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Wildtierhandel
Gefahren für Mensch und Tier

Der Handel mit wilden Tieren ist ein Milliardengeschäft. Exoten werden als Haustiere gehalten, als Lebensmittel verzehrt oder für Medikamente genutzt. Nicht nur Artenschützer kritisieren diesen oft illegalen Handel. Denn er stellt eine Gefahr für den Menschen dar – wie die Corona-Pandemie beweist.

Von Andrea Rehmsmeier | 09.06.2020
Pangoline in einem Käfig in Medan, Indonesien.
Mutierte Tierseuchenerreger - ein Problem besonders durch den weltweiten Tierhandel (imago / Zuma Press)
Der Quarantäneraum liegt hinter einer Sicherheitstür. Wo genau, das darf hier nicht gesagt werden. Eine Vorgabe der Zollfahndung.
"Im März dieses Jahres hat das Zollfahndungsamt Essen insgesamt 112 geschützte und seltene Pfeilgiftfrösche sichergestellt in einem Hotel in Hamm."
Neben Kisten voller Futterinsekten stapeln sich mehr als 100 Plastikbehälter. Darin lebt das beschlagnahmte Schmuggelgut. Zollsprecherin Heike Sennewald betrachtet eines der winzigen Tiere. Signalroter Körper, perlblaue Schenkel: Ihre hochtoxische Haut hat die Pfeilgiftfrösche berühmt gemacht. In Mittel- und Lateinamerika wurden sie früher für Blasrohrpfeile verwendet.
Für die Tiere ist der Transport eine Tortur - viele verenden
Und auch wenn die Tiere ihr Gift in Gefangenschaft verlieren: Die abenteuerliche Geschichte, der sie ihren Namen verdanken, ist heute bares Geld wert ist. Denn auf dem florierenden Weltmarkt für exotische Haustiere sind die bedrohten Frösche heiß begehrt – auch dann, wenn sie illegal gefangen und verkauft werden. Für die Tiere selbst ist ihr Dasein als Importware oft eine tödliche Tortur, weiß die Zollbeamtin.
"Zum Teil haben wir bei den Sicherstellungen schon verendete Tiere vorgefunden. Zum Teil sind sie kurz nach der Sicherstellung verendet. Viele sterben an Stress. Ganz klar: Das ist natürlich keine schöne Sache, wenn die hunderte Kilometer durch Europa gekarrt werden. Andere hatten auch Parasiten, chronische Infektionen oder auch pathogene Pilzinfektionen, an denen die verstorben sind."
Ein kleiner, knallroter Frosch (Dendrobates pumilio), auf einem Blatt sitzend in Costa Ric.
Pumilio-Frösche werden massenhaft für die Heimhaltung gehandelt (picture alliance / Blickwinkel)
Der Vorwurf, Halter von exotischen Wildtieren würden für ihr extravagantes Hobby Tierquälerei und Artensterben in Kauf nehmen, ist ebenso alt wie der erbitterte Dauerstreit zwischen Artenschützern und Tierhaltern. Doch durch die Corona-Pandemie hat das Thema zusätzliche politische Brisanz bekommen. Denn das Coronavirus ist nach bisherigem Stand der Erkenntnisse in China von Wildtieren auf den Menschen übergesprungen. Viele Experten sehen im Handel mit Wildtieren vor allem ein Infektionsrisiko – für Menschen, aber auch für heimische Tiere.
Ebola, Vogelgrippe, Zika - viele Krankheiten kommen vom Tier
Pfeilgiftfrösche etwa können Hautpilze tragen, die als eine wichtige Ursache für das weltweite Amphibiensterben gelten. Exotische Streifenhörnchen können Erreger von Hirnhautentzündung übertragen, in Deutschland gab es bereits vier Todesfälle. Aids, Ebola, Mers, Affenpocken, Vogelgrippe, Tollwut, Milzbrand, Zika – fast alle Infektionskrankheiten, die die Welt in den vergangenen Jahren in Atem gehalten haben, sind sogenannte Zoonosen: also mutierte Tierseuchenerreger, die auf den Menschen übergesprungen sind.
Doch exotische Terrarientiere, putzige Nager und muntere Äffchen sind die Klickstars im Internet. Bestellt wird Online, angeliefert per Post – meist ohne das Wissen der Behörden und ohne jede veterinärmedizinische Kontrolle. Der Handel blüht – legal wie illegal. Allein die 112 beschlagnahmten Pfeilgiftfrösche, sagt Zollsprecherin Sennewald, haben einen Marktwert von 25.000 Euro.
