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Wildtiermanagement in Deutschland
Wie das Zusammenleben mit dem Wolf gelingen kann

Der Wolf ist zurück in Deutschland. Naturschützer begrüßen ihn als ursprünglichen Teil der heimischen Natur. Bei Schäfern, Viehzüchtern und Jägern lösen die Tiere eher Wut und Sorge aus. Wie das Zusammenleben von Wolf und Mensch gelingen kann - darüber haben Experten jetzt auf einer Tagung in Bautzen diskutiert.

Von Bastian Brandau | 02.07.2018
    Wolf "Alexander" streift am 05.12.2017 im Wildpark Eekholt bei Großenaspe (Schleswig-Holstein) durch sein Gehege.
    Beim Thema Wolf kollidieren in Deutschland ökonomische und ökologische Interessen. (dpa/Carsten Rehder)
    Die Lausitz und die Lüneburger Heide sind die Regionen, die Michaela Fenske im Blick hat. Das DFG-Forschungsprojekt unter der Leitung der Professorin für Europäische Ethnologie an der Universität Würzburg beschäftigt sich mit dem Wolfsmanagement in diesen deutschen Regionen. Besonders inspirierend fand sie auf der Bautzener Tagung den Vortrag eines Kollegen aus Albanien – obwohl es dort praktisch gar keine offiziellen Regeln für den Umgang mit Wölfen gibt.
    "Und mich hat das sehr beeindruckt, mit welch einem unglaublichen Einsatz auf der einen Seite die Schäfer mit denen der Kollege gesprochen hat, sich einsetzen, auch körperlich sich einsetzen, auch präsent sind für ihre Tiere. Wie sehr sie aber auch Strategien entwickelt haben, um mit dem Zusammentreffen, das man eben verhindern wollte, also wenn Wölfe dann eben doch Tiere reißen, damit umzugehen. Eben auch darüber nachzudenken, was ist nicht gut gelaufen und wie kann man das lösen?"
    Albanien oder Polen: Vorbilder beim Thema Wolfsmanagement?
    Welche Ansätze aus Albanien könnte das Wolfsmanagement in Deutschland, könnten deutsche Tierhalter in Wolfsregionen für sich nutzen? Was könnte man lernen aus der Situation in Ländern wie Norwegen, Polen oder Finnland, über die in Bautzen berichtet wurde? Klar sei, sagt Michaela Fenske: Den einen erfolgsbringenden Ansatz für einen möglichst konfliktfreien Umgang mit Wölfen könne es gar nicht geben. Erforderlich seien an die Umgebung angepasste Strategien, um etwa die widerstreitenden Interessen von Umweltschützern und Tierhaltern auszubalancieren. Die Schweiz mit ihren sehr unterschiedlichen Wolfsregionen sei dafür beispielhaft, sagt Bernhard Tschofen von der Universität Zürich. Denn die differenzierte Vorgehensweise habe dazu geführt:
    "Dass es mit Graubünden einen Kanton gibt, in dem sehr früh eine aktive Moderation des Themas eingeführt worden ist, in dem die ganze Sache mehr oder weniger friedlich verläuft. Es gibt natürlich kontroverse Positionen, aber es ist auch Platz dafür, diese auszuverhandeln. Es braucht vor allem auch sehr viel Mediation, es braucht vor allem auch die lokalen Wildhüter, die da immer wieder diese In-between-Situation erfahren. Einerseits staatliche Interessen im Sinne der Bundesgesetze und im Sinne des Jagdgesetzes und andererseits konfrontiert sind mit den Emotionen vor Ort."
    Menschliche Urängste vor dem "bösen Wolf"
    Die vor allem bei den Haltern von Nutztieren oft hochkochen – aus Furcht die Wölfe könnten Tiere ihrer Herden reißen. Ängste müsse man ernst nehmen, so Bernhard Tschofen. Der Wolf sei nun mal ein emotionales Thema. Und während die Diskussion in Graubünden eher sachlich geführt werde und man auch von den Wölfen im Tessin praktisch nie etwas höre, sei die Situation im Kanton Wallis eine ganz andere:
    "Man nimmt dort den Wolf mehr als eine Bedrohung wahr, die eigentlich gegen den Willen der Landbevölkerung aufgrund der Lobbyarbeit von urban wahrgenommen Umweltinitiativen gewissermaßen als eine Landseuche über den Kanton gekommen ist."
    Und von populistischen Parteien als Wahlkampfthema genutzt wird. Denn schließlich schwingen bei dem Thema menschliche Urängste vom bösen Wolf mit, die in überlieferten Mythen und Stereotypen Ausdruck gefunden haben, erklärt die Kulturwissenschaftlerin Susanne Hose vom Sorbischen Institut in Bautzen.
    "Und so wird aus jenem Tier eben eine durchaus böse Gestalt. Im Rotkäppchen ist es eigentlich die Verkörperung des gierigen Mannes."
    "Ein ganz großer Lernprozess"
    In manchen Gegenden Deutschlands ist über 100 Jahre lang nie ein Wolf gesehen worden. Nun ist er vielerorts wieder da und zwingt die Gesellschaft zum Umdenken, sagt Michaela Fenske von der Universität Würzburg.
    "Und ich denke, dass was wir seit der Jahrtausendwende erleben, ist ein ganz großer Lernprozess, wo die Wölfe eben ganz unterschiedliche Effekte in den jeweiligen Lebens- und Arbeits- und Erfahrungsräumen setzen."
    Ein Prozess, bei dem Aufklärung in Form von Bildung eine große Rolle spielt. Zu Fenskes Forschungsprojekt gehört daher auch die Konzeption einer großen Wolfs-Ausstellung: Um den Menschen die Angst vor dem vermeintlich "bösen Wolf" zu nehmen.