das Hauptziel der Wikipedia Academy in Göttingen, wie Vorstandsmitglied Frank Schulenburg betont.

    " Eine Erfahrung, die ich persönlich gemacht habe in meiner Mitarbeit für die Wikipedia ist das, dass man ein sehr, sehr großes Publikum hat, was einem eine direkte Rückmeldung auch gibt. Das heißt also, anders als wenn ich irgendwo anders publiziere, habe ich hier eine direkte Rückmeldung von der Community, und ich bekomme direkt gesagt, an den und den Stellen könnte man noch etwas verbessern oder verständlicher gestalten, und das ist eine Art der Rückmeldung, die man sonst im wissenschaftlichen Bereich nicht so direkt hat. "

    So geht es auf der weltweit ersten Wikipedia-Academy vor allem darum, die Mitwirkung vor allem für Akademiker schmackhaft zu machen. 200 Teilnehmer - hauptsächlich aus Deutschland - sind nach Göttingen gekommen. Da geht es um praktische Übungen an PC-Arbeitsplätzen. Auch Inhaltsanalysen, Medienkompetenz und Qualitätssicherung stehen auf dem Programm. Nicht zu vergessen die Frage, was sich in Zukunft ändern muss, um die Mitarbeit für Experten attraktiver zu gestalten.

    " Wir stellen auf der Academy die Funktionsweise der Wikipedia Community vor, zum Beispiel auch das System, mit dem Artikel prämiert werden, also in der Community ausgezeichnet und besonders vorgestellt werden, geben natürlich auch Tipps, wie man so einen exzellenten Artikel verfasst und zeigen ein bisschen die Funktionsweise der Wikipedia auf, damit die Leute sich leichter zurechtfinden. "

    "Persönlichen Ruhm" - noch dazu im harten Wissenschaftsbetrieb außerhalb der Online-Welt von Wikipedia - wird man durch die ehrenamtliche Mitarbeit wohl nicht erhalten können, urteilt Elisabeth Bauer, Gründungsmitglied der Wikimedia Deutschland. Seitdem "Google" und jetzt auch "Yahoo" mit der Online-Enzyklopädie kooperieren, erscheint Wikipedia bei der Abfrage von Suchwörtern meist ganz oben auf der Trefferliste. Und irgendwie - so der Politik-Doktorand Eike Meyer, der seit zwei Jahren für Wikipedia schreibt - fällt doch etwas ab fürs Renommee:

    "Also das ist bei einigen Firmen, wenn man sich bewirbt für Praktika online, dann freuen die sich, wenn man so was mit angibt, dass sie den Eindruck gewinnen, was können die Leute, aber ob man dann wirklich beruflich seine Chancen mit verbessern kann, weiß ich nicht, ob man das so sagen kann. "