"Wobei diese kleinen, bunten, süßen, kaum einen Zentimeter großen Frösche tatsächlich bei Sammlern so sehr beliebt sind und so einen Boom inzwischen ausgelöst haben, dass einige seltene Exemplare für bis zu 3000 Euro das Stück gehandelt werden. Da steckt also auch eine ganze Menge Geld dahinter in dem illegalen Tierhandel."
Chinas Schlüsselrolle: führend im Export von Wildtierprodukten
Der milliardenschwere illegale Tierhandel: Auf der Generalversammlung des Weltnaturschutzkongresses IUCN, die am 11. Juni im französischen Marseille hätte stattfinden sollen, wäre das ein wichtiges Thema gewesen. Doch die Weltkonferenz wurde abgesagt. 2020, das angekündigte "Superjahr der Artenvielfalt", ist der Zoonose COVID-19 zum Opfer gefallen. Auch die bedeutende Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention, die im Oktober in China hätte stattfinden sollen, wurde bereits verschoben.
Dabei spielt China bei der Zoonosen-Bekämpfung eine Schlüsselrolle, glaubt Grace Ge Gabriel, Leiterin der Asien-Programme bei der Artenschutzorganisation International Fund for Animal Welfare. Nicht nur als Ursprungsland der Lungenkrankheit COVID-19, sondern auch als führender Exporteur auf dem internationalen Markt für Wildtiere und Wildtierprodukte.
"Der Wildtierhandel bringt die unterschiedlichsten Wildtierarten auf unnatürlich engem Raum zusammen – und in Körperkontakt mit Menschen. Diese Tiere sind krank, sie sind verletzt, sie stehen unter Stress und ihr Immunsystem ist geschwächt. Das macht es den Viren leicht: eine perfekter Nährboden für die Entstehung von Pandemien."
Ende Januar hat die chinesische Regierung auf den Corona-Ausbruch reagiert und Haltung, Transport und Handel von Wildtieren als Lebensmittel verboten. Für einen echten Durchbruch allerdings – gegen Naturplünderung und für Zoonose-Prävention – ist das chinesische Wildtierhandelsverbot nicht konsequent genug, fürchtet Grace Ge Gabriel.
Tierschützer fordern Neuregelungen für Handelsverbot
"Es handelt sich nicht um ein breites Handelsverbot. Für traditionelle chinesische Medizin zum Beispiel dürfen bedrohte Arten weiterhin gefangen gehalten und gehandelt werden. Da fehlt der Regierung einfach die Einsicht, dass es den Viren egal ist, ob ein Tier legal oder illegal gehandelt wird, ob es als Lebensmittel, als Medizin oder als exotisches Haustier gebraucht wird."
Ein Geschäft für traditionelle chinesische Medizin in Hongkong wirbt mit Antilopenhörnern im Schaufenster, fotografiert am 08.01.2012.
Antilopenhörner als Arznei: Für die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) werden zahllose Teile von Tieren verarbeitet (picture alliance / Jens Kalaene)
Doch auch wenn das chinesische Gesetz bislang unvollkommen ist – Artenschützer in aller Welt haben lange auf ein solches Signal gewartet. Im Februar haben sich 76 internationale Organisationen und Wissenschaftler öffentlich der Forderung angeschlossen, dem ausgeuferten Wildtierhandel einen Riegel vorzuschieben. Und auch in Deutschland forderten zwölf Tier- und Artenschutzorganisationen kurz darauf eine Neuregelung. Ein Weckruf, freute sich Grace Ge Gabriel damals. Inzwischen aber sagt sie: Die Aufbruchsstimmung ist schnell wieder verpufft.
"Leider hat sich die Weltöffentlichkeit nicht besonders für die Ursache der Corona-Pandemie interessiert. Stattdessen dämonisieren die westlichen Länder jetzt China mit rassistischen Ängsten. Der Ärger, den die Chinesen anfangs über den Wildtierhandel im eigenen Land hatten, hat sich längst in Wut auf den Westen verwandelt. Die internationale Staatengemeinschaft hätte das Pandemieproblem gemeinsam an der Wurzel fassen können. Aber jetzt steht die westliche Welt gegen die östliche. Das ist wirklich unglücklich gelaufen."
Besonders viele exotische Tiere gehen nach Deutschland
Eine Seuche als Weckruf: Im Jahr 2003 hat das schon einmal funktioniert. Damals grassierte die Vogelgrippe, und importierte Papageien wurden als ein möglicher Infektionsherd identifiziert. Kurz darauf setzte die Europäische Union einen temporären Importstopp für Wildvögel durch, 2007 wurde dieser in ein dauerhaftes Verbot überführt, als Doppelschlag gegen Infektionsgefahr und Artensterben.
