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Windenergie
Luftballons schützen Schweinswale

Windenergieanlagen vor den Küsten können Wale schon beim Bau gefährden: Denn der Lärm beim Aufstellen und Verankern der Türme kann die Tiere taub werden lassen. Um das zu verhindern, werden zurzeit verschiedene Schallschutzmaßnahmen erprobt. Erfolg versprechend ist eine Methode mit Ballons.

Von Monika Seynsche | 16.07.2014
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    Schallschutzmaßnahmen sind Pflicht beim Bau von Offshore-Windenergie-Ablagen (dpa/picture alliance)
    "Per Genehmigung sind alle Windparkbauer verpflichtet, einen gewissen Grenzwert einzuhalten, nämlich 160 dB, um die Schweinswale oder auch überhaupt die Lebewesen im Meer zu schonen."
    Irina Lucke ist als Geschäftsführerin der EWE Offshore Service & Solutions GmbH für den ersten Deutschen Windpark Alpha Ventus verantwortlich.
    "160 dB ist so als würden Sie einen großen Luftballon direkt neben Ihrem Ohr platzen lassen, das ist schon echt laut. Und normalerweise, wenn wir nichts machen, keine Schall-minimierenden Maßnahmen, liegen wir sogar bei 180, 185 dB. Sodass per Genehmigung gesagt wird, ihr müsst Maßnahmen ergreifen, die diese Schallemissionen reduzieren."
    Schleier aus Blasen
    Wird der Pfeiler einer Anlage mit einem Stahlhammer in den Meeresboden getrieben, ist es selbst in einem Kilometer Entfernung noch sehr laut. Deshalb tüfteln Ingenieure immer neue Methoden aus, den Schall zu mindern. Blasenschleier zum Beispiel. Dabei wird ein ringförmiger Schlauch auf dem Meeresboden um den Pfeiler herum gelegt. Aus dem Schlauch steigen dann Luftblasen auf, die den Schall reduzieren. Das Verfahren allerdings ist aufwendig und bei starken Strömungen funktioniert es nicht, da die Luftblasen weggetrieben werden. Eine simpel aussehende Alternative hat Karl-Heinz Elmer entwickelt.
    "Wir haben bei der ersten Untersuchung tatsächlich Kinderluftballons genommen. Nicht diese großen, sondern Wasserballons. Die sind etwa faustgroß und wir haben die eingesetzt und das waren 25 Stück pro Quadratmeter also alle 20 Zentimeter einen Ballon und erreichen also frappierende Schallminderung dabei."
    Die mit Luft gefüllten Ballons sind dabei an einem Netz befestigt, das den Pfeiler umhüllt, erzählt der Ingenieur. Der ehemalige Dozent der Leibniz-Universität Hannover hat nach 30 Jahren seinen Job gekündigt, um sich selbstständig zu machen und seine Luftballons zur Marktreife zu führen.
    "Mit, sagen wir, etwa 25 Ballons erreichen wir pro Quadratemeter eine Schallreduktion von 23 dB gemessen in sechs Meter Entfernung. 23 dB heißt, dass 99,5 Prozent der Schallenergie reduziert wird. "
    Luftballons als Schallschlucker
    Hydroschalldämpfer haben Karl-Heinz Elmer und seine Kollegen ihr Verfahren genannt. Anders als der klassische Blasenschleier ist das System nicht anfällig für die Strömung, da die im Netzvorhang befestigten Ballons nicht weggetrieben werden können. Außerdem können die Ingenieure die Ballons mehr oder weniger stark aufpumpen. Dadurch können sie die Eigenfrequenz der Bälle kontrollieren und damit den Frequenzbereich, in dem die Schallminderung besonders wirksam ist. Elmer:
    "Zurzeit wird es gerade beim Windpark Amrum Bank West von E.on ausprobiert, in Zusammenarbeit mit der Firma Menk, Menk ist die Rammfirma, die die Pfähle dort in den Boden treibt. Und wir haben dort einen Korb konstruiert, der quasi unter dem Hammer hängt beziehungsweise von oben runtergelassen wird und wir haben außerordentlich gute Werte."
    Zu Anfang liegt das Netz mit den Luftballons zusammengefaltet in dem ringförmigen Korb. Wird dieser auf den Meeresboden herabgesenkt, spannt es sich Ziehharmonika-artig zwischen Meeresspiegel und Boden auf und umhüllt den Pfeiler.
    "Und wir haben unten dann so einen Ballastring, also so einen Korb der etwa zehn Tonnen wiegt, der im Grunde dafür sorgt, dass das Netz nicht aufschwimmt."
    Es gibt schon viele andere Methoden, den Schall bei Offshore-Bauarbeiten zu mindern. Ringförmige Kofferdämme zum Beispiel werden um die Pfeiler herumgesetzt, sodass im Trockenen gerammt werden und der Schall sich nicht durchs Wasser fortpflanzen kann, erklärt Elmer:
    "Es gibt den Kofferdamm, der würde dann auch 4-500 Tonnen wiegen. Es gibt auch von einer holländischen Firma ein System wo sozusagen ein zweiter Pfahl darüber geschoben wird, ebenfalls gewichtsmäßig etwa in der Größenordnung und auch aus Stahl und da ist dann ein Blasenschleier drin und Schallminderungsmaterial."
    Diese Methoden funktionieren, aber ihr großes Gewicht sei ein entscheidender Nachteil beim Transport in den Windpark, meint Karl-Heinz Elmer. Für sein gerade einmal zehn Tonnen leichtes Luftballonnetz dagegen finde sich auf jedem Schiff noch Platz.