Ein Pangolin klettert aus einem Plastikkäfig. Das Bild stammt von einer Pressekonferenz von Wildhütern in Nord-Sumatra. Bei einer Aktion gegen Wildtierschmuggler waren im Juni 2017 über 200 lebende und tote Pangoline beschlagnahmt worden. 
Virenimport durch Wildtierhandel - Out of the Wild
Der Handel mit exotischen Tieren wie Flughunden, Totenkopfäffchen, Pfeilgiftfröschen oder Pangolinen boomt. Artenschützer kritisieren seit Langem die kaum regulierten Importe. Seit der Coronakrise ist die Kritik lauter geworden, denn enger Kontakt mit Wildtieren birgt ein großes Risiko.
Bahnt sich im Corona-Jahr 2020 womöglich ein Importstopp für alle Wildtiere an? Die deutsche Bundesumweltministerin Svenja Schulze von der SPD will sich auf internationaler Ebene für weitere Handelsbeschränkungen für gefährdete Arten stark machen. Auch hierzulande will sie mehr tun, um die Nachfrage nach exotischen Wildtieren einzuschränken, denn besonders viele exotische Haustiere werden nach Deutschland geliefert – weil es hier eine starke Nachfrage gibt. Und der legale Wildtierhandel zieht einen Schwarzmarkt nach sich: Geschützte und seltene Tiere erzielen besonders hohe Preise.
Der Hinweis, der im März zur Beschlagnahmung der 112 Pfeilgiftfrösche führte, war aus der Bevölkerung gekommen, berichtet Zollsprecherin Heike Sennewald: In Hamm, in einem Hotelzimmer, würden illegal Tiere verkauft, so der Tipp.
"Die wurden von einer slowakischen Kurierin nach Deutschland gebracht, um sie an Kunden abzugeben, die ein slowakischer Amphibienhändler vorher schon kontaktiert hatte. Und obwohl die Messe in Hamm abgesagt war, sollten die Frösche trotzdem ausgeliefert werden."
Chamäleons, Spinnen und Vipern - auch im Kofferraum
Die Messe in Hamm: Das ist die "Terraristika", die viermal im Jahr stattfindet. Sie ist nach eigener Aussage die "weltweit größte Börse für Terrarientiere". Wohl auch deshalb gilt Hamm in Westfalen als internationales Drehkreuz des Exotenhandels. Das Zollkriminalamt Essen zählt hier nun schon den achten großen Fall von Artenkriminalität seit 2011. "For Hamm" lautet in Online-Kleinanzeigen das einschlägige Schlagwort, das schon kriminelle Geschäftemacher von der Ukraine bis China auf den Plan gerufen hat.
Vogelspinnen in Plastikdosen auf einer Terrarienbörse. 
Eine Qual für die Tiere oder ein berechtigtes Hobby? Terrarienbörse mit exotischen Insekten (picture alliance / Yannick Tylle)
An den "Terraristika"-Samstagen, während sich die offiziellen Börsenbesucher zwischen Ständen mit Abertausenden Chamäleons, Spinnen und Vipern drängeln, blüht im Stadtgebiet das Kofferraum-Geschäft. So war es auch im März – und das, obwohl die Veranstaltungshallen wegen Corona geschlossen bleiben mussten. Die Kurierin aus dem Hotelzimmer konnte keinerlei Handelspapiere für die Pfeilgiftfrösche vorweisen, berichtet die Zollsprecherin.
Dabei sind die Tiere artgeschützt – und es ist nicht ausgeschlossen, dass die Tierfänger, die die Frösche in Panama abgesammelt haben, die Population einer ganzen Unterart ausgelöscht haben.
"Wobei es sich hier um 108 Frösche der Art Pumilio handelt, die erst vor zwei Jahren in Panama entdeckt worden ist. Und seit drei Jahren ist ein legaler Wildtierexport aus Panama nicht mehr möglich. Also eine ganz frisch entdeckte Art, die hier jetzt plötzlich im europäischen Tierhandel auftaucht."
34 Amphibienarten in den letzten Jahrzehnten ausgestorben
Das Veterinärlabor Exomed in Berlin. Zwischen Mikroskopen und Brutschränken voller Petrischalen tropft eine Assistentin Proben auf Teststreifen. Das Forschungsinstitut ist spezialisiert auf Exoten-Diagnostik, dazu gehören Parasitennachweise, Blutuntersuchungen bei Reptilien oder Virentests bei Schildkröten oder Schlangen. Meistens geht es um Zoo- oder Heimtiere. Doch Geschäftsführer Malek Hallinger sorgt sich auch um den Zustand wilder Populationen. Insbesondere um die Amphibien stehe es weltweit nicht gut.
"Schlimm. Ich kann Ihnen hier Zahlen sagen: 34 Amphibienarten sind jüngst nach Erhebungen der IUCN in den letzten Jahrzehnten im Zuge der globalen Amphibienkrise bereits sicher in der Natur ausgestorben. Über 2000 gelten als gefährdet."
Was ist die Ursache für das Amphibiensterben, das auf allen Kontinenten gleichermaßen nachweisbar ist? In der wissenschaftlichen Fachliteratur wird diese Frage seit den 90er Jahren diskutiert, im Jahr 2000 konnte das Labor Exomed neue Erkenntnisse liefern. Das damalige Laborteam konnte auf der Haut von Pfeilgiftfröschen erstmals in Europa den aggressiven Chytridpilz nachweisen. Die befallenen Tiere waren damals frisch aus Costa Rica importiert worden.
Ist also der Tierhandel schuld daran, dass sich der Hautpilz durch ausgesetzte oder entlaufene Terrarientiere auf dem ganzen Planeten verbreiten konnte? Diese Schlussfolgerung war damals schnell bei der Hand. Malek Hallinger dagegen erscheint eine andere These plausibler: Erst seit das Immunsystem der Amphibien geschwächt sei, schade den Tieren der weit verbreitete Chytridpilz.
"Man hat die Schuldigen gefunden, den man verantwortlich machen kann, nämlich diesen Erreger. Weil natürlich ist das eine Seuche. Aber die Ursachen sind ja im Grunde, dass den Tieren der natürliche Lebensraum durch den Menschen weggenommen wird, dass man Umweltverschmutzungen hat. Und dann wird ein Pathogen nachgewiesen, das auch sehr gefährlich ist."
Würde ein Handelsverbot für Wildtiere Schutz vor importierten Krankheitserregern bieten? Tierarzt Hallinger glaubt das nicht. Exotische Reptilien und Amphibien, die in Deutschland eine große Fangemeinde haben, seien höchstens für die heimische Tierwelt gefährlich. Riskanter für den Menschen seien exotische Säugetiere. Die allerdings werden in Deutschland vergleichsweise selten gehandelt.
"Generell kann man auch sagen: Bestimmte Pathogene müssen einfach untersucht werden, und dann ist alles gut. Wenn die Tiere negativ getestet werden, dann besteht ja keine Gefahr. Das macht dann einfach nur die Einfuhr teurer, aber dann kann ich die Tiere ja einführen."
Exotenhandel entzieht sich jeder Kontrolle
Jedes Einzeltier vor der Einfuhr nach Deutschland auf alle relevanten Krankheitserreger testen? Viele Artenschützer halten das für unmöglich. Die Organisation Pro Wildlife aus München hat im Auftrag des Bundesumweltministeriums gerade eine Studie über Exoten im deutschen Heimtiermarkt veröffentlicht. Zwölf Monate lang hat Referentin Katharina Lameter Online-Inserate, Tierbörsen, Zoogeschäfte und Importeure beobachtet.
Ihr Team zählte mehr als 2.000 verschiedene Tierarten, die in dieser Zeit zum Verkauf standen – Reptilien und Amphibien zumeist, jedes zehnte angebotene Tier war ein exotischer Säuger. Wie viele Einzeltiere importiert werden, das kann sie auch jetzt noch nicht sagen, eine solche Statistik wird nirgends geführt. Die Artenschützerin fürchtet: Der Exotenhandel ist eine Blackbox, die sich jeder Behördenkontrolle entzieht.
"Wir brauchen ein Importverbot für Wildtiere. Wir brauchen eine Positivliste, die klarstellt, welche Tiere sich aus Tierschutzsicht, aus Artenschutzsicht und auch aus gesundheitlicher Sicht überhaupt dazu eignen, in privaten Haushalten gehalten zu werden, und dass der Handel und die Haltung auch auf diese Tierarten beschränkt wird."
Die Handelsaufsicht – so wie sie derzeit in Deutschland praktiziert wird – erscheint der Artenschützerin als "Flickenteppich". Da gibt es zunächst das Washingtoner Artenschutzübereinkommen, das in 184 Staaten den Handel mit bedrohten Arten regulieren soll und in Deutschland vom Bundesnaturschutzgesetz und der Bundesartenschutzverordnung umgesetzt wird. Darüber hinaus gelten die Auflagen der Seuchenprävention, die Tierschutzbestimmungen und Gefahrtierverordnungen. Viele Regularien können auf internationaler und europäischer, auf Bundes- und Landesebene unterschiedlich ausgestaltet sein – und zwar spezifisch für jede einzelne gehandelte Art.
Artenschutz - Pro Wildlife: Heimtierhandel bedroht gefährdete Arten
Sie werden zu Trophäen, Delikatessen – oder Haustieren: Bereits gefährdete Tierarten werden vom globalisierten Handel noch zusätzlich bedroht, sagte Daniela Freyer von der Organisation Pro Wildlife im Dlf. Besonders der Heimtierhandel setze vom Aussterben bedrohte Arten unter Druck.
Dennoch decken sie nur einen Bruchteil des Exotenmarktes ab. Die weitaus meisten Arten dürfen legal eingeführt werden – ohne Handelsauflage und damit ohne jede Behördenkontrolle. Zwar wird der deutsche Exotenmarkt auch von vielen anerkannten Züchtern beliefert. Dennoch fürchtet Katharina Lameter: Bis heute werden viele Tiere aus ihren Habitaten in den letzten intakten Regenwäldern, Wüsten und Steppen des Planeten gerissen.
"Wir haben immer wieder neue Arten, die gehandelt werden, die natürlich überhaupt nicht seit Generationen gezüchtet werden können, sondern die müssen aus der Wildnis kommen. Und ja, es zeigt sich auch, dass immer wieder Tiere aus der Wildnis genommen werden, auch um Zuchtlinien wiederaufzufrischen und wieder frisches Blut reinzukriegen. Und es gibt auch einfach viele Tiere, die sich einfach nicht für die Haltung in Gefangenschaft eignen und die sterben. Und dementsprechend brauche ich da auch wieder nach Nachschub und muss die aus der Wildnis nehmen."
Gesetze nachschärfen
Importtiere, deren Lieferkette nicht nachzuvollziehen ist, und unbedarfte Tierkäufer, die sich womöglich unberechenbare Krankheitserreger in die Familie holen: Auch das Bundesamt für Naturschutz, kurz BfN, hat sich inzwischen für eine strengere Kontrolle der – Zitat – "konsumptiven Nutzung von Wildtieren" ausgesprochen. Wie diese jedoch aussehen soll, das ist bislang offen. Von einem generellen Importverbot hält BfN-Rechtsexperte Franz Böhmer nichts.
"Es ist gut und wohl, wenn die Verbände das fordern. Dafür sind sie auch da als Verbände. Ich kann mir aber vorstellen, dass die politischen Entscheidungsträger noch andere Aspekte mitberücksichtigen werden. Und die werden einen Weg finden müssen, wo man sich auf einem Punkt zwischen dem einen Extrem und dem anderen Extrem trifft."
Ist ein deutscher Alleingang in einem europäischen Binnenmarkt überhaupt sinnvoll? Und würde ein umfassendes Importverbot nicht den gesamten Exotenhandel in die Illegalität drängen? Böhmer kann viele Aspekte aufzählen, die gegen einen radikalen Systemwechsel sprechen. Der BfN-Rechtsexperte schlägt vor: Gesetze nachschärfen, Behördenarbeit besser koordinieren und die Strafermittler endlich mit ausreichend Personal, Technik und Weiterbildung ausstatten – das alles jedoch innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens, der im Wesentlichen vom Washingtoner Artenschutzübereinkommen vorgegeben ist.
"Will ich ein vorhandenes System, das – bei allen Macken, die es hat – funktioniert, in die Tonne hauen, ehe ich ein anderes habe, das wirklich besser international funktioniert? Und wenn ich mir dann überlege, dass wir erst mal 27 EU-Staaten auf die Reihe bringen müssen und dann noch einmal 180 andere, dann hab ich eine gewisse Schwierigkeit damit."
Welche Neuregelungen auch immer die Bundesregierung gegen den ausufernden Wildtierhandel treffen wird, Böhmer glaubt: Sie werden nur greifen können, wenn am Ende alle ein Einsehen haben. Denn so verständlich die Lust auf ein Stück Wildnis im Wohnzimmer ist– es steht viel auf dem Spiel: die Gesundheit von Menschen und das Überleben ganzer Tierarten.